NEW YORK TIMES BESTSELLER • A deliciously dark tale of America's dysfunctional coming years-and the timeless and tender feelings that just might bring us back from the brink. NAMED ONE OF THE BEST BOOKS OF THE YEAR BY The New York Times • The Washington Post • The Boston Globe • San Francisco Chronicle • The Seattle Times • O: The Oprah Magazine • Maureen Corrigan, NPR • Salon • Slate • Minneapolis Star Tribune • St. Louis Post-Dispatch • The Kansas City Star • Charlotte Observer • The Globe and Mail • Vancouver Sun • Montreal Gazette • Kirkus Reviews In the near future, America is crushed by a financial crisis and our patient Chinese creditors may just be ready to foreclose on the whole mess. Then Lenny Abramov, son of an Russian immigrant janitor and ardent fan of "printed, bound media artifacts" (aka books), meets Eunice Park, an impossibly cute Korean American woman with a major in Images and a minor in Assertiveness. Could falling in love redeem a planet falling apart?
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.2011Hässliche neue Welt
Gary Shteyngarts Roman "Super Sad True Love Story"
So sieht sie also aus, die nahe Zukunft jenes Landes der einst unbegrenzten Möglichkeiten, die mir nichts, dir nichts auf ein Minimum zusammenschrumpfen: Die Vereinigten Staaten sind ein halbwegs totalitärer Einparteienstaat, sie sind dank eines durchgeknallten Verteidigungsministers in Venezuela einmarschiert, stehen kurz vor der Pleite und sehen daher mit bangem Blick dem Besuch des chinesischen Zentralbankchefs entgegen; Frauen tragen durchsichtige Jeans und Büstenhalter, das Wörtchen "medien" hat sich in ein Adjektiv verwandelt, und anstatt miteinander zu reden, chatten und streamen die Amerikaner, was das Zeug hält. Dazu benutzen sie den sogenannten "Äppärät", eine pervertierte Weiterentwicklung der heutigen Smartphones, der unentwegt Auskunft gibt über Gesundheitszustand, Bonität und Attraktivität seines Benutzers. Außerdem sammelt der Äppärät Daten darüber, wie andere einen bewerten, so dass jeder Nutzer eine eigene Ratingagentur darstellt. Kurz und gar nicht gut: Das menschliche Dasein ist so banal und freudlos wie eh und je. Man hätte es sich denken können.
Genau das ist das Problem von Gary Shteyngarts neuem Roman "Super Sad True Love Story". Es handelt sich um eine satirische Science-Fiction-Geschichte, der ob aller beabsichtigten Rasanz irgendwann die Luft ausgeht. Sie handelt von der unwahrscheinlichen Liebesbeziehung zwischen dem 39 Jahre alten, russischstämmigen Tschechow-Fan Lenny Abramov und der fünfzehn Jahre jüngeren Rotzgöre Eunice Park, Spross einer gewalttätigen koreanischen Einwandererfamilie. Die beiden lernen sich zufällig auf einer Party in Rom kennen, und Lenny ist sofort Feuer und Flamme. Er schlägt ihr vor, zu ihm nach New York zu ziehen, was sie später aus nicht allzu hehren Motiven auch tut. Gegensätze ziehen sich nicht unbedingt an, manchmal wollen sie sich auch nur für eine Weile benutzen.
Eunice ist das Sinnbild der verkommenen, sinnenfreudigen Jugend, die noch alles vor sich hat, während Lenny für den neurotischen und gehemmten Erwachsenen steht, der seine beste Zeit längst hinter sich zu haben glaubt und deshalb beginnt, sich vor dem Tod zu fürchten. Nicht umsonst arbeitet er für die Abteilung "Posthumane Dienstleistungen" am Projekt "Unbeschränkte Lebensverlängerung". Da kommt ihm Eunice gerade recht. Dass ausgerechnet sein Chef zu seinem Nebenbuhler wird, kann er da noch nicht ahnen.
Wer meint, in dieser Figurenkonstellation das Grundgerüst von mindestens dreißig Woody-Allen-Filmen wiederzuerkennen, liegt nicht ganz verkehrt. Nur leider wirkt Lenny wie eine missglückte Nebenrolle, der jegliche Charakterentwicklung versagt bleibt, während Eunice zumindest ansatzweise einen Reifeprozess durchmacht. Von Tiefe aber möchte man angesichts der schablonenhaften Figuren wirklich nicht sprechen. Zu abgeschmackt ist das alles, eine nicht einmal sehr phantasievolle Schwarzseherei.
Während Lenny die sich anbahnende Affäre in einem altmodischen Tagebuch rekapituliert, präsentiert Eunice ihre Sichtweise der Dinge zeitgemäß über ihren "GlobalTeens-Account", der die Nachfolge unserer sozialen Netzwerke angetreten hat. Die Diskrepanz der beiden Perspektiven birgt anfangs allerhand Komik, insbesondere gegen Ende des Romans verliert das Wechselspiel jedoch an Reiz.
Das liegt vor allem daran, dass es dem 1972 in Sankt Petersburg geborenen Autor, der mit sieben Jahren zusammen mit seinen jüdisch-russischen Eltern nach Amerika emigrierte, nicht gelingt, seinem Roman etwas mehr mit auf den Weg zu geben als einige wohlfeile, kulturpessimistische Frotzeleien. Zumeist scheinen sie auf hanebüchenen Schreckensmeldungen aus dem Ressort Vermischtes zu basieren, wenn es etwa heißt, dass fernsehsüchtige Stadtkinder Kühe grundsätzlich für lila hielten. Shteyngart spinnt solche Gedanken weiter und kommt dann verlässlich zum nächstliegenden trübsinnigen Ergebnis. Da heute gern vom Ende der Buchkultur die Rede ist, halten seine naserümpfenden Protagonisten der Zukunft Bücher nur noch für müffelnde Relikte der Vergangenheit. Entsprechend gedankenschwach sind Shteyngarts Thesen und Prognosen, die nicht im Mindesten an das heranreichen, was die dystopische Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts von Orwell über Huxley bis zu Ayn Rand zu bieten hat. Viele seiner Themen, ob Gesundheits-, Schönheits- oder Jugendwahn sowie digitaler Exhibitionismus, Politikverdrossenheit, Bildungsfeindlichkeit, Wirtschaftskrise, Konsumterror, Überwachungsstaat oder Gentrifizierung, erscheinen in unserer Gegenwart weitaus bedrohlicher oder lächerlicher als in Shteyngarts Fiktion. Sein Blick ist verstaubt moralisch und bieder.
Traurig, wahrhaftig oder fesselnd ist an der wie am Reißbrett entworfenen Liebesgeschichte leider gar nichts. Das Schicksal von Lenny und Eunice lässt den Leser so kalt wie der vermeintliche Untergang Amerikas. Das Lachen, das die Holzhammer-Ironie hervorrufen soll, bleibt aus. Die schöne neue Welt hat abgewirtschaftet, aber wen kümmert das?
ALEXANDER MÜLLER.
Gary Shteyngart: "Super Sad True Love Story". Roman.
Aus dem Englischen von Ingo Herzke. Rowohlt Verlag, Reinbek 2011. 464 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gary Shteyngarts Roman "Super Sad True Love Story"
So sieht sie also aus, die nahe Zukunft jenes Landes der einst unbegrenzten Möglichkeiten, die mir nichts, dir nichts auf ein Minimum zusammenschrumpfen: Die Vereinigten Staaten sind ein halbwegs totalitärer Einparteienstaat, sie sind dank eines durchgeknallten Verteidigungsministers in Venezuela einmarschiert, stehen kurz vor der Pleite und sehen daher mit bangem Blick dem Besuch des chinesischen Zentralbankchefs entgegen; Frauen tragen durchsichtige Jeans und Büstenhalter, das Wörtchen "medien" hat sich in ein Adjektiv verwandelt, und anstatt miteinander zu reden, chatten und streamen die Amerikaner, was das Zeug hält. Dazu benutzen sie den sogenannten "Äppärät", eine pervertierte Weiterentwicklung der heutigen Smartphones, der unentwegt Auskunft gibt über Gesundheitszustand, Bonität und Attraktivität seines Benutzers. Außerdem sammelt der Äppärät Daten darüber, wie andere einen bewerten, so dass jeder Nutzer eine eigene Ratingagentur darstellt. Kurz und gar nicht gut: Das menschliche Dasein ist so banal und freudlos wie eh und je. Man hätte es sich denken können.
Genau das ist das Problem von Gary Shteyngarts neuem Roman "Super Sad True Love Story". Es handelt sich um eine satirische Science-Fiction-Geschichte, der ob aller beabsichtigten Rasanz irgendwann die Luft ausgeht. Sie handelt von der unwahrscheinlichen Liebesbeziehung zwischen dem 39 Jahre alten, russischstämmigen Tschechow-Fan Lenny Abramov und der fünfzehn Jahre jüngeren Rotzgöre Eunice Park, Spross einer gewalttätigen koreanischen Einwandererfamilie. Die beiden lernen sich zufällig auf einer Party in Rom kennen, und Lenny ist sofort Feuer und Flamme. Er schlägt ihr vor, zu ihm nach New York zu ziehen, was sie später aus nicht allzu hehren Motiven auch tut. Gegensätze ziehen sich nicht unbedingt an, manchmal wollen sie sich auch nur für eine Weile benutzen.
Eunice ist das Sinnbild der verkommenen, sinnenfreudigen Jugend, die noch alles vor sich hat, während Lenny für den neurotischen und gehemmten Erwachsenen steht, der seine beste Zeit längst hinter sich zu haben glaubt und deshalb beginnt, sich vor dem Tod zu fürchten. Nicht umsonst arbeitet er für die Abteilung "Posthumane Dienstleistungen" am Projekt "Unbeschränkte Lebensverlängerung". Da kommt ihm Eunice gerade recht. Dass ausgerechnet sein Chef zu seinem Nebenbuhler wird, kann er da noch nicht ahnen.
Wer meint, in dieser Figurenkonstellation das Grundgerüst von mindestens dreißig Woody-Allen-Filmen wiederzuerkennen, liegt nicht ganz verkehrt. Nur leider wirkt Lenny wie eine missglückte Nebenrolle, der jegliche Charakterentwicklung versagt bleibt, während Eunice zumindest ansatzweise einen Reifeprozess durchmacht. Von Tiefe aber möchte man angesichts der schablonenhaften Figuren wirklich nicht sprechen. Zu abgeschmackt ist das alles, eine nicht einmal sehr phantasievolle Schwarzseherei.
Während Lenny die sich anbahnende Affäre in einem altmodischen Tagebuch rekapituliert, präsentiert Eunice ihre Sichtweise der Dinge zeitgemäß über ihren "GlobalTeens-Account", der die Nachfolge unserer sozialen Netzwerke angetreten hat. Die Diskrepanz der beiden Perspektiven birgt anfangs allerhand Komik, insbesondere gegen Ende des Romans verliert das Wechselspiel jedoch an Reiz.
Das liegt vor allem daran, dass es dem 1972 in Sankt Petersburg geborenen Autor, der mit sieben Jahren zusammen mit seinen jüdisch-russischen Eltern nach Amerika emigrierte, nicht gelingt, seinem Roman etwas mehr mit auf den Weg zu geben als einige wohlfeile, kulturpessimistische Frotzeleien. Zumeist scheinen sie auf hanebüchenen Schreckensmeldungen aus dem Ressort Vermischtes zu basieren, wenn es etwa heißt, dass fernsehsüchtige Stadtkinder Kühe grundsätzlich für lila hielten. Shteyngart spinnt solche Gedanken weiter und kommt dann verlässlich zum nächstliegenden trübsinnigen Ergebnis. Da heute gern vom Ende der Buchkultur die Rede ist, halten seine naserümpfenden Protagonisten der Zukunft Bücher nur noch für müffelnde Relikte der Vergangenheit. Entsprechend gedankenschwach sind Shteyngarts Thesen und Prognosen, die nicht im Mindesten an das heranreichen, was die dystopische Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts von Orwell über Huxley bis zu Ayn Rand zu bieten hat. Viele seiner Themen, ob Gesundheits-, Schönheits- oder Jugendwahn sowie digitaler Exhibitionismus, Politikverdrossenheit, Bildungsfeindlichkeit, Wirtschaftskrise, Konsumterror, Überwachungsstaat oder Gentrifizierung, erscheinen in unserer Gegenwart weitaus bedrohlicher oder lächerlicher als in Shteyngarts Fiktion. Sein Blick ist verstaubt moralisch und bieder.
Traurig, wahrhaftig oder fesselnd ist an der wie am Reißbrett entworfenen Liebesgeschichte leider gar nichts. Das Schicksal von Lenny und Eunice lässt den Leser so kalt wie der vermeintliche Untergang Amerikas. Das Lachen, das die Holzhammer-Ironie hervorrufen soll, bleibt aus. Die schöne neue Welt hat abgewirtschaftet, aber wen kümmert das?
ALEXANDER MÜLLER.
Gary Shteyngart: "Super Sad True Love Story". Roman.
Aus dem Englischen von Ingo Herzke. Rowohlt Verlag, Reinbek 2011. 464 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main