Lenny Abramov träumt vom ewigen Leben, von seinen Büchern und von Eunice Park, einer viel jüngeren koreanischstämmigen Amerikanerin, die Gift für ihn ist: konsumversessen, abgebrüht, gewitzt. Eine tragikomische Liebesgeschichte bahnt sich an - frei nach Tschechow und Tolstoi erzählt. Denn die Liebenden leben in einem zunehmend bedrohlichen und bedrohten Land.
"Ein supertrauriges, superlustiges, superbewegendes Buch, das nicht nur Gary Shteyngarts überschäumende satirische Begabung vor Augen führt, sondern auch zeigt, dass er tiefgründig und ergreifend über Liebe, Verlust und Sterblichkeit schreiben kann. Wunderbar. Mit diesem Roman erweist er sich als einer der originellsten und anregendsten Autoren seiner Generation."
THE NEW YORK TIMES
"Zum Schreien komisch. Wenn es nicht so realistisch wäre."
ZDF ASPEKTE
"Gary Shteyngart gilt als Spezialist des liebevoll Absurden, als ein Meister der Satire, die sich in überbordendem erzählerischem Einfallsreichtum austobt."
DIE ZEIT
"George Orwell trifft Woody Allen."
WELT AM SONNTAG
"Eine präzise Vision des sozioökonomischen Zerfalls der USA."
ARD TAGESTHEMEN
"Derart wirkmächtig, dass Gary Shteyngart schon als humorbegabter jüdischer George Orwell der Postmoderne gilt."
DER SPIEGEL
"Ein supertrauriges, superlustiges, superbewegendes Buch, das nicht nur Gary Shteyngarts überschäumende satirische Begabung vor Augen führt, sondern auch zeigt, dass er tiefgründig und ergreifend über Liebe, Verlust und Sterblichkeit schreiben kann. Wunderbar. Mit diesem Roman erweist er sich als einer der originellsten und anregendsten Autoren seiner Generation."
THE NEW YORK TIMES
"Zum Schreien komisch. Wenn es nicht so realistisch wäre."
ZDF ASPEKTE
"Gary Shteyngart gilt als Spezialist des liebevoll Absurden, als ein Meister der Satire, die sich in überbordendem erzählerischem Einfallsreichtum austobt."
DIE ZEIT
"George Orwell trifft Woody Allen."
WELT AM SONNTAG
"Eine präzise Vision des sozioökonomischen Zerfalls der USA."
ARD TAGESTHEMEN
"Derart wirkmächtig, dass Gary Shteyngart schon als humorbegabter jüdischer George Orwell der Postmoderne gilt."
DER SPIEGEL
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.2011Hässliche neue Welt
Gary Shteyngarts Roman "Super Sad True Love Story"
So sieht sie also aus, die nahe Zukunft jenes Landes der einst unbegrenzten Möglichkeiten, die mir nichts, dir nichts auf ein Minimum zusammenschrumpfen: Die Vereinigten Staaten sind ein halbwegs totalitärer Einparteienstaat, sie sind dank eines durchgeknallten Verteidigungsministers in Venezuela einmarschiert, stehen kurz vor der Pleite und sehen daher mit bangem Blick dem Besuch des chinesischen Zentralbankchefs entgegen; Frauen tragen durchsichtige Jeans und Büstenhalter, das Wörtchen "medien" hat sich in ein Adjektiv verwandelt, und anstatt miteinander zu reden, chatten und streamen die Amerikaner, was das Zeug hält. Dazu benutzen sie den sogenannten "Äppärät", eine pervertierte Weiterentwicklung der heutigen Smartphones, der unentwegt Auskunft gibt über Gesundheitszustand, Bonität und Attraktivität seines Benutzers. Außerdem sammelt der Äppärät Daten darüber, wie andere einen bewerten, so dass jeder Nutzer eine eigene Ratingagentur darstellt. Kurz und gar nicht gut: Das menschliche Dasein ist so banal und freudlos wie eh und je. Man hätte es sich denken können.
Genau das ist das Problem von Gary Shteyngarts neuem Roman "Super Sad True Love Story". Es handelt sich um eine satirische Science-Fiction-Geschichte, der ob aller beabsichtigten Rasanz irgendwann die Luft ausgeht. Sie handelt von der unwahrscheinlichen Liebesbeziehung zwischen dem 39 Jahre alten, russischstämmigen Tschechow-Fan Lenny Abramov und der fünfzehn Jahre jüngeren Rotzgöre Eunice Park, Spross einer gewalttätigen koreanischen Einwandererfamilie. Die beiden lernen sich zufällig auf einer Party in Rom kennen, und Lenny ist sofort Feuer und Flamme. Er schlägt ihr vor, zu ihm nach New York zu ziehen, was sie später aus nicht allzu hehren Motiven auch tut. Gegensätze ziehen sich nicht unbedingt an, manchmal wollen sie sich auch nur für eine Weile benutzen.
Eunice ist das Sinnbild der verkommenen, sinnenfreudigen Jugend, die noch alles vor sich hat, während Lenny für den neurotischen und gehemmten Erwachsenen steht, der seine beste Zeit längst hinter sich zu haben glaubt und deshalb beginnt, sich vor dem Tod zu fürchten. Nicht umsonst arbeitet er für die Abteilung "Posthumane Dienstleistungen" am Projekt "Unbeschränkte Lebensverlängerung". Da kommt ihm Eunice gerade recht. Dass ausgerechnet sein Chef zu seinem Nebenbuhler wird, kann er da noch nicht ahnen.
Wer meint, in dieser Figurenkonstellation das Grundgerüst von mindestens dreißig Woody-Allen-Filmen wiederzuerkennen, liegt nicht ganz verkehrt. Nur leider wirkt Lenny wie eine missglückte Nebenrolle, der jegliche Charakterentwicklung versagt bleibt, während Eunice zumindest ansatzweise einen Reifeprozess durchmacht. Von Tiefe aber möchte man angesichts der schablonenhaften Figuren wirklich nicht sprechen. Zu abgeschmackt ist das alles, eine nicht einmal sehr phantasievolle Schwarzseherei.
Während Lenny die sich anbahnende Affäre in einem altmodischen Tagebuch rekapituliert, präsentiert Eunice ihre Sichtweise der Dinge zeitgemäß über ihren "GlobalTeens-Account", der die Nachfolge unserer sozialen Netzwerke angetreten hat. Die Diskrepanz der beiden Perspektiven birgt anfangs allerhand Komik, insbesondere gegen Ende des Romans verliert das Wechselspiel jedoch an Reiz.
Das liegt vor allem daran, dass es dem 1972 in Sankt Petersburg geborenen Autor, der mit sieben Jahren zusammen mit seinen jüdisch-russischen Eltern nach Amerika emigrierte, nicht gelingt, seinem Roman etwas mehr mit auf den Weg zu geben als einige wohlfeile, kulturpessimistische Frotzeleien. Zumeist scheinen sie auf hanebüchenen Schreckensmeldungen aus dem Ressort Vermischtes zu basieren, wenn es etwa heißt, dass fernsehsüchtige Stadtkinder Kühe grundsätzlich für lila hielten. Shteyngart spinnt solche Gedanken weiter und kommt dann verlässlich zum nächstliegenden trübsinnigen Ergebnis. Da heute gern vom Ende der Buchkultur die Rede ist, halten seine naserümpfenden Protagonisten der Zukunft Bücher nur noch für müffelnde Relikte der Vergangenheit. Entsprechend gedankenschwach sind Shteyngarts Thesen und Prognosen, die nicht im Mindesten an das heranreichen, was die dystopische Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts von Orwell über Huxley bis zu Ayn Rand zu bieten hat. Viele seiner Themen, ob Gesundheits-, Schönheits- oder Jugendwahn sowie digitaler Exhibitionismus, Politikverdrossenheit, Bildungsfeindlichkeit, Wirtschaftskrise, Konsumterror, Überwachungsstaat oder Gentrifizierung, erscheinen in unserer Gegenwart weitaus bedrohlicher oder lächerlicher als in Shteyngarts Fiktion. Sein Blick ist verstaubt moralisch und bieder.
Traurig, wahrhaftig oder fesselnd ist an der wie am Reißbrett entworfenen Liebesgeschichte leider gar nichts. Das Schicksal von Lenny und Eunice lässt den Leser so kalt wie der vermeintliche Untergang Amerikas. Das Lachen, das die Holzhammer-Ironie hervorrufen soll, bleibt aus. Die schöne neue Welt hat abgewirtschaftet, aber wen kümmert das?
ALEXANDER MÜLLER.
Gary Shteyngart: "Super Sad True Love Story". Roman.
Aus dem Englischen von Ingo Herzke. Rowohlt Verlag, Reinbek 2011. 464 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gary Shteyngarts Roman "Super Sad True Love Story"
So sieht sie also aus, die nahe Zukunft jenes Landes der einst unbegrenzten Möglichkeiten, die mir nichts, dir nichts auf ein Minimum zusammenschrumpfen: Die Vereinigten Staaten sind ein halbwegs totalitärer Einparteienstaat, sie sind dank eines durchgeknallten Verteidigungsministers in Venezuela einmarschiert, stehen kurz vor der Pleite und sehen daher mit bangem Blick dem Besuch des chinesischen Zentralbankchefs entgegen; Frauen tragen durchsichtige Jeans und Büstenhalter, das Wörtchen "medien" hat sich in ein Adjektiv verwandelt, und anstatt miteinander zu reden, chatten und streamen die Amerikaner, was das Zeug hält. Dazu benutzen sie den sogenannten "Äppärät", eine pervertierte Weiterentwicklung der heutigen Smartphones, der unentwegt Auskunft gibt über Gesundheitszustand, Bonität und Attraktivität seines Benutzers. Außerdem sammelt der Äppärät Daten darüber, wie andere einen bewerten, so dass jeder Nutzer eine eigene Ratingagentur darstellt. Kurz und gar nicht gut: Das menschliche Dasein ist so banal und freudlos wie eh und je. Man hätte es sich denken können.
Genau das ist das Problem von Gary Shteyngarts neuem Roman "Super Sad True Love Story". Es handelt sich um eine satirische Science-Fiction-Geschichte, der ob aller beabsichtigten Rasanz irgendwann die Luft ausgeht. Sie handelt von der unwahrscheinlichen Liebesbeziehung zwischen dem 39 Jahre alten, russischstämmigen Tschechow-Fan Lenny Abramov und der fünfzehn Jahre jüngeren Rotzgöre Eunice Park, Spross einer gewalttätigen koreanischen Einwandererfamilie. Die beiden lernen sich zufällig auf einer Party in Rom kennen, und Lenny ist sofort Feuer und Flamme. Er schlägt ihr vor, zu ihm nach New York zu ziehen, was sie später aus nicht allzu hehren Motiven auch tut. Gegensätze ziehen sich nicht unbedingt an, manchmal wollen sie sich auch nur für eine Weile benutzen.
Eunice ist das Sinnbild der verkommenen, sinnenfreudigen Jugend, die noch alles vor sich hat, während Lenny für den neurotischen und gehemmten Erwachsenen steht, der seine beste Zeit längst hinter sich zu haben glaubt und deshalb beginnt, sich vor dem Tod zu fürchten. Nicht umsonst arbeitet er für die Abteilung "Posthumane Dienstleistungen" am Projekt "Unbeschränkte Lebensverlängerung". Da kommt ihm Eunice gerade recht. Dass ausgerechnet sein Chef zu seinem Nebenbuhler wird, kann er da noch nicht ahnen.
Wer meint, in dieser Figurenkonstellation das Grundgerüst von mindestens dreißig Woody-Allen-Filmen wiederzuerkennen, liegt nicht ganz verkehrt. Nur leider wirkt Lenny wie eine missglückte Nebenrolle, der jegliche Charakterentwicklung versagt bleibt, während Eunice zumindest ansatzweise einen Reifeprozess durchmacht. Von Tiefe aber möchte man angesichts der schablonenhaften Figuren wirklich nicht sprechen. Zu abgeschmackt ist das alles, eine nicht einmal sehr phantasievolle Schwarzseherei.
Während Lenny die sich anbahnende Affäre in einem altmodischen Tagebuch rekapituliert, präsentiert Eunice ihre Sichtweise der Dinge zeitgemäß über ihren "GlobalTeens-Account", der die Nachfolge unserer sozialen Netzwerke angetreten hat. Die Diskrepanz der beiden Perspektiven birgt anfangs allerhand Komik, insbesondere gegen Ende des Romans verliert das Wechselspiel jedoch an Reiz.
Das liegt vor allem daran, dass es dem 1972 in Sankt Petersburg geborenen Autor, der mit sieben Jahren zusammen mit seinen jüdisch-russischen Eltern nach Amerika emigrierte, nicht gelingt, seinem Roman etwas mehr mit auf den Weg zu geben als einige wohlfeile, kulturpessimistische Frotzeleien. Zumeist scheinen sie auf hanebüchenen Schreckensmeldungen aus dem Ressort Vermischtes zu basieren, wenn es etwa heißt, dass fernsehsüchtige Stadtkinder Kühe grundsätzlich für lila hielten. Shteyngart spinnt solche Gedanken weiter und kommt dann verlässlich zum nächstliegenden trübsinnigen Ergebnis. Da heute gern vom Ende der Buchkultur die Rede ist, halten seine naserümpfenden Protagonisten der Zukunft Bücher nur noch für müffelnde Relikte der Vergangenheit. Entsprechend gedankenschwach sind Shteyngarts Thesen und Prognosen, die nicht im Mindesten an das heranreichen, was die dystopische Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts von Orwell über Huxley bis zu Ayn Rand zu bieten hat. Viele seiner Themen, ob Gesundheits-, Schönheits- oder Jugendwahn sowie digitaler Exhibitionismus, Politikverdrossenheit, Bildungsfeindlichkeit, Wirtschaftskrise, Konsumterror, Überwachungsstaat oder Gentrifizierung, erscheinen in unserer Gegenwart weitaus bedrohlicher oder lächerlicher als in Shteyngarts Fiktion. Sein Blick ist verstaubt moralisch und bieder.
Traurig, wahrhaftig oder fesselnd ist an der wie am Reißbrett entworfenen Liebesgeschichte leider gar nichts. Das Schicksal von Lenny und Eunice lässt den Leser so kalt wie der vermeintliche Untergang Amerikas. Das Lachen, das die Holzhammer-Ironie hervorrufen soll, bleibt aus. Die schöne neue Welt hat abgewirtschaftet, aber wen kümmert das?
ALEXANDER MÜLLER.
Gary Shteyngart: "Super Sad True Love Story". Roman.
Aus dem Englischen von Ingo Herzke. Rowohlt Verlag, Reinbek 2011. 464 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.08.2011Das Land am Ende des kaputten Regenbogens
Gary Shteyngart nimmt in seinem verquasselten Roman „Super Sad True Love Story“ den Untergang des amerikanischen Imperiums satirisch vorweg
Es müsste das Buch der Stunde sein, und in freundlichen Besprechungen wird Gary Shteyngarts Roman „Super Sad True Love Story“ auch als solches gehandelt: als lustiger Abgesang, der den Untergang Amerikas prophetisch vorwegnimmt. Schließlich taumelt im Roman, der in einer allzu nahen Zukunft spielt, die einstige Großmacht am Rande des Bankrotts. Die Vereinigten Staaten haben sich in einen totalitären Einparteien- und Überwachungsstaat verwandelt, gelenkt von der ARR, der Amerikanischen Restaurations Regierung, an deren Spitze ein junger Marionettenpräsident steht. Doch die Geschäfte führt ein durchgedrehter Verteidigungsminister namens Rubinstein, der das Land in einen aussichtslosen Krieg mit Venezuela geführt hat. Die öffentliche Ordnung kann nur noch mit Hilfe der Nationalgarde aufrecht erhalten werden, welche die „Vermögensschwachen“, wie hier euphemistisch die Obdachlosen genannt werden, die im Central Park campieren, in Schach hält und sämtliche Bürger permanent einvernimmt. Diese Verhöre enden stets damit, dass der Befragte seine inhaltliche Zustimmung erklären und zugleich leugnen muss, dass das Gespräch je stattgefunden hat. Und der Dollar ist längst an den chinesischen Yuan gekoppelt – neben dem Nord-Euro die einzige Währung, die noch etwas wert ist.
Das ist die Ausgangslage, als der 39-jährige Lenny Abramov, Kind russischer Einwanderer, sich auf einer Party in Rom in die 16 Jahre jüngere Eunice Park verliebt, ihrerseits Tochter eines koreanischen Fußtherapeuten und veritablen Familientyrannen. Der Gegensätzlichkeit dieses unmöglichen Paars verdankt das Buch seine Form, die mit dem Genre des Briefromans spielt und ihm gewissermaßen zu einem Update verhilft.
Während Lenny, der neurotische Old-School-Nerd, Tschechow-Leser und Woody-Allen-Verschnitt, seine Herzensergießungen ganz anachronistisch einem Tagebuch anvertraut, postet Eunice die abgebrühten Pampigkeiten eines typischen material girls auf ihrem GlobalTeens-Account, dem sozialen Netzwerk ihrer Wahl.
Aus dem grellen Kontrast der beiden Erzählperspektiven gewinnt der hoffnungslos verquasselte 450-Seiten-Roman zunächst einigen Witz: Hier die windelweichen Winseleien des romantischen Trottels Lenny, der sich tüchtig schämt, dass er noch Bücher liest, statt digitalen Content zu scannen, und darum den Modergeruch seiner „nicht-streambaren Medienerzeugnisse“ mit Duftspray überdeckt. Dort die verdorbenen Girlie-Zynismen der übersexualisierten, dauervernetzten Eunice, die am liebsten online auf Schnäppchenjagd geht, um dem pornographischen radical chic mit nippelfreien BHs, durchsichtigen Jeans und den im Schritt geschlitzten Slips von „TotalSurrender“ zu genügen.
Doch die Liebesgeschichte, die damit endet, dass Eunice ihren Lenny ausgerechnet mit seinem Chef betrügt, der, wie es die bittere Ironie will, dreißig Jahre älter ist als dieser, aber vierzig Jahre jünger aussieht, wirkt dermaßen uninspiriert, dass man einen Verdacht schöpft, der sich bald bestätigt. Denn letztlich dient die verkorkste Romanze – sie bringt ihm bei, beim „Echtzeit-Shopping“ im „Konsumkorridor“ zu den angesagten Marken wie „AssLuxury“ oder „JuicyPussy“ zu greifen, er vergießt heiße Tränen der Dankbarkeit, als Eunice ihm endlich Einlass in ihre „Zaubermuschi“ gewährt – nur als Watte, in die Shteyngart einen Kulturpessimismus leserfreundlich verpackt, der weitaus muffiger ist als die Tolstoi-Ausgabe in Lennys Bücherregal.
Dabei erfindet der 1972 in Leningrad geborene und im Alter von sieben Jahren mit seinen Eltern in die USA immigrierte Autor in seinem dritten Roman durchaus amüsante Details, um die Angstphantasien eines koketten Feuilleton-Konservatismus auszuspinnen. Nicht nur, dass die Kreditmasten im durchgentrifizierten Manhattan permanent die Bonität jedes Passanten abgleichen – Exhibitionismus, Konsumismus, Jugend- und Schönheitswahn sind hier die einzige Religion, und der „Äppärät“, ein Smartphone, das jeder in Gestalt eines Kieselsteins um den Hals trägt, ist der Altar, auf dem den Götzen gehuldigt wird. Da bespiegelt sich nicht nur jeder in seinem eigenen Live-Stream, sondern das Gerät dient als portable Ratingagentur, die ständig den Cholesterinspiegel, die Lebenserwartung und den „Fick-Faktor“ aller Anwesenden bewertet.
Dass in einer Zukunft, da der Kapitalismus buchstäblich bis unter die Haut vorgedrungen ist – sie wird im besten Fall von frischem „SmartBlood“ aus der Retorte durchblutet –, auch Lenny und Eunice nur eine Zweckgemeinschaft bilden, wäre eine angemessen böse Pointe für einen dystopischen Roman. Doch so weit lässt es Shteyngart in seiner superschönen neuen Welt nicht kommen.
Vielmehr fällt er in einen plumpen Psychologismus zurück und leitet die Bindungsangst seiner Figuren aus den Traumata des Migrationshintergrunds ab. Und hier liegt vielleicht die Erklärung für das Grundproblem des Romans. So gut Shteyngart die heillose Überidentifikation der Einwandererfamilien mit den amerikanischen Werten bis hin zur Selbstzerstörung darstellt, so sehr teilt er den naiven Märchenglauben an den amerikanischen Traum. Als im Zuge gewalttätiger Ausschreitungen und der folgenden „Schadensbegrenzung“ Amerika vom IWF zerschlagen und ganz New York in ein Lifestyle Center verwandelt wird, tropft patriotisches Pathos aus jeder Zeile. Doch warum man einem Land, das so kaputt ist, wie Shteyngart es schildert, nachtrauern soll, bleibt ein Rätsel.
Letztlich ist hier der Spott nur die Maske klebriger Sentimentalität, und so kann man Gary Shteyngart den Vorwurf nicht ersparen, dass seine „Super Sad True Love Story“genauso clean, smart und kalt kalkuliert ist wie das, was sie kritisiert. Anders gesagt: Der saure Moralismus ist das Feigenblatt eines Autors, dem es um den publizistischen „Fick-Faktor“ geht. Und das ist tatsächlich supertraurig. CHRISTOPHER SCHMIDT
GARY SHTEYNGART: Super Sad True Love Story. Roman. Aus dem Englischen von Ingo Herzke. Rowohlt Verlag, Reinke 2011. 464 Seiten, 19,95 Euro.
Muffiger Moralismus
kommt hier im Gewand des
„radical chic“ daher
Gary Shteyngart Foto: Brigitte Lacombe
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Gary Shteyngart nimmt in seinem verquasselten Roman „Super Sad True Love Story“ den Untergang des amerikanischen Imperiums satirisch vorweg
Es müsste das Buch der Stunde sein, und in freundlichen Besprechungen wird Gary Shteyngarts Roman „Super Sad True Love Story“ auch als solches gehandelt: als lustiger Abgesang, der den Untergang Amerikas prophetisch vorwegnimmt. Schließlich taumelt im Roman, der in einer allzu nahen Zukunft spielt, die einstige Großmacht am Rande des Bankrotts. Die Vereinigten Staaten haben sich in einen totalitären Einparteien- und Überwachungsstaat verwandelt, gelenkt von der ARR, der Amerikanischen Restaurations Regierung, an deren Spitze ein junger Marionettenpräsident steht. Doch die Geschäfte führt ein durchgedrehter Verteidigungsminister namens Rubinstein, der das Land in einen aussichtslosen Krieg mit Venezuela geführt hat. Die öffentliche Ordnung kann nur noch mit Hilfe der Nationalgarde aufrecht erhalten werden, welche die „Vermögensschwachen“, wie hier euphemistisch die Obdachlosen genannt werden, die im Central Park campieren, in Schach hält und sämtliche Bürger permanent einvernimmt. Diese Verhöre enden stets damit, dass der Befragte seine inhaltliche Zustimmung erklären und zugleich leugnen muss, dass das Gespräch je stattgefunden hat. Und der Dollar ist längst an den chinesischen Yuan gekoppelt – neben dem Nord-Euro die einzige Währung, die noch etwas wert ist.
Das ist die Ausgangslage, als der 39-jährige Lenny Abramov, Kind russischer Einwanderer, sich auf einer Party in Rom in die 16 Jahre jüngere Eunice Park verliebt, ihrerseits Tochter eines koreanischen Fußtherapeuten und veritablen Familientyrannen. Der Gegensätzlichkeit dieses unmöglichen Paars verdankt das Buch seine Form, die mit dem Genre des Briefromans spielt und ihm gewissermaßen zu einem Update verhilft.
Während Lenny, der neurotische Old-School-Nerd, Tschechow-Leser und Woody-Allen-Verschnitt, seine Herzensergießungen ganz anachronistisch einem Tagebuch anvertraut, postet Eunice die abgebrühten Pampigkeiten eines typischen material girls auf ihrem GlobalTeens-Account, dem sozialen Netzwerk ihrer Wahl.
Aus dem grellen Kontrast der beiden Erzählperspektiven gewinnt der hoffnungslos verquasselte 450-Seiten-Roman zunächst einigen Witz: Hier die windelweichen Winseleien des romantischen Trottels Lenny, der sich tüchtig schämt, dass er noch Bücher liest, statt digitalen Content zu scannen, und darum den Modergeruch seiner „nicht-streambaren Medienerzeugnisse“ mit Duftspray überdeckt. Dort die verdorbenen Girlie-Zynismen der übersexualisierten, dauervernetzten Eunice, die am liebsten online auf Schnäppchenjagd geht, um dem pornographischen radical chic mit nippelfreien BHs, durchsichtigen Jeans und den im Schritt geschlitzten Slips von „TotalSurrender“ zu genügen.
Doch die Liebesgeschichte, die damit endet, dass Eunice ihren Lenny ausgerechnet mit seinem Chef betrügt, der, wie es die bittere Ironie will, dreißig Jahre älter ist als dieser, aber vierzig Jahre jünger aussieht, wirkt dermaßen uninspiriert, dass man einen Verdacht schöpft, der sich bald bestätigt. Denn letztlich dient die verkorkste Romanze – sie bringt ihm bei, beim „Echtzeit-Shopping“ im „Konsumkorridor“ zu den angesagten Marken wie „AssLuxury“ oder „JuicyPussy“ zu greifen, er vergießt heiße Tränen der Dankbarkeit, als Eunice ihm endlich Einlass in ihre „Zaubermuschi“ gewährt – nur als Watte, in die Shteyngart einen Kulturpessimismus leserfreundlich verpackt, der weitaus muffiger ist als die Tolstoi-Ausgabe in Lennys Bücherregal.
Dabei erfindet der 1972 in Leningrad geborene und im Alter von sieben Jahren mit seinen Eltern in die USA immigrierte Autor in seinem dritten Roman durchaus amüsante Details, um die Angstphantasien eines koketten Feuilleton-Konservatismus auszuspinnen. Nicht nur, dass die Kreditmasten im durchgentrifizierten Manhattan permanent die Bonität jedes Passanten abgleichen – Exhibitionismus, Konsumismus, Jugend- und Schönheitswahn sind hier die einzige Religion, und der „Äppärät“, ein Smartphone, das jeder in Gestalt eines Kieselsteins um den Hals trägt, ist der Altar, auf dem den Götzen gehuldigt wird. Da bespiegelt sich nicht nur jeder in seinem eigenen Live-Stream, sondern das Gerät dient als portable Ratingagentur, die ständig den Cholesterinspiegel, die Lebenserwartung und den „Fick-Faktor“ aller Anwesenden bewertet.
Dass in einer Zukunft, da der Kapitalismus buchstäblich bis unter die Haut vorgedrungen ist – sie wird im besten Fall von frischem „SmartBlood“ aus der Retorte durchblutet –, auch Lenny und Eunice nur eine Zweckgemeinschaft bilden, wäre eine angemessen böse Pointe für einen dystopischen Roman. Doch so weit lässt es Shteyngart in seiner superschönen neuen Welt nicht kommen.
Vielmehr fällt er in einen plumpen Psychologismus zurück und leitet die Bindungsangst seiner Figuren aus den Traumata des Migrationshintergrunds ab. Und hier liegt vielleicht die Erklärung für das Grundproblem des Romans. So gut Shteyngart die heillose Überidentifikation der Einwandererfamilien mit den amerikanischen Werten bis hin zur Selbstzerstörung darstellt, so sehr teilt er den naiven Märchenglauben an den amerikanischen Traum. Als im Zuge gewalttätiger Ausschreitungen und der folgenden „Schadensbegrenzung“ Amerika vom IWF zerschlagen und ganz New York in ein Lifestyle Center verwandelt wird, tropft patriotisches Pathos aus jeder Zeile. Doch warum man einem Land, das so kaputt ist, wie Shteyngart es schildert, nachtrauern soll, bleibt ein Rätsel.
Letztlich ist hier der Spott nur die Maske klebriger Sentimentalität, und so kann man Gary Shteyngart den Vorwurf nicht ersparen, dass seine „Super Sad True Love Story“genauso clean, smart und kalt kalkuliert ist wie das, was sie kritisiert. Anders gesagt: Der saure Moralismus ist das Feigenblatt eines Autors, dem es um den publizistischen „Fick-Faktor“ geht. Und das ist tatsächlich supertraurig. CHRISTOPHER SCHMIDT
GARY SHTEYNGART: Super Sad True Love Story. Roman. Aus dem Englischen von Ingo Herzke. Rowohlt Verlag, Reinke 2011. 464 Seiten, 19,95 Euro.
Muffiger Moralismus
kommt hier im Gewand des
„radical chic“ daher
Gary Shteyngart Foto: Brigitte Lacombe
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Ausführlich und auf der ersten Literaturseite sehr prominent bespricht Ijoma Mangold den neuen Roman von Gary Shteyngart, so dass man sich doch wundert, wie schlecht er ihn letztendlich findet. Nämlich "leider sehr schlecht". Die "Super Sad True Love Story" sei eines ins Alberne gehkehrte alleroberflächlichste Zeitdiagnostik, die USA sind heillos überschuldet und in den chinesischen Klammergriff geraten, gegen Venezuela führen sie Krieg und verbarrikadieren sich zusammen mit Israel gegen den Islamofaschismus. Fantasie sei etwas anderes, findet Mangold, der auch der Liebesgeschichte nicht viel abgewinnen kann. Ärgerlich findet er auch, dass Shteyngart die Flachheit seiner Figuren dem Setting zuschreibt, wo es ihm doch einfach an der Fähigkeit mangele, sie mit Tiefe auszustatten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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