Longlisted for The John Creasey (New Blood) Dagger 2017Twenty-two-year-old Charlotte Ford reconnects with Danielle, her best friend from high school, a few days before Danielle is found bludgeoned to death in a motel room.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Maria Wiesner freut sich über diesen Krimi unkonventioneller Art von Melissa Ginsburg. Die Kritikerin weist daraufhin, dass hier der Fokus auf einer Frauenfreundschaft liegt. Während in herkömmlichen Krimihandlungen die Figur der besten Freundin schnell aus dem Blickwinkel gerät, so die Kritikerin, macht die Autorin sie hier zum Mittelpunkt ihrer Geschichte. Charlotte Ford stellt nach dem Tod ihrer Jugendfreundin Nachforschungen in der texanischen Stadt Houston an. Auf ihrer Wahrheitssuche treibt sie, selbst mit einem Hang zum Exzess, gleichsam durch zwielichtige Absteigen wie durch Houstons Villenviertel: ein Abbild der sozialen Disparatheit in den heutigen USA, merkt die Kritikerin an. Wiesner schätzt den psychologischen Facettenreichtum der Hauptfigur, die sich auch selbst auf ihre Schuld hin befragt und als Ich-Erzählerin die Leser manchmal über ihre Zuverlässigkeit rätseln lässt. Auch das Nachwort von Sonja Hartl kann die Kritikerin empfehlen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.05.2023Houstons Probleme
Melissa Ginsburg lässt die beste Freundin ermitteln
Frauen, die befreundet sind, finden sich in Kriminalromanen selten. Zumeist befragt ein Polizist die Freundin eines Mordopfers und wenn diese nicht zu den Hauptverdächtigen zählt, verschwindet sie recht schnell wieder aus der Handlung. Melissa Ginsburg lässt ihren Kriminalroman "Sunset City" mit genau solch einer Befragung beginnen und dehnt dann die Regeln des Genres: An einem regnerischen Abend taucht ein gut aussehender Polizist vor der Wohnung von Charlotte Ford auf und teilt ihr mit, dass ihre Jugendfreundin Danielle Reeves ermordet wurde.
Charlotte ist erschüttert, hat sie Danielle doch erst kurz zuvor wiedergetroffen, nachdem die beiden über einige Jahre den Kontakt verloren hatten. Drogen und ein längerer Gefängnisaufenthalt spielten dabei eine Rolle.
Die meisten anderen Hardboiled-Krimis hätten Charlotte nach dieser Zeugenaussage als Femme fatale, als schöne Freundin der Toten mit zwielichtiger Vergangenheit, etabliert und für die nächsten Kapitel links liegen gelassen. Doch Ginsburg löst sich hier von den Vorlagen, nimmt nicht den Ermittler in den Blick, sondern die Person, deren Geschichte sonst nur am Rand erzählt wird.
Der Roman folgt also Charlotte, der Ich-Erzählerin, die ihre Trauer über den Tod der Freundin zunächst in Alkohol zu ertränken sucht und sich durch die Bars von Houston treiben lässt - auch aufgrund dieser Exzesse fragt man sich schon bald, wie zuverlässig diese Erzählerin eigentlich ist. Wie ehrlich ist sie mit sich selbst? Wie viel macht sie sich vor? Und erinnert sie sich überhaupt an alles, was in der Kindheit geschah? Charlotte sucht Danielles reiche Mutter auf, nimmt Drogen, wird verhaftet, landet in einer Ausnüchterungszelle, trifft später Danielles Clique aus der Porno-Industrie, wo die junge Frau zuletzt arbeitete, lässt sich verführen, um den Schmerz zu betäuben - und hat irgendwann mehr Fäden in der Hand als die Polizeiermittler.
Beim scheinbar ziellosen Driften durch Houston führt Ginsburg, die selbst aus der texanischen Großstadt stammt, geschickt Orte krasser sozialer Gegensätze ein. Charlotte ist sowohl in den sauberen Vierteln der glänzenden Luxusvillen unterwegs, wo die Mutter der Toten lebt (dieses Detail erklärt auch, warum die Polizei so eifrig den Tod einer drogensüchtigen Pornodarstellerin untersucht), sie treibt sich aber auch in Hinterzimmern heruntergekommener Bars herum, wo halbseidene Figuren billige Drogen verkaufen.
Das Panorama, das so von Houston entsteht, ist gleichsam ein Bild des heutigen Amerikas: sozial gespalten und von harschen Gegensätzen geprägt. Solche Beobachtungen sind ganz nebenbei in die Handlung gewebt. Ginsburg hat das Talent, aktuelles Zeitgeschehen in kurzen Strichen zu schraffieren, verweist etwa auf die Opioid-Krise, die Amerika zersetzt, wenn Charlotte über ihre medikamentenabhängige Mutter nachdenkt, die am Ende ihrer Kindheit an einer Überdosis starb.
Der Fokus aber liegt auf psychologischen Fragen, Ginsburg erforscht Trauer, Wut, aber auch Schuld. In ihrem lesenswerten Nachwort setzt sich die Kritikerin Sonja Hartl mit den Figurenkonstellationen von Frauenfreundschaften in der Kriminalliteratur auseinander. Sie zieht eine Parallele zwischen Ginsburgs "Sunset City" und David Lynchs Fernsehserie "Twin Peaks", in der auch die beste Freundin der ermordeten Laura Palmer mit der Trauer und dem Schmerz über den plötzlichen Tod umgehen muss und sich dabei eben auch selbst die Schuld daran gibt, das alles so gekommen ist. Hat sie nicht mehr gewusst, als sie verraten hat? Hat ihr Handeln nicht erst die Ereignisse in Gang gebracht?
Einen ähnlichen Konflikt trägt auch Charlotte aus. Ginsburg gelingt es dabei, ihrer Ich-Erzählerin Worte zu geben, die gleich mehrere Facetten dieser Person freilegen. "Ich versuchte, nicht zu atmen, bis ich mich wie niemand fühlte, wie ein offener Raum. Ich trank weiter und schaute aus dem Fenster. Der Sonnenuntergang setzte ein, mit hässlichen pinkfarbenen Streifen", sagt Charlotte und klingt beim Versuch, zynisch zu sein nur noch verletzter. "Sunset City" ist die dunklere Schwester zu den Romanen der Amerikanerin Megan Abbott, die das Krimigenre für zeitgemäße Frauenfiguren öffnete. MARIA WIESNER
Melissa Ginsburg: "Sunset City". Kriminalroman.
Aus dem Englischen von Kathrin Bielfeldt. Polar Verlag, Stuttgart 2023.
233 S. br., 17,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Melissa Ginsburg lässt die beste Freundin ermitteln
Frauen, die befreundet sind, finden sich in Kriminalromanen selten. Zumeist befragt ein Polizist die Freundin eines Mordopfers und wenn diese nicht zu den Hauptverdächtigen zählt, verschwindet sie recht schnell wieder aus der Handlung. Melissa Ginsburg lässt ihren Kriminalroman "Sunset City" mit genau solch einer Befragung beginnen und dehnt dann die Regeln des Genres: An einem regnerischen Abend taucht ein gut aussehender Polizist vor der Wohnung von Charlotte Ford auf und teilt ihr mit, dass ihre Jugendfreundin Danielle Reeves ermordet wurde.
Charlotte ist erschüttert, hat sie Danielle doch erst kurz zuvor wiedergetroffen, nachdem die beiden über einige Jahre den Kontakt verloren hatten. Drogen und ein längerer Gefängnisaufenthalt spielten dabei eine Rolle.
Die meisten anderen Hardboiled-Krimis hätten Charlotte nach dieser Zeugenaussage als Femme fatale, als schöne Freundin der Toten mit zwielichtiger Vergangenheit, etabliert und für die nächsten Kapitel links liegen gelassen. Doch Ginsburg löst sich hier von den Vorlagen, nimmt nicht den Ermittler in den Blick, sondern die Person, deren Geschichte sonst nur am Rand erzählt wird.
Der Roman folgt also Charlotte, der Ich-Erzählerin, die ihre Trauer über den Tod der Freundin zunächst in Alkohol zu ertränken sucht und sich durch die Bars von Houston treiben lässt - auch aufgrund dieser Exzesse fragt man sich schon bald, wie zuverlässig diese Erzählerin eigentlich ist. Wie ehrlich ist sie mit sich selbst? Wie viel macht sie sich vor? Und erinnert sie sich überhaupt an alles, was in der Kindheit geschah? Charlotte sucht Danielles reiche Mutter auf, nimmt Drogen, wird verhaftet, landet in einer Ausnüchterungszelle, trifft später Danielles Clique aus der Porno-Industrie, wo die junge Frau zuletzt arbeitete, lässt sich verführen, um den Schmerz zu betäuben - und hat irgendwann mehr Fäden in der Hand als die Polizeiermittler.
Beim scheinbar ziellosen Driften durch Houston führt Ginsburg, die selbst aus der texanischen Großstadt stammt, geschickt Orte krasser sozialer Gegensätze ein. Charlotte ist sowohl in den sauberen Vierteln der glänzenden Luxusvillen unterwegs, wo die Mutter der Toten lebt (dieses Detail erklärt auch, warum die Polizei so eifrig den Tod einer drogensüchtigen Pornodarstellerin untersucht), sie treibt sich aber auch in Hinterzimmern heruntergekommener Bars herum, wo halbseidene Figuren billige Drogen verkaufen.
Das Panorama, das so von Houston entsteht, ist gleichsam ein Bild des heutigen Amerikas: sozial gespalten und von harschen Gegensätzen geprägt. Solche Beobachtungen sind ganz nebenbei in die Handlung gewebt. Ginsburg hat das Talent, aktuelles Zeitgeschehen in kurzen Strichen zu schraffieren, verweist etwa auf die Opioid-Krise, die Amerika zersetzt, wenn Charlotte über ihre medikamentenabhängige Mutter nachdenkt, die am Ende ihrer Kindheit an einer Überdosis starb.
Der Fokus aber liegt auf psychologischen Fragen, Ginsburg erforscht Trauer, Wut, aber auch Schuld. In ihrem lesenswerten Nachwort setzt sich die Kritikerin Sonja Hartl mit den Figurenkonstellationen von Frauenfreundschaften in der Kriminalliteratur auseinander. Sie zieht eine Parallele zwischen Ginsburgs "Sunset City" und David Lynchs Fernsehserie "Twin Peaks", in der auch die beste Freundin der ermordeten Laura Palmer mit der Trauer und dem Schmerz über den plötzlichen Tod umgehen muss und sich dabei eben auch selbst die Schuld daran gibt, das alles so gekommen ist. Hat sie nicht mehr gewusst, als sie verraten hat? Hat ihr Handeln nicht erst die Ereignisse in Gang gebracht?
Einen ähnlichen Konflikt trägt auch Charlotte aus. Ginsburg gelingt es dabei, ihrer Ich-Erzählerin Worte zu geben, die gleich mehrere Facetten dieser Person freilegen. "Ich versuchte, nicht zu atmen, bis ich mich wie niemand fühlte, wie ein offener Raum. Ich trank weiter und schaute aus dem Fenster. Der Sonnenuntergang setzte ein, mit hässlichen pinkfarbenen Streifen", sagt Charlotte und klingt beim Versuch, zynisch zu sein nur noch verletzter. "Sunset City" ist die dunklere Schwester zu den Romanen der Amerikanerin Megan Abbott, die das Krimigenre für zeitgemäße Frauenfiguren öffnete. MARIA WIESNER
Melissa Ginsburg: "Sunset City". Kriminalroman.
Aus dem Englischen von Kathrin Bielfeldt. Polar Verlag, Stuttgart 2023.
233 S. br., 17,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main