GROSSARTIGE BILDER, UNGEHEURE EREIGNISSE, DEUTSCHE GEGENWART - EIN ROMAN ÜBER WISSEN, VERTRAUEN, TRANSPARENZ
Ein nackter Mann kommt nachts in einem Hinterhof zu sich. Angela Z., arbeitslose Physikerin, feiert mit Sekt und Käsegebäck allein Geburtstag, als er zu ihr ins Wohnzimmer springt. Der Besuch des Boten aus einer anderen Welt kommt sehr gelegen, denn seit einiger Zeit beobachtet sie, daß ein Ärztepaar im Haus Erstaunliches vollbringt: Seit den Besuchen bei Dr. Schwartz und Dr. Weiss wird Angelas beste Freundin immer jünger ...
«Ein außerordentlich schönes Buch!»
THOMAS STEINFELD, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
Ein nackter Mann kommt nachts in einem Hinterhof zu sich. Angela Z., arbeitslose Physikerin, feiert mit Sekt und Käsegebäck allein Geburtstag, als er zu ihr ins Wohnzimmer springt. Der Besuch des Boten aus einer anderen Welt kommt sehr gelegen, denn seit einiger Zeit beobachtet sie, daß ein Ärztepaar im Haus Erstaunliches vollbringt: Seit den Besuchen bei Dr. Schwartz und Dr. Weiss wird Angelas beste Freundin immer jünger ...
«Ein außerordentlich schönes Buch!»
THOMAS STEINFELD, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
Der Roman ist mit schöner Ironie durchsetzt, von Anspielungsreichtum durchdrungen und von leichtem Ernst. Ein modernes Märchen, eine gewitzt und gekonnt gebaute Abrechnung mit dem entmystifizierten Abendland. Deutschlandfunk
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.05.2007Wenn der Doktor mit seinem Teufelchen spielt
Höhere Wesen in Görlitz: In seinem neuen Roman "Sünde Güte Blitz" verlegt Georg Klein sein literarisches Laboratorium in eine Arztpraxis an der deutsch-polnischen Grenze.
Von Andreas Kilb
In jenen fabelhaften Zeiten, als noch elektrische Wunderheiler mit ihren Glaskolben, Metallkugeln und Quecksilberphiolen von Dorf zu Dorf und Stadt zu Stadt zogen und alle menschlichen Gebrechen zu heilen versprachen, wäre der Schriftsteller Georg Klein vielleicht gar kein Schriftsteller geworden. Womöglich hätte er selbst den Magnetisierstab ergriffen und die Länder der Erde bereist, um das Evangelium der okkulten Wissenschaft zu predigen. Weil aber jene Tage längst Geschichte und ihre Meister zu Fußnoten der Fachlexika geworden sind, sieht sich Klein auf ein anderes Terrain verwiesen: die Literatur.
Hier treibt er, mangels handfesterer Alternativen, seine Alchemie. Er mischt Kinoessenzen mit Mythenresten und Klischees der Trivialliteratur, taucht sie ins Säurebad einer virtuos-manierierten Sprache und lässt sie unter hohem Formdruck aushärten. Die Gebilde, die dabei entstehen, nennt sein Verlag Romane, dabei haben sie mit der gewöhnlichen deutschen Bekenntnis- und Beziehungsliteratur nicht mehr zu tun als ein Albatros mit einem Hofhuhn. Beide besitzen Flügel, aber nur Kleins Prosa erreicht jene Spannweite, mit der man rasant aufsteigen und weit in die Welt schauen, aber auch tief abstürzen kann.
Georg Kleins neuer Roman "Sünde Güte Blitz" beginnt mit einer nächtlichen Bruchlandung. Ein Mann schlägt im Hinterhof eines Wohnhauses in Görlitz auf, ebenso namenlos und nackt wie weiland Arnold Schwarzenegger als Terminator und ebenso unverletzlich. Dieser "Bote", ein Kraftkerl mit gereiftem Engelsgesicht, ist ein Werkzeug jener höheren Sphären, in denen auch der Erzähler sitzt und aus weiter Ferne auf das Treiben der Menschen herunterschaut. "Tollkühne Tiere" nennt sie der erste Satz des Buches, aber noch tollkühner ist das, was Klein mit seinen Menschenfiguren anstellt - solange er sich nicht auf der Gewagtheit seiner Entwürfe, den erlesenen Ausrutschern seiner Sprache ausruht.
Diese Gefahr besteht bei Georg Klein allemal. Der literarische Alchemist hat, wie mancher andere Wort- und Bildzauberer, einen Hang zur Selbstverliebtheit. Seine Formulierungswut ergießt sich, wenn sie sich von ihren Gegenständen ablenken lässt, allzu gern in frei schwebende, wie Seifenblasen schillernde Bonmots. So heißt es in "Sünde Güte Blitz" einmal über die Winterkälte, diese sei "die blauwangige Gouvernante unter den Grausamkeiten". Und über den Mond weiß Klein, jedes noch nicht durch Gewohnheit abgestumpfte Lebewesen spüre "das sachte Saugen seiner sausenden Masse". Das hat Witz, aber es riecht doch immer nach Poesiealbum. Die Hexenküche dieses Romans hat solche Veilchendüfte jedenfalls nicht nötig.
Durch seine Seiten wehen andere, strengere Odeurs. Schon die Eröffnungsszene, die Ankunft des "Boten" und sein unerwarteter Besuch bei der arbeitslosen Physikerin Angela Z., die sich als Hausmeisterin verdingt, verströmt eine Mischung von Rauch und Angstschweiß, und im weiteren Verlauf beginnt die Geschichte entschieden nach Bock zu stinken. Vorher aber müssen wir die beiden Allgemeinmediziner Schwartz und Weiss kennenlernen, die im Erdgeschoss des von Angela Z. betreuten Hauses ihre Gemeinschaftspraxis eingerichtet haben: ein Ärztepaar, wie es unterschiedlicher nicht sein könnte. Denn während Schwartz seine Patienten auf klassische Art behandelt, besitzt Weiss offenbar übernatürliche Heilkräfte. Eine böse Fleischwunde der Ex-Physikerin kuriert er durch bloßes Handauflegen, die arthritische Mutter seiner polnischen Sprechstundenhilfe holt er aus dem Rollstuhl, als wär's ein Klacks, und die kränkelnde Rentnerin Elvira Blumenthal macht er zur sexbesessenen Sportskanone.
Kein Wunder, dass bei alldem der Teufel seine Hand im Spiel hat. Doktor Weiss, so erfahren wir, ist Vater und zugleich Mutter eines bocksbeinigen Söhnchens, das er auf seltsame - und offensichtlich den "Alien"-Filmen abgeschaute - Art zur Welt gebracht und mit seinem Blut gesäugt hat. Der kleine Nick, wie er in Anlehnung an das chemische Element Nickel heißt, dessen Name wiederum von einem Erdgeist abgeleitet ist - dieser kleine Nick hat in der Welt der Lebenden eigentlich nichts zu suchen, weshalb ihm die höheren Mächte den Engel Immanuel nachgeschickt haben. So kommt es, unvermeidlich, zwischen den beiden zum Showdown.
Das Duell ereignet sich, wie es bei diesem in Gegensatzpaare und Zweideutigkeiten verliebten Buch nur folgerichtig ist, im Kulturzentrum der Görlitzer Schwesterstadt Zgorzelec auf der andere Neißeseite. Und hier findet Kleins Roman zu seinem eigentlichen Thema, seinem motivischen Kern. Denn im Dom Kultury von Zgorzelec ist eine Ausstellung mit physikalischen Instrumenten des (fiktiven) Tuchhändlers und Wissenschaftsamateurs Gottlieb Ameis aufgebaut: Röhren, Kugeln, Kolben und jener riesige Plattenkollektor, mit dessen Hilfe Ameis um das Jahr 1800 die Blitze vom Himmel holen und deren Elektrizität zur Heilung der Blinden und Lahmen einsetzen wollte. Das Experiment ging schief, der "Furchtableiter" verkohlte - so, wie auch von Nick und Immanuel nach ihrem finalen Zweikampf nur eine Schmauchspur und ein Geruch nach Tier und Feuer bleibt.
Aber Georg Kleins Versuch ist geglückt. Wieder einmal hat er der grauen, groben deutschen Wirklichkeit die Stromstöße seiner Phantasie verpasst, und wieder einmal hat sich das Metall des Alltags zu aufregenden Formen verbogen. Dabei musste Klein seine Geschichte noch nicht einmal, wie in "Libidissi" und "Die Sonne scheint uns", in eine ferne Zukunft verlegen; auch hier und heute, im wendegeplagten Görlitz der Gegenwart, geht sein Spiel inzwischen auf. Dass Literatur keine Zauberei, kein Musengesang ist, wusste man schon zu Goethes Zeiten. Ein Rest von Magie ist den Produkten der Schriftstellerei dennoch geblieben. Etwas davon, und sei es nur ein Hauch, ein Geruch, spürt man auch in den Büchern des Georg Klein.
- Georg Klein: "Sünde Güte Blitz". Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2007. 190 S., 14,90 [Euro]
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Höhere Wesen in Görlitz: In seinem neuen Roman "Sünde Güte Blitz" verlegt Georg Klein sein literarisches Laboratorium in eine Arztpraxis an der deutsch-polnischen Grenze.
Von Andreas Kilb
In jenen fabelhaften Zeiten, als noch elektrische Wunderheiler mit ihren Glaskolben, Metallkugeln und Quecksilberphiolen von Dorf zu Dorf und Stadt zu Stadt zogen und alle menschlichen Gebrechen zu heilen versprachen, wäre der Schriftsteller Georg Klein vielleicht gar kein Schriftsteller geworden. Womöglich hätte er selbst den Magnetisierstab ergriffen und die Länder der Erde bereist, um das Evangelium der okkulten Wissenschaft zu predigen. Weil aber jene Tage längst Geschichte und ihre Meister zu Fußnoten der Fachlexika geworden sind, sieht sich Klein auf ein anderes Terrain verwiesen: die Literatur.
Hier treibt er, mangels handfesterer Alternativen, seine Alchemie. Er mischt Kinoessenzen mit Mythenresten und Klischees der Trivialliteratur, taucht sie ins Säurebad einer virtuos-manierierten Sprache und lässt sie unter hohem Formdruck aushärten. Die Gebilde, die dabei entstehen, nennt sein Verlag Romane, dabei haben sie mit der gewöhnlichen deutschen Bekenntnis- und Beziehungsliteratur nicht mehr zu tun als ein Albatros mit einem Hofhuhn. Beide besitzen Flügel, aber nur Kleins Prosa erreicht jene Spannweite, mit der man rasant aufsteigen und weit in die Welt schauen, aber auch tief abstürzen kann.
Georg Kleins neuer Roman "Sünde Güte Blitz" beginnt mit einer nächtlichen Bruchlandung. Ein Mann schlägt im Hinterhof eines Wohnhauses in Görlitz auf, ebenso namenlos und nackt wie weiland Arnold Schwarzenegger als Terminator und ebenso unverletzlich. Dieser "Bote", ein Kraftkerl mit gereiftem Engelsgesicht, ist ein Werkzeug jener höheren Sphären, in denen auch der Erzähler sitzt und aus weiter Ferne auf das Treiben der Menschen herunterschaut. "Tollkühne Tiere" nennt sie der erste Satz des Buches, aber noch tollkühner ist das, was Klein mit seinen Menschenfiguren anstellt - solange er sich nicht auf der Gewagtheit seiner Entwürfe, den erlesenen Ausrutschern seiner Sprache ausruht.
Diese Gefahr besteht bei Georg Klein allemal. Der literarische Alchemist hat, wie mancher andere Wort- und Bildzauberer, einen Hang zur Selbstverliebtheit. Seine Formulierungswut ergießt sich, wenn sie sich von ihren Gegenständen ablenken lässt, allzu gern in frei schwebende, wie Seifenblasen schillernde Bonmots. So heißt es in "Sünde Güte Blitz" einmal über die Winterkälte, diese sei "die blauwangige Gouvernante unter den Grausamkeiten". Und über den Mond weiß Klein, jedes noch nicht durch Gewohnheit abgestumpfte Lebewesen spüre "das sachte Saugen seiner sausenden Masse". Das hat Witz, aber es riecht doch immer nach Poesiealbum. Die Hexenküche dieses Romans hat solche Veilchendüfte jedenfalls nicht nötig.
Durch seine Seiten wehen andere, strengere Odeurs. Schon die Eröffnungsszene, die Ankunft des "Boten" und sein unerwarteter Besuch bei der arbeitslosen Physikerin Angela Z., die sich als Hausmeisterin verdingt, verströmt eine Mischung von Rauch und Angstschweiß, und im weiteren Verlauf beginnt die Geschichte entschieden nach Bock zu stinken. Vorher aber müssen wir die beiden Allgemeinmediziner Schwartz und Weiss kennenlernen, die im Erdgeschoss des von Angela Z. betreuten Hauses ihre Gemeinschaftspraxis eingerichtet haben: ein Ärztepaar, wie es unterschiedlicher nicht sein könnte. Denn während Schwartz seine Patienten auf klassische Art behandelt, besitzt Weiss offenbar übernatürliche Heilkräfte. Eine böse Fleischwunde der Ex-Physikerin kuriert er durch bloßes Handauflegen, die arthritische Mutter seiner polnischen Sprechstundenhilfe holt er aus dem Rollstuhl, als wär's ein Klacks, und die kränkelnde Rentnerin Elvira Blumenthal macht er zur sexbesessenen Sportskanone.
Kein Wunder, dass bei alldem der Teufel seine Hand im Spiel hat. Doktor Weiss, so erfahren wir, ist Vater und zugleich Mutter eines bocksbeinigen Söhnchens, das er auf seltsame - und offensichtlich den "Alien"-Filmen abgeschaute - Art zur Welt gebracht und mit seinem Blut gesäugt hat. Der kleine Nick, wie er in Anlehnung an das chemische Element Nickel heißt, dessen Name wiederum von einem Erdgeist abgeleitet ist - dieser kleine Nick hat in der Welt der Lebenden eigentlich nichts zu suchen, weshalb ihm die höheren Mächte den Engel Immanuel nachgeschickt haben. So kommt es, unvermeidlich, zwischen den beiden zum Showdown.
Das Duell ereignet sich, wie es bei diesem in Gegensatzpaare und Zweideutigkeiten verliebten Buch nur folgerichtig ist, im Kulturzentrum der Görlitzer Schwesterstadt Zgorzelec auf der andere Neißeseite. Und hier findet Kleins Roman zu seinem eigentlichen Thema, seinem motivischen Kern. Denn im Dom Kultury von Zgorzelec ist eine Ausstellung mit physikalischen Instrumenten des (fiktiven) Tuchhändlers und Wissenschaftsamateurs Gottlieb Ameis aufgebaut: Röhren, Kugeln, Kolben und jener riesige Plattenkollektor, mit dessen Hilfe Ameis um das Jahr 1800 die Blitze vom Himmel holen und deren Elektrizität zur Heilung der Blinden und Lahmen einsetzen wollte. Das Experiment ging schief, der "Furchtableiter" verkohlte - so, wie auch von Nick und Immanuel nach ihrem finalen Zweikampf nur eine Schmauchspur und ein Geruch nach Tier und Feuer bleibt.
Aber Georg Kleins Versuch ist geglückt. Wieder einmal hat er der grauen, groben deutschen Wirklichkeit die Stromstöße seiner Phantasie verpasst, und wieder einmal hat sich das Metall des Alltags zu aufregenden Formen verbogen. Dabei musste Klein seine Geschichte noch nicht einmal, wie in "Libidissi" und "Die Sonne scheint uns", in eine ferne Zukunft verlegen; auch hier und heute, im wendegeplagten Görlitz der Gegenwart, geht sein Spiel inzwischen auf. Dass Literatur keine Zauberei, kein Musengesang ist, wusste man schon zu Goethes Zeiten. Ein Rest von Magie ist den Produkten der Schriftstellerei dennoch geblieben. Etwas davon, und sei es nur ein Hauch, ein Geruch, spürt man auch in den Büchern des Georg Klein.
- Georg Klein: "Sünde Güte Blitz". Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2007. 190 S., 14,90 [Euro]
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Georg Kleins jüngsten Roman über die beiden Ärzte Schwartz und Weiß, die in der Grenzstadt "G." eine Gemeinschaftspraxis eröffnen und bald durch ihre ungewöhnlichen Heilungserfolge auffallen, findet Nico Bleutge zunächst beeindruckend und ist dann doch nicht recht zufrieden. Zunächst erweise sich der Autor durch seine geschickte aufgebrochene Chronologie in Rückblenden und Schnitten und seine virtuose Verwendung von Versatzstücken aus dem halbseidenen Genre des Arzt-Romans sowie den Rückgriff auf die frühe Wissenschaftsgeschichte einmal mehr als "literarischer Großtüftler", lobt der Rezensent. In einer Art physikalischer Versuchsanordnung untersucht der Roman verschiedenste Beziehungskonstellationen des zahlreichen Romanpersonals, wobei auch Wesen aus der Geisterwelt zum Einsatz kommen. Diese Geisterwelt bildet dann auch die vielstimmige Erzählerinstanz, die Bleutge durch ihren besserwisserischen Ton und ihre den Handlungsfluss immer wieder störende Wirkung zunehmend auf die Nerven geht. Auch der Schluss des Romans, in dem, wie es dem Rezensenten erscheint, Klein seine zuvor delikat ausgelegten Konstruktionsfäden wie in einem spektakulären "Experiment" zu einem furiosen Finale zusammenführt, überzeugt ihn nicht. Hier zeigt sich Bleutge vom "Akt grober Symbolik" enttäuscht und was ihm vorher im Roman als so vital gefallen hatte, ist ihm am Ende zu sachlich und kühl konstruiert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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