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WAS MACHT MAN MIT GEISTERN, DIE TEIL DER FAMILIE SIND?
Am Sund angekommen, ahnt die Erzählerin nicht, welche Geheimnisse die Gegend birgt. Während sie auf ihre Geliebte wartet, schwappen nachts seltsame Gesänge von der Insel Lykke über das Wasser ans menschenleere Festland - unheimlich und verheißungsvoll zugleich. Sie beschließt, ihre Recherche um die Rolle ihres Urgroßvaters im Nationalsozialismus ruhen zu lassen, und bricht nach Lykke auf. Doch dort beginnt sich die düstere Geschichte der Insel immer stärker mit ihrer eigenen Familiengeschichte zu verschränken.
"Mal sehen, was noch
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Produktbeschreibung
WAS MACHT MAN MIT GEISTERN, DIE TEIL DER FAMILIE SIND?

Am Sund angekommen, ahnt die Erzählerin nicht, welche Geheimnisse die Gegend birgt. Während sie auf ihre Geliebte wartet, schwappen nachts seltsame Gesänge von der Insel Lykke über das Wasser ans menschenleere Festland - unheimlich und verheißungsvoll zugleich. Sie beschließt, ihre Recherche um die Rolle ihres Urgroßvaters im Nationalsozialismus ruhen zu lassen, und bricht nach Lykke auf. Doch dort beginnt sich die düstere Geschichte der Insel immer stärker mit ihrer eigenen Familiengeschichte zu verschränken.

"Mal sehen, was noch kommt von Laura Lichtblau, hoffentlich noch viel."
Alexander Solloch, NDR Kultur Wenn aus Vergangenheit erzählte Geschichte wird NS-Aufarbeitung bleibt ein Thema in vielen deutschen Familien Nach ihrem gefeierten Debüt: Der neue Roman von Laura Lichtblau "Laura Lichtblau ist eine Entdeckung!"
Ariane Wick, hr2 Kultur
Autorenporträt
Laura Lichtblau, 1985 in München geboren, lebt als freie Autorin und Übersetzerin in Berlin. Ihre Lyrik und kürzere Prosa wurden in zahlreichen Magazinen und Anthologien veröffentlicht. Ihr erster Roman "Schwarzpulver" erschien 2020 bei C.H.Beck.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Laut Rezensentin Rose-Maria Gropp hat Laura Lichtblau mit ihrem kleinen Roman einen neuen Ton gefunden. Der Text entwickelt einen Sog, dem sich die Rezensentin nicht entziehen kann. Indem die Autorin mit einer atmosphärischen Sommergeschichte aus dem Sund zwischen Dänemark und Schweden beginnt und über ein Recherchevorhaben zu ihrem Urgroßvater zu den Grauen der nationalsozialistischen Eugenik gelangt, verbindet sie laut Gropp raffiniert und ohne dass es künstlich wirkt, Idylle und Katastrophe, Literatur und historische Wahrheit. Als Verbindungsglied zwischen den beiden Welten führt die Autorin die rätselhaft Gestalt des "Balg" ein, eine imaginäre unheimliche Figur, die die verdrängten historischen Gräuel verkörpert - das ist alles so gut gemacht, dass die Rezensentin nur staunen kann.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.04.2024

Heller Gesang über Bunkern

Laura Lichtblaus Roman "Sund" ist zugleich ein sprachliches Wagnis und ein kühnes Eindringen in dunkle Vergangenheit.

Sund" bezeichnet eine Meerenge in nördlichen Regionen Europas. In Laura Lichtblaus Roman mit dem Titel "Sund" ist es die schmale Meeresstraße zwischen Dänemark und Schweden. Dort hält sich die Icherzählerin in der Nachsaison des kurzen Sommers auf. Sie liefert einem "Du", ihrer Geliebten, auf deren Kommen sie wartet, Impressionen von ihrem Aufenthalt, "ich beschreibe dir alles". Das sind kurze atmosphärische Schilderungen, vermischt, verteilt auf knappe Absätze, mit Beschreibungen der eigenen Befindlichkeit. Sie findet dafür eine poetisch imaginative Sprache: "In dem mageren Birkenwäldchen zwei weiße Stühle aus Plastik. Ein Fasan stolpert schwitzend vorbei"; so warm sei es im August noch nie gewesen, haben die Einwohnerinnen des Orts gesagt. Prinzipiell verwendet Lichtblau das generische Femininum, was manchmal ein wenig manieriert klingen kann: "Wie die Fischerinnen Mühe haben, die Wimpel an den Stellnetzen zu befestigen." Aber die Absicht ist so klar wie die vorausgeschickte Triggerwarnung: "Der Roman enthält Zitate in ableistischer, saneistischer, rassistischer, queerfeindlicher und antisemitischer Sprache." Anders nämlich hätte Lichtblau ihr erstaunliches Buch gar nicht schreiben können.

Gekommen ist die Icherzählerin eigentlich, um die Recherchen über ihren Urgroßvater - zugleich den der Autorin - voranzutreiben und dessen Rolle als Orthopäde im Nationalsozialismus. "Der Arbeitstisch bei Nacht: Blick hinaus in das Schwarz. Der kreisrunde Lichtkegel auf der Tischplatte. Der kreisrunde Mond über den Bäumen. Die aufgeschnittene Plastikflasche, randvoll mit Heidelbeeren, und der Aktenordner voll mit Kopien: eine Heiratsurkunde, Briefe, Fragebögen zu Herkunft und arischer Abstammung und Entlastungsschreiben. Das Buch meines Urgroßvaters, die unterstrichenen Sätze, die Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Erwachsenen und Kindern, Röntgenaufnahmen von Hüften, und Stammbäume, Stammbäume, Stammbäume." Idylle und Katastrophe treffen aufeinander. Es ist wie eine Warnung vor Schlimmem; der Name Max Lange fällt erst viel später.

Die Icherzählerin beherrscht die dänische Sprache nicht, was immer wieder Anlass für ein komisch verspieltes Kauderwelsch wird, doch sie hört an der Fähre über den Sund von der nahen Insel Lykke (was auf Deutsch übrigens "Glück" bedeutet); wobei, so hatte ihr die Frau an der Wassertankstelle gesagt, den Inselmenschen nicht zu trauen sei. Vom Sund her klingt ein heller Gesang, "nachts, so meint die Frau von der Tankstelle, rasten die auf der Insel vollkommen aus". Auf der Überfahrt dann lernt sie eine Fremde kennen, die fortan nur "die Neue" heißt; aus unerklärten Gründen werden beide Frauen auf der Insel ein Bett in einem Ferienheim teilen. Sie ignorieren zunächst beharrlich die Bunker. "Die Bunker haben sich in den Sandboden gefressen, oder in die Steilküsten hinein: Da hocken sie über dem Meer, Blick Richtung Sund, was überhaupt nicht logisch ist, manche sagen sogar, wir bilden uns die Bunker nur ein, auf einer Insel in einer Meerenge machen sie doch wirklich keinen Sinn."

Noch weniger erklärbar wird bald das Erscheinen einer kryptischen Gestalt im gemeinsamen Bett sein, genannt "der Balg"; die Neue scheint ihn zu kennen: "Ist wohl ein Er. Wir betrachten ihn müde, aus trockenen Augen. Der Balg starrt uns an, die Augen gelb-violett. Er ist klein, aber kein Kind, das ist nach seinem ersten Grinsen klar. Wir werden ihn behalten müssen, sagt die Neue." Die Haut des Balgs ist glatt wie Latex, er hat Finger wie Saugnäpfe. Dennoch wird der Balg in die Realität des Romans eintreten. Niemand von den Inselbewohnern, von denen nicht wenige selbst merkwürdige Gestalten bis hin zu anscheinend human-animalischen Mischwesen sind, wundert sich, wenn der Balg - etwa beim Honigabfüllen - auftaucht, über dessen Präsenz. Lichtblau lädt so ihr Erzählen mit einer schillernd beunruhigenden Atmosphäre von einigem Reiz auf.

Was aber soll das? Der Begriff "Balg" spielt nicht nur subkutan auf die böse Tradition des "Wechselbalgs" an, wie fehlgebildete Kinder im Mittelalter zu Zeiten der Hexenverfolgung bezeichnet wurden. Sondern Riten, die mehr oder weniger offen auf die pervertierte Praxis der "Eugenik" zurückweisen, sind auf Lykke nicht fremd. Die Touristen, die sich in den Bunkern eingemietet haben, treffen auf Einwohner der Insel, die an naturmythischen Übungen festhalten. Lichtblau macht den Balg, der doch nur ein Geschöpf des Imaginären sein kann, zum Signifikanten dieses Gebarens. Sie setzt ihn ein als den shifter, der hin zur Verdrängung schrecklicher historischer Wahrheit führt.

Für mehr als dreißig Seiten unterbricht Laura Lichtblau ihre Story, es folgt der Bericht einer Archivrecherche, die den Aktivitäten ihres Urgroßvaters Max Lange im Nationalsozialismus gewidmet ist. "Der Text meines Urgroßvaters stellt sich als Plädoyer für die Zwangssterilisation von Menschen mit bestimmten körperlichen Merkmalen heraus", das ist nur einer ihrer Sätze: "Die Orthopädie kann in diesen Fragen dem Rassenhygieniker und Anthropologen nur Wegbereiter sein", so zitiert sie ihn aus seinem Buch "Erbbiologie der angeborenen Körperfehler" von 1935. Tatsächlich ist dieses Buch, das schreibt sie auch, beim Wikipedia-Eintrag zu Max Lange nicht aufgeführt. Wer nachschaut, kann es aber im "Zentralen Verzeichnis Antiquarischer Bücher" aufgeführt finden mit Inhaltsbeschreibung, hier. Und der Roman dringt noch weiter in Langes Verstrickungen ein, alle Lücken schließen kann er (noch) nicht: "Dies ist eine dreckige, eine unvollständige Sammlung", steht auf Seite 103.

Es gibt keinen Grund, der Icherzählerin nicht Glauben zu schenken (im Anhang liefert die Autorin ein Verzeichnis ihrer Quellen). Vielmehr hat Lichtblau ein gewagtes Exempel statuiert, indem sie eine exemplarische deutsche Genealogie mit den Mitteln der Literatur rekonstruiert. Mag ihr "Balg" im Roman noch das Verdrängte repräsentieren, so ist sie mit ihrer Recherche auf der Spur der Verwerfung von Erinnerung, die in die Generation ihrer Vorväter (Lichtblau ist Jahrgang 1985) zurückreicht. Für deren Traumata macht sie nicht zufällig eine Insel - klassischer Topos, abgetrennt vom Festland des Wissens, Brutstätte von Dystopie - zum Ort der Praxis von Zwangssterilisationen.

Dafür lässt sie ihr Buch in zwei Teile zerbrechen, sprengt gewohnte literarische Formen, sprachlich und inhaltlich. Denn nach dem Recherche-Exkurs kehrt die Icherzählerin zurück an den Sund. Ehe sie und die Neue die Insel verlassen, wird der Balg noch einmal zum Thema: "Sie müsse mir noch etwas sagen über den Balg, sagt die Neue dann, ehe ich zu meiner letzten Runde aufbreche. Er hülfe jetzt auf der Insel bei den Hexenaustreibungen." Doch es wird den Balg nicht gegeben haben. Auf nur 130 Seiten bündelt Lichtblau, drei Jahre nach ihrem ersten Roman "Schwarzpulver", eine Parabel auf jene Geister, die bis heute nicht ausgetrieben sind. Das gelingt ihr durch die buchstäbliche Verdichtung von teils phantasmatischen Anteilen einer nahen Gegenwart und Bruchstücken einer verschütteten, jedoch nicht allzu fernen Vergangenheit. Die Kunst der Autorin liegt darin, dass sie dafür ihren eigenwilligen Stil nicht verbiegen muss.

Der letzte Satz des Buchs lautet: "Dann verwandelt sich der Sund wieder in eine Fläche, auf der sich alles ablegen lässt. Er gleißt auf. Und mit einem festen Ruck verschluckt er jede Geschichte, alle Beweise, und alles, was stört." Möge das nicht geschehen. Lichtblau hat zu einem so noch nicht gehörten Ton gefunden, dem Sog von "Sund" - sie tränkt ihn auch mit Spannung und Witz - ist nicht zu widerstehen. Damit nährt sie hohe Zukunftserwartungen. ROSE-MARIA GROPP

Laura Lichtblau: "Sund". Roman.

Verlag C. H. Beck,

München 2024.

134 S., geb., 22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.07.2024

Wo das Meer
sich verliert
„Sund“ heißt der zweite Roman von Laura Lichtblau, und er ist folgerichtig keine Strandlektüre. In einem Sund nämlich verliert jedes Meer seine Weite; eine große, irgendwie richtungslose Sache spitzt sich sozusagen zu. Im Text geschieht dies auf zwei Ebenen. Sprachlich geht es die meiste Zeit verspielt und poetisch zu – für gut 30 Seiten aber wird diese Sprache zwischendrin klar und gibt knallharte Gegenwartsbezüge frei wie jenen auf Björn Höcke und dessen Einstellung zur inklusiven Beschulung von Kindern mit Behinderung. Das kommt überraschend, aber auch die Erzählerin wird kalt erwischt – von ihrem Aufenthalt auf der Insel Lykke hatte sie sich anderes erwartet, als düsteren Pfaden ihrer Familiengeschichte auf die Spur zu kommen. Der Verbund aus historischem Kontext und einer Sprache, die davor nach getaner Arbeit wieder flieht bis in den „Geschiebemergel“, ist experimentell, fordernd, absolut interessant. Sundlektüre eben.
CORNELIUS POLLMER
Laura Lichtblau:
Sund.
Roman. C.H. Beck,
München 2024.
130 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
"[Laura] Lichtblau hat zu einem so noch nicht gehörten Ton gefunden, dem Sog von 'Sund'- sie tränkt ihn auch mit Spannung und Witz - ist nicht zu widerstehen."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Rose-Maria Gropp

"[Sund] ist ein sehr poetisches, atmosphärisch dichtes Buch. Laura Lichtblau schafft in ihrem Roman eine phantastische Atmosphäre und kreiert bedrückende Bilder. Diese eigene Sprache, dieser Laura-Lichtblau Sound, ist faszinierend."
Bayern2, Gabriele Knetsch

"Bös verdrängte Wahrheiten, deren Wurzeln bis zum Urgroßvater reichen."
Süddeutsche Zeitung, Antje Weber

"Laura Lichtblau ist ein seltener Glücksfalls für die deutsche Literatur. Denn mit "Sund" ist ihr ... ein formell experimentierfreudiges, fantasievolles und sprachlich unwiderstehliches Buch über die Verstrickung der eigenen Familie in den Nationalsozialismus geglückt."
Deutschlandfunk Kultur Studio 9, Sarah Elsing

"Die Erzählung verdankt ihre Kraft gerade ihren Ambivalenzen, die umso mehr verstören, weil sie weder die eigene noch die Positionierung der Erzählerin eindeutig festschreiben. So wird die Faszination für die naturverbundene, achtsame und familiäre Inselgemeinschaft ebenso nachvollziehbar ... Bis zum Schluss muss sie - müssen wir - die Frage nach dem eigenen Mitlaufen, Wegschauen, Profitieren immer wieder neu stellen."
sissymag.de, Anja Kümmel

"Für die Aufarbeitung der Vergangenheit findet Lichtblau die klaren Worte, die der Sund versteckt halten wollte. ... Dies verleiht dem Buch eine höchst aktuelle Relevanz."
Münchner Merkur

"Mit lyrisch leichter Hand erzählt Laura Lichtblau in ihrem neuen Roman von fluiden queeren Identitäten, Euthanasie-Verbrechen während der NS-Zeit und gefährlichen Kontinuitäten im Jetzt."
L-MAG, Anja Kümmel

"Laura Lichtblau setzt die Umwelt und die innere Welt der Erzählerin in eine stete Verbindung. So gelingt es ihr, in vielen Miniaturaufnahmen ein dichtes Geflecht entstehen zu lassen, in dem sich die Geschichte des Ortes mit der Recherche der Erzählerin zum Urgroßvater verbindet."
Gute Literatur Meine Empfehlung, Petra Lohrmann

"Der Verbund aus historischem Kontext und einer Sprache, die davor nach getaner Arbeit wieder flieht bis in den 'Geschiebemergel', ist experimentell, fordernd, absolut interessant."
Süddeutsche Zeitung, Cornelius Pollmer

"Klingt nicht nach Urlaubslektüre? Ist es aber! Ich habe selten so krasse Sätze übers Meer gelesen"
BR Literally, Miriam Fendt
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