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»Paula Irmschler lesen ist wie Saufen mit der besten Freundin, aber ohne Kater. Magisch.« Margarete Stokowski
Gisela zieht nach Chemnitz, um neu anzufangen. Die Stadt ist für die Anfang zwanzigjährige ein Versprechen. Endlich studieren, sich finden, weg von der Familie und all den anderen Menschen, die sie nicht versteht und die sie nicht verstehen. Ihren Körper und ihre Gedanken aber nimmt sie mit. Doch in Chemnitz gibt es die Freundinnen, die die Welt nicht so akzeptieren wollen wie sie ist. Zusammen gehen sie auf Demonstrationen, betrinken sich, versuchen, über die Runden zu kommen und…mehr

Produktbeschreibung
»Paula Irmschler lesen ist wie Saufen mit der besten Freundin, aber ohne Kater. Magisch.« Margarete Stokowski

Gisela zieht nach Chemnitz, um neu anzufangen. Die Stadt ist für die Anfang zwanzigjährige ein Versprechen. Endlich studieren, sich finden, weg von der Familie und all den anderen Menschen, die sie nicht versteht und die sie nicht verstehen. Ihren Körper und ihre Gedanken aber nimmt sie mit. Doch in Chemnitz gibt es die Freundinnen, die die Welt nicht so akzeptieren wollen wie sie ist. Zusammen gehen sie auf Demonstrationen, betrinken sich, versuchen, über die Runden zu kommen und gründen eine Band: Superbusen. Bei ihren Konzerten entdecken sie das erste Mal das Konstrukt Ost und West, was sie als Frauen zusammenhält und trennt und die Macht der Musik.

Mit Witz und Präzision erzählt Paula Irmschler in ihrem Romandebüt davon, was es bedeutet, sich von der eigenen Geschichte abzunabeln. Von der Verwundbarkeit des eigenen Körpers, von der Liebe, von Zuhause, von Lebensplänen, die häufig nur aus Warten bestehen, von der Kraft von Freundschaften. Und vor allem erzählt sie eine andere Geschichte von Chemnitz, eine Stadt, die wir so ganz anders kennen. In diesem Buch ist Chemnitz ein Sehnsuchtsort. Mutig, einzigartig, fantastisch.

»Superbusen ist der Poproman, den man nicht mehr für möglich gehalten hatte. Referenzreich, entertaining und wahrhaftig.« Linus Volkmann
Autorenporträt
Irmschler, PaulaPaula Irmschler, 1989 in Dresden geboren, zog 2010 für ihr Studium nach Chemnitz. Nach fünf mehr oder weniger erfolgreichen Jahren ging sie nach Köln, arbeitete dort als Garderobiere und schrieb eine Kolumne für »Intro« . Seitdem veröffentlichte sie Texte in »Jungle World«, »Missy Magazine« , laut.de, »Musikexpress« , »Jolie« und hat seit 2017 eine Kolumne bei »Neues Deutschland«, in der sie meist über feministische Themen schreibt. Im Herbst 2018 wurde sie bei TITANIC als Redakteurin eingestellt und konnte ihren Garderobenjob endlich an den Bügel hängen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.05.2020

Antifaschistische
Biergartenmusik
Paula Irmschlers Debüt-Roman
„Superbusen“ fühlt den Puls
Paula Irmschler kennt ihre Generation. Das offenbart die Titanic-Redakteurin in ihrem Debütroman „Superbusen“ bereits auf den ersten Seiten: Wer nicht schon nach wenigem Blättern „So ist es“ gedacht hat, kann kein smartphoneabhängiger, twitterkonsumierender, autoloser, in zu teuren Städten mit zu kleinen WG-Zimmern lebender Millennial sein. In der Eingangsszene liegt die Protagonistin Gisela in einer Berliner WG auf einer Matratze auf dem Boden und scrollt durch die Bahn-App, als ihr das Handy ins Gesicht fällt: „Wann hört so etwas eigentlich auf? Wann ist man alt genug, ein Handy zu halten?“
In „Superbusen“ kehrt Gisela nach Chemnitz zurück. Chemnitz ist die Stadt, in der sie in vielen, vielen Semestern Politikwissenschaft studiert und der sie vor sechs Monaten erst den Rücken gekehrt hatte. Jetzt reflektiert Gisela übers Weggehen und über die, die zurückbleiben. „Superbusen“ ist nicht so sehr angetrieben von einer hier relativ ereignislosen Handlung als von dem Versuch einer Gegenwartsmitschrift, dem Versuch, ein bestimmtes Milieu zu inventarisieren: die politische Linke, die in den 2010er-Jahren auszog und studierte, zum ersten Mal alleine lebte, neue soziale Kreise erschloss und sich abgrenzte. Die mit eigenen Ängsten und Unsicherheiten und Ungleichheiten kämpft und gleichzeitig mit einer sich nach rechts verschiebenden politischen Landschaft. Kinder der Neunzigerjahre, die sich den Soundtrack für ihr Leben wünschten, den Irmschler nun liefert: Oasis, Coldplay, Robyn und Beyoncé.
„Superbusen“ ist ein Poproman. Aber keiner in der Tradition der Neunzigerjahre, mit Sommerschals und Barbourjacken und einer süffisanten Verachtung für die als sinnentleert empfundene, aber unentrinnbare Gegenwart. Statt einer „Verweishölle“ ist Irmschlers Inventarisierung der Gegenwart eine Aneinanderreihung kleiner Manifeste: Auf die kulturelle Bedeutung von Britney Spears, auf WG-Küchen, in denen „meist geraucht werden darf und die Kaffeemaschine immer läuft“. Auf Pärchen, die „verschworen“ sind und „ineinandergeknubbelt“, die „immer gleich mehrere Tees“ machen und sich „gegenseitig abholen“. Auf die Leute, die einen nach dem Schwangerschaftsabbruch abholen, und auf eine Linke, die ihre Nase nicht in der „Dialektik der Aufklärung“ oder Post-Ideologie vergräbt, sondern die da ist, auch, wenn nicht gerade eine große westdeutsche Band dazu aufruft.
Irmschler schreibt politisch, und sie tut es mit einer Dringlichkeit, für die es in der Popliteratur lange keinen Platz gab. Während die Texte der früheren Popliteraten Absage waren an kollektive Bezüge, ist „Superbusen“ ein Plädoyer für das Gemeinsame. Wo Kracht und Co. Politik als Ästhetik deuteten, erkennt Irmschler Quatsch: Politik ist bei ihr Politik, und Widerstand gegen Faschisten ist keine diskursiv-ästhetische Haltung, sondern Handarbeit. Deswegen ist Irmschlers Protagonistin Antifaschistin und blockiert Nazidemos oder rennt auf dem Nachhauseweg davor weg. Sie streitet sich mit Sexisten, lästert über Polizisten und schreibt ein Lied an den Gesundheitsminister Jens „Frauenkörperregulierer“ Spahn: „Ich fress die Pille danach wie Smarties / Ich zieh dir Drogen ab auf deinen Partys.“ Was für frühere Popliteraten zu plump, zu direkt gewesen wäre, erscheint hier als Haltung.
Das hängt auch damit zusammen, dass Irmschler die Gegenwart nicht nur darüber beschreibt, welches Bier man trinkt oder welche Musik man hört, sondern auch über gesellschaftliche Ereignisse, die Deutschland noch lange definieren werden. Mit verblüffender Geschwindigkeit verarbeitet „Superbusen“ Momente, die sich in der nationalen Psyche wie gestern anfühlen: den „Trauermarsch“ in Chemnitz im August 2018, als Tausende Rechtsradikale wenigen Gegendemonstranten gegenüberstanden. Oder das anschließende Demo-Festival unter dem Motto „Wir sind mehr“. Irmschler schreibt: „Wir befürchten, dass sich da ganz viele Leute treffen werden, um sich selbst auf die Schultern zu klopfen, weil sie irgendwie verschwurbelt gegen Rechts sind, nur um dann wieder wegzufahren und sich nicht für die Strukturen und Leute vor Ort zu interessieren.“ Der Roman ist Post-Kölner-Silvesternacht, ist Post-Flüchtlingskrise, ist Ostdeutschland-„in-Zeiten-der-AfD“. Ein Poproman, der der eigenen Historizität nicht entflieht.
Die Dringlichkeit ist ambivalent. Zwar ist es schön, einer Protagonistin zu begegnen, die ihre Wut, ihre Traurigkeit, ihre Angst angesichts persönlicher und politischer Verschiebungen nicht hinter einem Schleier der Ironie verbirgt oder in den Exzess flieht. Gleichzeitig läuft „Superbusen“ aber Gefahr, weniger Literatur zu sein als eine politische Kolumne, Irmschlers Protagonistin weniger ein Charakter als eine Aneinandersammlung „richtiger“ Meinungen. Weniger Herausforderung und mehr antifaschistische Biergartenmusik. Als Leser schunkelt man dann mit, weil alles andere auch nicht cool wäre. Aber es behagt nicht, sich nicht aussuchen zu dürfen, ob man das überhaupt will.
JANNE KNÖDLER
Paula Irmschler: Superbusen. Roman. Claassen, Berlin 2020. 320 Seiten, 20 Euro.
Widerstand gegen Faschisten ist
keine diskursiv-ästhetische
Haltung, sondern Handarbeit
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2020

Umgegenderte Brachialbeschimpfung
Paula Irmschlers Debütroman "Superbusen" spielt im Antifa-Milieu zwischen Chemnitz und Berlin

Es kann schnell gehen mit der Nostalgie. Wenn in Paula Irmschlers Flatterpunk-Debütroman während einer Autofahrt von Chemnitz nach Marburg "die Fanta-Korn-Mische" die Runde macht, mag man selig an sorglose Kontaktzeiten denken: dieselbe Flasche, von Mund zu Mund. Die Gerührtheit trügt auch nicht, hat aber noch einen weiteren Grund: Nostalgie ist eine Hauptingredienz dieses Buches, und zwar gebrochene Nostalgie, denn die namenlose, nach einem Wodka-Getränk ironisch Gisela genannte Heldin weiß zwar, dass sie als Endzwanzigerin die ohnehin schon weitgedehnte Adoleszenzphase - Abhängen, Saufen, Pseudostudieren, Jobben, Nicht-Abhänger für "Erwachsene" Halten - allmählich hinter sich lassen sollte, und das nicht nur, weil es die Gesellschaft von Endzwanzigern so erwartet, aber sie hat einfach noch keinen Zugang zur Zeit danach gefunden.

Links sozialisiert, und zwar in der pragmatischen Antifa-Variante ("Wir waren nicht antiintellektuell, wir hatten nur immer anderes zu tun"), ist sich die Heldin sicher, dass Karriere lediglich etwas für "Anzugheinis" ist und Sitzplatzreservierungen im Zug "nur Arschlöcher machen". Gisela hält ein Studentenzimmer in einer ihr fremd gewordenen WG in Chemnitz, ist aber längst nach Berlin geflohen und in eine unverbindliche Problembeziehung mit dem wortkargen Paul geschlittert: "Nicht mehr hier sein, darum ging es. Dass dann woanders ein ,hier' werden würde, hatte ich wohl nicht auf dem Schirm. Wow, ganz schön was wegreflektiert in zwei Zigaretten." Deutlich ist das Bedürfnis, irgendwo anzukommen, doch sieht Gisela sich immer wieder zurückgeworfen auf die eigene Ambitionslosigkeit und eine latente Selbstverachtung, weniger wegen ihres Übergewichts als wegen ihrer Unfähigkeit, diese Nichterfüllung der Norm in positive Energie umzumünzen.

Eine Demonstration - es geht um den Aufmarsch Tausender Rechter im September 2018 - ist ein willkommener Anlass, die alten Freunde wiederzusehen, und so begibt sich die wie die Autorin aus Dresden stammende Ich-Erzählerin noch einmal nach Chemnitz: "Man ist so verdammt schnell immer wieder in Sachsen." Sympathisch wenig Beachtung schenkt das Buch dem Demo-Geschehen und der Hetzjagd-Frage. Wichtiger (und bedeutend unterhaltsamer) ist hier der lange nostalgische Rückblick auf die Jahre, in denen die Erzählerin einige Lebensfreundinnen fand und mit dreien von ihnen, Jana, Fred und Meryam, aus einer Laune heraus die Dilettantenband "Superbusen" gründete, was zu einer chaotischen Konzerttour führte. Erst kurz vor Schluss kehrt die Narration auf die Rahmenebene zurück, auf der die Selbstzweifel weitergehen, aber ebenso das Aufgefangenwerden.

Die Handlung ist also überschaubar. Es passiert aber nicht nur wenig, es wird dieses wenige auch in keiner Weise geöffnet, überhöht, poetisiert oder mit unerwarteter Bedeutung gefüllt. Kurz: "Superbusen" ist ein Dilettantenroman, nur dass das Punk-Konzept in der Literatur nicht so gut funktioniert wie in der Musik. Flott runtergelabert könnte man den Stil nennen, und das ist durchaus positiv gemeint: locker, lakonisch, gut beobachtend ("Männer haben scheinbar nie gelernt, wie man sich eines Pullovers entledigt, ohne sich dabei komplett auszuziehen"), nicht nur wegen der Listen an den gewitzten Plauderton von Blogs erinnernd, aber mit der Zeit eben doch recht eintönig.

Originell ist auch auf inhaltlicher Ebene wenig. Neben langatmigen Beschreibungen von typischen WG-Problemen oder bemühten Bahn-Witzen ("Eine Fahrt wie im letzten Jahrtausend. Kein Strom, kein Kaffee und, wie normal in Deutschland, kein Internetempfang") übt sich die Autorin in Regional-Ethnographie, assoziiert aber dann Köln einfallslos mit Betrunkenen im Karneval und Chemnitz mit Grau. Bei Marburg wird es etwas individueller: "wie die Kulisse einer cooleren Version von Marienhof". Es gibt daneben eine zwar spätestens seit Charlotte Roche nicht mehr sonderlich radikale, aber doch emanzipatorische Aufmerksamkeit für weibliche Körperlichkeit von "Untenrumschmerzen" und Masturbationen ("man könnte es auch wichsen nennen, weil das der treffendere Ausdruck ist") bis zu Rasurverweigerung ("vor allem ein Diktat unter Frauen") und Schwangerschaftsabbruch. Popliteratur könnte das genannt werden, nicht wegen der eher platten Musikreferenzen, sondern wegen der energischen Ausrichtung aufs Hier und Heute. Nur ist die künstlerische Werkhöhe so gering, dass die Bezeichnung wohl doch zu hoch griffe.

Die starken Momente des Buches sind die, in denen Irmschler nahe bei sich und ihrer Generation ist: das Bleiben im Osten, um diesen nicht den Rechten zu überlassen, die kuriosen Rivalitäten innerhalb der Linken, das interesselose Studieren, nur weil man "geil auf das BAföG" war, eine zunehmend verzweifelt wirkende Flucht in die Ironie. Leider kommt etwas hinzu, das sich vielleicht selbst für Feminismus hält, aber doch nur wie Aversion wirkt. Männer, die nicht zur direkten Bezugsgruppe gehören, sind hier so gut wie immer sexistische Anbaggerer, Pöbler, Mobber, Nazis, brüllende Fußballfans, brüllende Zocker, Muskelshirt-Trottel in "motorisierten Pimmeln" oder Homophobe. Sie haben so viel Angst vor Berührungen, dass sie sich nicht einmal zu viert in einen Passbildautomaten wagen, weshalb dann nur einer "seinen hässlichen Pimmel vor der Linse auspackte". Solche Männer mag es geben, aber hier fühlt es sich doch eher an, als wäre man bei Mario Barth gelandet, nur eben in umgegenderter Variante. Trösten dürfen sich Männer allenfalls mit dieser Erkenntnis: "Frauen konnten natürlich auch scheiße sein. Aber das war eher die Ausnahme."

OLIVER JUNGEN

Paula Irmschler: "Superbusen". Roman.

Claassen Verlag, Berlin 2020. 320 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Flott runtergelabert" nennt Oliver Jungen diesen Roman und das bedeutet für den Kritiker zunächst nichts Schlechtes. Denn die "locker und gut beobachtete" erzählte Geschichte um Langzeitstudentin Gisela, die ihre Freunde, mit der sie einst die Band "Superbusen" gründete, auf einer Antifa-Demo in Chemnitz wiedertrifft und voller Nostalgie auf die alten Zeiten zurückblickt, lässt sich schnell weglesen, findet der Rezensent. Allerdings passiert auch nicht allzu viel, und die Originalität hält sich ebenfalls in Grenzen, fährt der Kritiker fort und ergänzt: Für das Etikett "Popliteratur" reichen die Schilderungen aus dem WG-Leben, Punk-Anleihen, feministischen Exkurse, Auslassungen über Männer und Städteporträts im Roman dann doch nicht. Die Beobachtungen zum Leben im Osten lohnen die Lektüre aber durchaus, schließt er gnädig.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein mitreißendes, ein stellenweise sehr komisches, ein zärtliches Debüt, das wahrhaftig vom Leben in gegenwärtigen Zeiten erzählt." MDR Kultur 20200331
Antifaschistische
Biergartenmusik

Paula Irmschlers Debüt-Roman
„Superbusen“ fühlt den Puls

Paula Irmschler kennt ihre Generation. Das offenbart die Titanic-Redakteurin in ihrem Debütroman „Superbusen“ bereits auf den ersten Seiten: Wer nicht schon nach wenigem Blättern „So ist es“ gedacht hat, kann kein smartphoneabhängiger, twitterkonsumierender, autoloser, in zu teuren Städten mit zu kleinen WG-Zimmern lebender Millennial sein. In der Eingangsszene liegt die Protagonistin Gisela in einer Berliner WG auf einer Matratze auf dem Boden und scrollt durch die Bahn-App, als ihr das Handy ins Gesicht fällt: „Wann hört so etwas eigentlich auf? Wann ist man alt genug, ein Handy zu halten?“

In „Superbusen“ kehrt Gisela nach Chemnitz zurück. Chemnitz ist die Stadt, in der sie in vielen, vielen Semestern Politikwissenschaft studiert und der sie vor sechs Monaten erst den Rücken gekehrt hatte. Jetzt reflektiert Gisela übers Weggehen und über die, die zurückbleiben. „Superbusen“ ist nicht so sehr angetrieben von einer hier relativ ereignislosen Handlung als von dem Versuch einer Gegenwartsmitschrift, dem Versuch, ein bestimmtes Milieu zu inventarisieren: die politische Linke, die in den 2010er-Jahren auszog und studierte, zum ersten Mal alleine lebte, neue soziale Kreise erschloss und sich abgrenzte. Die mit eigenen Ängsten und Unsicherheiten und Ungleichheiten kämpft und gleichzeitig mit einer sich nach rechts verschiebenden politischen Landschaft. Kinder der Neunzigerjahre, die sich den Soundtrack für ihr Leben wünschten, den Irmschler nun liefert: Oasis, Coldplay, Robyn und Beyoncé.

„Superbusen“ ist ein Poproman. Aber keiner in der Tradition der Neunzigerjahre, mit Sommerschals und Barbourjacken und einer süffisanten Verachtung für die als sinnentleert empfundene, aber unentrinnbare Gegenwart. Statt einer „Verweishölle“ ist Irmschlers Inventarisierung der Gegenwart eine Aneinanderreihung kleiner Manifeste: Auf die kulturelle Bedeutung von Britney Spears, auf WG-Küchen, in denen „meist geraucht werden darf und die Kaffeemaschine immer läuft“. Auf Pärchen, die „verschworen“ sind und „ineinandergeknubbelt“, die „immer gleich mehrere Tees“ machen und sich „gegenseitig abholen“. Auf die Leute, die einen nach dem Schwangerschaftsabbruch abholen, und auf eine Linke, die ihre Nase nicht in der „Dialektik der Aufklärung“ oder Post-Ideologie vergräbt, sondern die da ist, auch, wenn nicht gerade eine große westdeutsche Band dazu aufruft.

Irmschler schreibt politisch, und sie tut es mit einer Dringlichkeit, für die es in der Popliteratur lange keinen Platz gab. Während die Texte der früheren Popliteraten Absage waren an kollektive Bezüge, ist „Superbusen“ ein Plädoyer für das Gemeinsame. Wo Kracht und Co. Politik als Ästhetik deuteten, erkennt Irmschler Quatsch: Politik ist bei ihr Politik, und Widerstand gegen Faschisten ist keine diskursiv-ästhetische Haltung, sondern Handarbeit. Deswegen ist Irmschlers Protagonistin Antifaschistin und blockiert Nazidemos oder rennt auf dem Nachhauseweg davor weg. Sie streitet sich mit Sexisten, lästert über Polizisten und schreibt ein Lied an den Gesundheitsminister Jens „Frauenkörperregulierer“ Spahn: „Ich fress die Pille danach wie Smarties / Ich zieh dir Drogen ab auf deinen Partys.“ Was für frühere Popliteraten zu plump, zu direkt gewesen wäre, erscheint hier als Haltung.

Das hängt auch damit zusammen, dass Irmschler die Gegenwart nicht nur darüber beschreibt, welches Bier man trinkt oder welche Musik man hört, sondern auch über gesellschaftliche Ereignisse, die Deutschland noch lange definieren werden. Mit verblüffender Geschwindigkeit verarbeitet „Superbusen“ Momente, die sich in der nationalen Psyche wie gestern anfühlen: den „Trauermarsch“ in Chemnitz im August 2018, als Tausende Rechtsradikale wenigen Gegendemonstranten gegenüberstanden. Oder das anschließende Demo-Festival unter dem Motto „Wir sind mehr“. Irmschler schreibt: „Wir befürchten, dass sich da ganz viele Leute treffen werden, um sich selbst auf die Schultern zu klopfen, weil sie irgendwie verschwurbelt gegen Rechts sind, nur um dann wieder wegzufahren und sich nicht für die Strukturen und Leute vor Ort zu interessieren.“ Der Roman ist Post-Kölner-Silvesternacht, ist Post-Flüchtlingskrise, ist Ostdeutschland-„in-Zeiten-der-AfD“. Ein Poproman, der der eigenen Historizität nicht entflieht.

Die Dringlichkeit ist ambivalent. Zwar ist es schön, einer Protagonistin zu begegnen, die ihre Wut, ihre Traurigkeit, ihre Angst angesichts persönlicher und politischer Verschiebungen nicht hinter einem Schleier der Ironie verbirgt oder in den Exzess flieht. Gleichzeitig läuft „Superbusen“ aber Gefahr, weniger Literatur zu sein als eine politische Kolumne, Irmschlers Protagonistin weniger ein Charakter als eine Aneinandersammlung „richtiger“ Meinungen. Weniger Herausforderung und mehr antifaschistische Biergartenmusik. Als Leser schunkelt man dann mit, weil alles andere auch nicht cool wäre. Aber es behagt nicht, sich nicht aussuchen zu dürfen, ob man das überhaupt will.

JANNE KNÖDLER

Paula Irmschler: Superbusen. Roman. Claassen, Berlin 2020. 320 Seiten, 20 Euro.

Widerstand gegen Faschisten ist
keine diskursiv-ästhetische
Haltung, sondern Handarbeit

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de

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