Hatte bis zur Hälfte echtes Potenzial, danach war es mir zu wild
Bis etwa zur Hälfte dieses Buches dachte ich, dass ich ihm mindestens vier Sterne geben würde. Leider hat mich die Handlung in der zweiten Hälfte dann aber doch ziemlich verloren.
Der erste Teil des Buches hat meine Erwartungen
noch recht gut erfüllt. Ich habe erwartet, dass es ein Roman ist über meine Generation und die…mehrHatte bis zur Hälfte echtes Potenzial, danach war es mir zu wild
Bis etwa zur Hälfte dieses Buches dachte ich, dass ich ihm mindestens vier Sterne geben würde. Leider hat mich die Handlung in der zweiten Hälfte dann aber doch ziemlich verloren.
Der erste Teil des Buches hat meine Erwartungen noch recht gut erfüllt. Ich habe erwartet, dass es ein Roman ist über meine Generation und die Probleme, welche Menschen dieser Generation umtreiben. Von Fragen zur eigenen Identität und Sexualität über die Trauer aufgrund einer zerbrochenen Beziehung bis hin zu einem Gefühl allgemeiner Einsamkeit in einem Leben in der Großstadt, ergänzt um eine gesellschaftspolitische Kritik rund um Wohnraumknappheit, Leistungszwang und Kapitalismus. Die kurzen Kapitel lassen sich überwiegend gut lesen und einige von ihnen haben mich emotional wirklich packen können.
Anton Weil hat einen ganz bestimmten Ton, der schwer zu greifen ist, mich zu Beginn aber für sich eingenommen hat. Ich fand mich vor allem in der ersten Hälfte auf eine rauschhafte Art in Vitos Kopf wieder. Die Geschichte überzeugt mit einem angenehmen Alltagshumor und einer gewissen Situationskomik - ob in den Gespräche in der Eckkneipe, in welcher man der Besitzerin das eigene Herz ausschüttet oder bei frustrierenden Fahrten mit der Deutschen Bahn, die von absurden Verspätungen geprägt sind.
Doch spätestens ab der Hälfte war mir Vitos Abdriften in seine Träume/Fantasien einfach zu wild. Es geht in diesem zweiten Teil der Geschichte vor allem darum, der eigenen Einsamkeit zu entfliehen, was hier konkret über die Verbindung zur verstorbenen Mutter passieren soll. Auch sucht Vito Verbundenheit zu fremden Menschen, mit denen er Sex hat oder sich vorstellt zu haben, doch wenig überraschend füllt das seine Leere nicht. Gerne hätte ich Vito noch länger bei dieser Suche begleitet, doch dafür war es mir vor allem zum Ende hin zu fragmentarisch und wenig emotional greifbar.
Ich kann persönlich auch einfach gar nichts anfangen mit Alkoholrausch, heftigem Trinken und Drogenkonsum allgemein. Das hat mich in seiner Intensität ziemlich gestört und auch mit Vito als zunehmend unzuverlässigem Erzähler konnte ich irgendwann wenig anfangen. Die Verwirrung der Geschichte ist sicherlich so beabsichtigt, doch mit meinen Erwartungen an das Buch und auch mit meinen Erfahrungen aus der ersten Hälfte war ich angesichts der sehr wilden, abgedrifteten Handlung dann einfach lost und konnte mich selbst nicht mehr mit der Geschichte identifizieren.
So bleibt es für mich leider nur ein durchschnittliches Leseerlebnis. Ich könnte mir vorstellen, dass Menschen, die sich gerne von Geschichten mitreißen lassen und auch kein Problem damit haben, dass Realität und Fantasie sehr stark miteinander verschwimmen, hier eine gute Lektüre finden. Die „wilde Irrfahrt durch die Psyche einer ganzen Generation“, die auf dem Cover versprochen wird, habe ich dann vor allem in der zweiten Hälfte leider nicht mehr wahrgenommen, obwohl meine Hoffnungen dahingehend nach dem ersten Teil durchaus hoch waren. Ich bleibe also etwas ernüchtert zurück und gebe diesem Buch drei Sterne.