«Sunset Park» beschreibt die Hoffnungen und Sorgen einer unvergesslichen Schar von Menschen, die in den dunkelsten Zeiten der jüngsten amerikanischen Wirtschaftskrise zusammenkommen: ein rätselhafter junger Mann, der wie besessen Trümmer fotografiert; eine kühle Cineastin mit Hang zum Androgynen; ein politischer Aktivist, der in seiner Klinik für kaputte Dinge Artefakte einer verschwundenen Welt repariert; eine Malerin erotischer Themen; eine einst gefeierte Schauspielerin, die sich auf ihr Comeback am Broadway vorbereitet; ein Kleinverleger, der versucht, seinen Verlag und seine Ehe zu retten.
Die dramatischen Ereignisse, die das Schicksal von Austers Helden verbinden, kulminieren in einem besetzten Haus im heruntergekommenen Stadtteil Sunset Park, Brooklyn, und sie zeichnen ein bewegendes Bild des heutigen Amerika und seiner inneren Dämonen. Dieser Roman ist eine emotionale und politische Tour de Force - am Puls der Zeit und dunkel glänzend.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Die dramatischen Ereignisse, die das Schicksal von Austers Helden verbinden, kulminieren in einem besetzten Haus im heruntergekommenen Stadtteil Sunset Park, Brooklyn, und sie zeichnen ein bewegendes Bild des heutigen Amerika und seiner inneren Dämonen. Dieser Roman ist eine emotionale und politische Tour de Force - am Puls der Zeit und dunkel glänzend.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Paul Austers "Sunset Park" ist nicht nur eine Vater-Sohn-Geschichte, sondern erzählt auch davon, wie die Vergangenheit Teil der Gegenwart bleibt und trotzdem "Neuanfänge möglich" sind, erklärt ein angetan wirkender Daniel Amman. Er lässt sich gern auf den Reigen von Austers Haupt- und Nebenfiguren ein, die in parallelen Geschichten auftreten, sich aber immer wieder miteinander verknüpfen, und sieht sich durch diese Erzähltechnik an Austers Film "Smoke" von 1995 erinnert. Wenn sich der Rezensent auch nicht zu Lobeshymnen verleiten lässt, so hat er an diesem zur Zeit der Wirtschaftskrise zwischen 2008 und 2009 spielenden Roman auch nichts Negatives zu bemerken und macht deutlich, dass er insbesondere von der komplexen Konstruktion von "Sunset Park" eingenommen ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.07.2012Unsere Hypotheken verdanken wir dem Staat
Paul Austers jüngster Roman "Sunset Park" zeigt ein Amerika, in dem alle Generationen und Regionen unter den Auswirkungen der Krise leiden.
Es ist das Jahr 2008, in dem begann, was seither als Wirtschaftskrise wütet. Miles Heller ist achtundzwanzig Jahre alt, er hat vor siebeneinhalb Jahren das College verlassen und arbeitet in Florida für eine Entrümpelungsfirma. Sie handelt im Auftrag jener Banken, denen nach dem amerikanischen Immobiliendesaster die Häuser gehören, die von ihren bisherigen Eigentümern verlassen werden mussten. Diese Häuser sind voll von "aufgegebenen Dingen", die Miles fotografiert. Inzwischen hat er Tausende solcher Fotos, von "Büchern, Schuhen und Ölgemälden, Klavieren und Toastern, Puppen, Teegeschirr und schmutzigen Socken, Fernsehern und Brettspielen, Partykleidern und Tennisschlägern, Sofas, Seidendessous, Fugenspritzen, Reißzwecken, Plastikmonstern, Lippenstiften, Gewehren, ausgebleichten Matratzen, Messern und Gabeln, Pokerchips, einer Briefmarkensammlung und einem toten Kanarienvogel am Boden seines Käfigs".
Seine Kollegen, die "drei Musketiere des Verderbens", lassen verbotenerweise von diesen Sachen mitgehen, was sich irgend lohnt, Miles tut das nicht. Er hat "seine Bedürfnisse auf ein absolutes Minimum reduziert". Das Einzige, was er sich leistet, sind Bücher, und "Lesen ist eine Sucht, von der er keinesfalls geheilt werden möchte".
Der Anfang von Paul Austers Roman "Sunset Park", der bereits 2010 in Amerika erschienen ist, lässt an Flucht denken, an Krieg und Nachkriegszeit. Das soll genau so sein. In einem Park in Miami begegnet Miles der siebzehnjährigen Pilar Sanchez, die zufällig mit demselben Buch neben ihm sitzt, das er schon zum dritten Mal liest, F. Scott Fitzgeralds "Der große Gatsby". Es wird eine Liebe zwischen dem noch minderjährigen Mädchen, das zwei Jahre zuvor seine aus Kuba eingewanderten Eltern bei einem Autounfall verloren hat, und dem jungen Mann, der eine schlimme Geschichte als verschwiegene Bürde mit sich trägt.
Es könnte sich aus diesen beiden zunächst nur vage umrissenen Schicksalen eine ganz große Geschichte entwickeln. Auster legt dafür alle Fährten aus, mit der von ihm erwarteten Virtuosität. Er beginnt ein Textgewebe, das Miles zurück in seine Heimatstadt New York führt. Ihm droht in Florida im Falle einer Denunziation eine Gefängnisstrafe, weil Pilar inzwischen mit ihm lebt. In New York kommt Miles bei seinem Jugendfreund Bing Nathan unter, der eine "Klinik für kaputte Dinge" im Stadtteil Park Slope hat. Bing repariert dort auch alte Schreibmaschinen, für die Auster bekanntermaßen eine Vorliebe hegt: keineswegs das einzige autobiographische Motiv dieses Buchs.
Bing hat gemeinsam mit zwei jungen Frauen, Alice und Ellen, ein verlassenes Haus im Stadtteil Brooklyn besetzt, im Viertel Sunset Park, gegenüber dem riesigen Green-Wood-Friedhof. Es wird zum Ort, an dem sich die Stränge des Romans bündeln, in dem Auster mehr will, als von aus dem System gefallenen Individuen zu erzählen. Er will eine scharfe Parabel auf eine ganze Nation schreiben, die nicht nur ökonomisch, sondern auch moralisch abgewirtschaftet hat. Auf ein Amerika, das sich im permanenten Nachkrieg befindet, jedoch ohne jene Chancen, die die sprichwörtlichen Träume von Tellerwäschern wahr werden ließen. Er exerziert an Miles Heller und Bing Nathan, an Alice Bergstrom und Ellen Brice, wie auch die Hoffnungen junger, talentierter und gebildeter Menschen zuschanden gehen, wie sie zerbrechen unter der Last, die ihnen ihr Land als Hypothek aufdrückt: Die Bruchbude in Sunset Park ist das Bild dafür, Hohn auf die Vision vom properen Eigenheim.
Für sein ambitioniertes Unterfangen greift Auster aber auch tief in die Wunden intimer Verstrickungen mit nachgerade archaischen Zügen. Er entlarvt das familiäre Modell als unglückselig zerklüftete Triade, Keimzelle obendrein des Dramas vom verlorenen Sohn. Dafür stehen Miles' Eltern und ihre Entourage, Prototypen eines absterbenden Amerikas: der Vater Morris, prominenter Verleger literarischer Texte in New York, übrigens wohl die stärkste Identifikationsfigur für Auster selbst, mit Bitterkeit und Empathie; die Mutter Mary-Lee Swann, die das Baby Miles zurückließ, um ihre Karriere als Schauspielerin zu machen; die Stiefmutter Willa Parks, eine Intellektuelle, die mit ihren Gefühlen ringt und hadert. Sämtlich sind auch sie Beschädigte, privaten Katastrophen ausgeliefert und dem Niedergang des gesellschaftlich stabilen Gefüges.
Es ist ein Jammer, dass Auster seines Stoffs, der nach den Sternen des Sittenbilds und Generationenepos greift, nicht Herr wird. Immer wieder franst der Roman aus, gleitet gar ab in Allgemeinplätze. Er bemüht die amerikanischen Trivialmythen. Vor allem die Viten berühmter Baseballspieler illustrieren die unhintergehbare Macht des Zufalls über das Leben der Menschen; ganz ohne Metaphysik geht es auch in "Sunset Park" nicht. Von Anfang an löst Auster die geschlossene Form in einzelne Kapitel auf, um seine Akteure vorzuführen. Er bedient sich dabei eines Erzählers, aus dem Off gewissermaßen, der zu unentschieden zwischen Allwissenheit und Spekulation changiert.
Manchmal entsteht der Eindruck, dieses Schreiben diene bereits einem Drehbuch. Wie ein Leitmotiv fungiert denn auch William Wylers berühmtes Filmdrama "Die besten Jahre unseres Lebens" von 1946. Seine Handlung dreht sich um drei Kriegsheimkehrer und deren Probleme, einen Weg zurück in die zivile Gesellschaft des Nachkriegs zu finden. Immer wieder kommen Austers verschiedene Protagonisten in langen Passagen auf den Film zu sprechen, allzu plakativ dient er als Spiegel ihrer Situation.
Die Geschichte von Miles Heller bleibt am Ende des Buchs dunkel und offen, auch wenn er zu seinem Vater zurückgefunden hat. Sie ist nicht trostvoll. Aber sie muss auch nicht so ausgehen wie "Der große Gatsby". Denn da sind noch die junge kluge Pilar Sanchez, die vielleicht Fitzgeralds Zukunftslosigkeit widerlegen kann - und auch die verzweifelte Wut und Trauer des Autors, die diesen Roman im Innersten prägen und tragen. Am Projekt "Sunset Park" ist Paul Auster jedoch gescheitert. Heroisch.
ROSE-MARIA GROPP
Paul Auster: "Sunset Park". Roman.
Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz. Rowohlt Verlag, Reinbek 2012. 320 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Paul Austers jüngster Roman "Sunset Park" zeigt ein Amerika, in dem alle Generationen und Regionen unter den Auswirkungen der Krise leiden.
Es ist das Jahr 2008, in dem begann, was seither als Wirtschaftskrise wütet. Miles Heller ist achtundzwanzig Jahre alt, er hat vor siebeneinhalb Jahren das College verlassen und arbeitet in Florida für eine Entrümpelungsfirma. Sie handelt im Auftrag jener Banken, denen nach dem amerikanischen Immobiliendesaster die Häuser gehören, die von ihren bisherigen Eigentümern verlassen werden mussten. Diese Häuser sind voll von "aufgegebenen Dingen", die Miles fotografiert. Inzwischen hat er Tausende solcher Fotos, von "Büchern, Schuhen und Ölgemälden, Klavieren und Toastern, Puppen, Teegeschirr und schmutzigen Socken, Fernsehern und Brettspielen, Partykleidern und Tennisschlägern, Sofas, Seidendessous, Fugenspritzen, Reißzwecken, Plastikmonstern, Lippenstiften, Gewehren, ausgebleichten Matratzen, Messern und Gabeln, Pokerchips, einer Briefmarkensammlung und einem toten Kanarienvogel am Boden seines Käfigs".
Seine Kollegen, die "drei Musketiere des Verderbens", lassen verbotenerweise von diesen Sachen mitgehen, was sich irgend lohnt, Miles tut das nicht. Er hat "seine Bedürfnisse auf ein absolutes Minimum reduziert". Das Einzige, was er sich leistet, sind Bücher, und "Lesen ist eine Sucht, von der er keinesfalls geheilt werden möchte".
Der Anfang von Paul Austers Roman "Sunset Park", der bereits 2010 in Amerika erschienen ist, lässt an Flucht denken, an Krieg und Nachkriegszeit. Das soll genau so sein. In einem Park in Miami begegnet Miles der siebzehnjährigen Pilar Sanchez, die zufällig mit demselben Buch neben ihm sitzt, das er schon zum dritten Mal liest, F. Scott Fitzgeralds "Der große Gatsby". Es wird eine Liebe zwischen dem noch minderjährigen Mädchen, das zwei Jahre zuvor seine aus Kuba eingewanderten Eltern bei einem Autounfall verloren hat, und dem jungen Mann, der eine schlimme Geschichte als verschwiegene Bürde mit sich trägt.
Es könnte sich aus diesen beiden zunächst nur vage umrissenen Schicksalen eine ganz große Geschichte entwickeln. Auster legt dafür alle Fährten aus, mit der von ihm erwarteten Virtuosität. Er beginnt ein Textgewebe, das Miles zurück in seine Heimatstadt New York führt. Ihm droht in Florida im Falle einer Denunziation eine Gefängnisstrafe, weil Pilar inzwischen mit ihm lebt. In New York kommt Miles bei seinem Jugendfreund Bing Nathan unter, der eine "Klinik für kaputte Dinge" im Stadtteil Park Slope hat. Bing repariert dort auch alte Schreibmaschinen, für die Auster bekanntermaßen eine Vorliebe hegt: keineswegs das einzige autobiographische Motiv dieses Buchs.
Bing hat gemeinsam mit zwei jungen Frauen, Alice und Ellen, ein verlassenes Haus im Stadtteil Brooklyn besetzt, im Viertel Sunset Park, gegenüber dem riesigen Green-Wood-Friedhof. Es wird zum Ort, an dem sich die Stränge des Romans bündeln, in dem Auster mehr will, als von aus dem System gefallenen Individuen zu erzählen. Er will eine scharfe Parabel auf eine ganze Nation schreiben, die nicht nur ökonomisch, sondern auch moralisch abgewirtschaftet hat. Auf ein Amerika, das sich im permanenten Nachkrieg befindet, jedoch ohne jene Chancen, die die sprichwörtlichen Träume von Tellerwäschern wahr werden ließen. Er exerziert an Miles Heller und Bing Nathan, an Alice Bergstrom und Ellen Brice, wie auch die Hoffnungen junger, talentierter und gebildeter Menschen zuschanden gehen, wie sie zerbrechen unter der Last, die ihnen ihr Land als Hypothek aufdrückt: Die Bruchbude in Sunset Park ist das Bild dafür, Hohn auf die Vision vom properen Eigenheim.
Für sein ambitioniertes Unterfangen greift Auster aber auch tief in die Wunden intimer Verstrickungen mit nachgerade archaischen Zügen. Er entlarvt das familiäre Modell als unglückselig zerklüftete Triade, Keimzelle obendrein des Dramas vom verlorenen Sohn. Dafür stehen Miles' Eltern und ihre Entourage, Prototypen eines absterbenden Amerikas: der Vater Morris, prominenter Verleger literarischer Texte in New York, übrigens wohl die stärkste Identifikationsfigur für Auster selbst, mit Bitterkeit und Empathie; die Mutter Mary-Lee Swann, die das Baby Miles zurückließ, um ihre Karriere als Schauspielerin zu machen; die Stiefmutter Willa Parks, eine Intellektuelle, die mit ihren Gefühlen ringt und hadert. Sämtlich sind auch sie Beschädigte, privaten Katastrophen ausgeliefert und dem Niedergang des gesellschaftlich stabilen Gefüges.
Es ist ein Jammer, dass Auster seines Stoffs, der nach den Sternen des Sittenbilds und Generationenepos greift, nicht Herr wird. Immer wieder franst der Roman aus, gleitet gar ab in Allgemeinplätze. Er bemüht die amerikanischen Trivialmythen. Vor allem die Viten berühmter Baseballspieler illustrieren die unhintergehbare Macht des Zufalls über das Leben der Menschen; ganz ohne Metaphysik geht es auch in "Sunset Park" nicht. Von Anfang an löst Auster die geschlossene Form in einzelne Kapitel auf, um seine Akteure vorzuführen. Er bedient sich dabei eines Erzählers, aus dem Off gewissermaßen, der zu unentschieden zwischen Allwissenheit und Spekulation changiert.
Manchmal entsteht der Eindruck, dieses Schreiben diene bereits einem Drehbuch. Wie ein Leitmotiv fungiert denn auch William Wylers berühmtes Filmdrama "Die besten Jahre unseres Lebens" von 1946. Seine Handlung dreht sich um drei Kriegsheimkehrer und deren Probleme, einen Weg zurück in die zivile Gesellschaft des Nachkriegs zu finden. Immer wieder kommen Austers verschiedene Protagonisten in langen Passagen auf den Film zu sprechen, allzu plakativ dient er als Spiegel ihrer Situation.
Die Geschichte von Miles Heller bleibt am Ende des Buchs dunkel und offen, auch wenn er zu seinem Vater zurückgefunden hat. Sie ist nicht trostvoll. Aber sie muss auch nicht so ausgehen wie "Der große Gatsby". Denn da sind noch die junge kluge Pilar Sanchez, die vielleicht Fitzgeralds Zukunftslosigkeit widerlegen kann - und auch die verzweifelte Wut und Trauer des Autors, die diesen Roman im Innersten prägen und tragen. Am Projekt "Sunset Park" ist Paul Auster jedoch gescheitert. Heroisch.
ROSE-MARIA GROPP
Paul Auster: "Sunset Park". Roman.
Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz. Rowohlt Verlag, Reinbek 2012. 320 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der ultimative Krisenroman und eines der unerbittlichsten Bücher dieses Sommers. Neon
"Paul Auster hat mit "Sunset Park" seinen besten Roman seit langem geschrieben." -- Der Tagesspiegel
"Der ultimative Krisenroman und eines der unerbittlichsten Bücher dieses Sommers." -- Neon
"Eine scharfe Parabel auf eine ganze Nation, die nicht nur ökonomisch, sondern auch moralisch abgewirtschaftet hat." -- Frankfurter Allgemeine Zeitung
"Intensiv und fesselnd." -- Times Literary Supplement
"Der ultimative Krisenroman und eines der unerbittlichsten Bücher dieses Sommers." -- Neon
"Eine scharfe Parabel auf eine ganze Nation, die nicht nur ökonomisch, sondern auch moralisch abgewirtschaftet hat." -- Frankfurter Allgemeine Zeitung
"Intensiv und fesselnd." -- Times Literary Supplement