Angst vor dem Wettrüsten, Angst vor Waldsterben und Kernkraft, Angst vor wachsender sozialer Unsicherheit. Inmitten des von Untergangsstimmung und Zivilisationszweifeln beherrschten Klimas der 80er Jahre ließen sich Millionen verunsicherter Zeitgenossen von Reportagen und Ratgebern fesseln, in denen sich Überlebenspioniere nur mit Messer und Lendenschurz ausgestattet durch den Dschungel schlugen. Die verkümmerten Überlebensinstinkte sollten reaktiviert, Wohlstandsbürger für den Überlebenskampf in der vom Kollaps bedrohten urbanen Welt fit gemacht werden. Anhand des eigentümlichen Genres der Survival-Literatur spürt Philipp Schönthaler der bizarr-bedrohungsseligen Stimmung der 80er Jahre nach, die sich auch in Popkultur, Kino und Freizeittrends niederschlug. Dabei werden die Abenteuererzählungen und Lebensanweisungen des Survival in einen Zusammenhang mit Überlebens-berichten von Daniel Defoe über Rüdiger Nehberg bis Reinhold Messner gestellt, um im Anschluss mit Blick auf unsere Gegenwart auszuloten, wie das Training für den Untergang angesichts nicht enden wollender Wirtschaftskrisen und Kriege einen neuen Boom erlebt.
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Die Betrachtungen sind umfassend, manchmal etwas ausufernd. Die bisweilen akademische Sprache macht das mäandernde Werk nicht gerade leicht zugängig. Aber vielleicht gehört das einfach zum Thema. Der Nehberg des 21. Jahrhunderts heißt übrigens Bear Grylls. Noch härter, noch mehr Drill, noch mehr Selbstdarstellung, professioneller visualisiert. Survival als Selfie.
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Philipp Schönthaler: "Survival in den 80er Jahren. Der dünne Pelz der Zivilisation". Matthes & Seitz, Berlin 2016, 22,90 Euro
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Oliver Pfohlmann schätzt den Überlebensratgeber von Philipp Schönthaler, weil dieser Fiktionen und Fantasmen des Genres auf erfrischend originelle Weise herausfiltert, wie er schreibt. Wenn der Autor Survival-Typen nach Jahrgängen klassifiziert, kann Pfohlmann was lernen, etwa warum der Einzelgänger und Leidüberwinder Rüdiger Nehberg gerade in der Thatcher-Ära reüssierte oder warum die Selbstversorgung seit der Finanzkrise wieder en vogue ist. Darüber hinaus findet Pfohlmann in Schönthalers Essay Seitenblicke auf die Romanlitertur und Reality-Shows.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Schönthaler arbeitet klug heraus, wie sich die Survivalszene aus linken Ideen und streng konservativen US-Utopisten speist.« - Holger Kreitling, Die Welt, April 2016 Holger Kreitling Die WELT 20160402