Kinder im Optimierungskarussell
"Ich möchte aufzeigen, dass Bemühungen und Fürsorge um Kinder nicht im Optimierungswahn enden müssen, auch wenn es bisweilen ausweglos erscheint, sich den wahnhaften Bestrebungen zu widersetzen." (89)
Damit beschreibt Michael Schulte-Markwort, Arzt für Kinder-
und Jugendpsychiatrie mit langjähriger Berufserfahrung, treffend den Spagat zwischen Fürsorge und…mehrKinder im Optimierungskarussell
"Ich möchte aufzeigen, dass Bemühungen und Fürsorge um Kinder nicht im Optimierungswahn enden müssen, auch wenn es bisweilen ausweglos erscheint, sich den wahnhaften Bestrebungen zu widersetzen." (89)
Damit beschreibt Michael Schulte-Markwort, Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie mit langjähriger Berufserfahrung, treffend den Spagat zwischen Fürsorge und Kontrolle, zwischen Forderung und Förderung, zwischen unbeschwerter Kindheit und realen gesellschaftlichen Lebensbedingungen.
Es geht nicht darum, aus dem Karussell auszusteigen, sondern eher darum, das Tempo zu regulieren. Der Autor beschreibt, wie Familien Einfluss nehmen können auf die Steuerung des Karussells. Zu diesem Zweck untersucht er die Situation der Kinder und der Eltern, beschreibt die familiäre Wirklichkeit und die gesellschaftlichen Zwänge, um im letzten Hauptkapitel das Handwerkszeug für den eigenen Weg vorzustellen.
Schulte-Markwort stellt zahlreiche Fallbeispiele vor. Dadurch werden die Ausführungen lebendiger und greifbarer. Denn viele Begriffe sind relativ und in abstrakten Beschreibungen nur schwer zu deuten. Was für den einen Forderung ist, ist für den anderen Überforderung, was für den einen Fürsorge ist, ist für den anderen Kontrolle. Die Beispiele tragen dazu bei, einen gesunden Mittelweg zu finden.
Auffallend sind die überwiegenden Fälle aus Akademikerfamilien, in denen die Hauptsorge zu sein scheint, die Kinder zum Abitur zu führen. Was ist mit Arbeiterfamilien, was mit Hauptschülern, Förderschülern, Realschülern? Haben die keine Probleme oder sind die Eltern weniger ehrgeizig oder sind die sowieso schon durchs Raster gefallen? Das Thema kommt zu kurz. Der Autor blendet Teile der gesellschaftlichen Realität aus oder wird mit Teilen der gesellschaftlichen Realität beruflich nicht konfrontiert.
Schulte-Markwort kritisiert die gute alte Zeit, dargestellt am Beispiel Bullerbü (248), und relativiert die Smartphone-Abhängigkeit als Randerscheinung (104). Es bedarf der genauen Analyse, ob die Gefahr durch die Beatles-Manie vergleichbar ist mit der heutigen Gefahr durch die Cybertechnik. So ist (nicht nur) Hirnforscher Manfred Spitzer davon überzeugt, dass die heutige Jugend zunehmend unter Empathieverlust leidet. Man muss nicht die Meinung von Spitzer vertreten, sollte argumentativ dann aber mehr zu bieten haben als den Vergleich mit den Beatles oder den alten Griechen.
Die kritischen Anmerkungen sollen nicht den Eindruck entstehen lassen, dass Schulte-Markwort polarisiert. Er argumentiert ausgewogen unter Hinzunahme verschiedener Perspektiven und findet, belegt anhand zahlreicher Fallbeschreibungen, Lösungen, mit denen alle Beteiligten leben können. Insbesondere analysiert er die Ursachen von Verhaltensauffälligkeiten und entwickelt angemessene Gegenmaßnahmen.
"Wenn dieses Buch Ihnen neue Perspektiven vermitteln kann, Denk- und Erlebnisstrukturen ermöglicht, mit denen Sie Ihre Situation zu Hause anders verstehen und angehen können, ist alles gewonnen, was mir am Herzen liegt." (21) Dem ist nichts hinzuzufügen.