Mein Name ist Schimmel, Susi SchimmelSie hat eine Mission, sie ist unerbittlich und sie ist nicht allein: Susi Schimmel. Sie und ihre Artgenossen haben sich dem Verfaulen und Vergammeln verschrieben und es gibt nur wenig, vor dem sie Halt machen. Sie lauern in Jausenboxen, hinter Schlafzimmerschränken, in dunklen Kellerecken und sogar auf Babypopos und zwischen den Zehen. Leonora Leitl hat mit Susi Schimmel eine neue Antiheldin gefunden, die sich nach "Gerda Gelse" und "Willi Virus" freudig in das erfolgreiche Genre der Sachbilderbücher einreiht. Informativ berichtet sie aus ihrem Pilzleben, schwärmt von den wunderbaren Farben, mit denen sie Lebensmittel und Wände überzieht, schimpft über ihre ruhmsüchtigen Verwandten, die bei der Erzeugung von edlem Käse und Penicillin mithelfen, und berichtet von so mancher großer Errungenschaft. So sollen Archäologen, die das Grab des Pharaos Tutanchamun entdeckten, angeblich einige Jahre später auf mysteriöse Weise verstorben sein ... wer da wohl seine Sporen mit im Spiel hatte?Beim nächsten Blick in die Jausenbox denkt an mich! Servus, eure Susi SchimmelTipps:erfolgreiches Konzept: Sachbilderbuchaus dem Alltagsleben der Kindererzählerisch und informativ zugleichAuszeichnungen:Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien 2018
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.02.2019Pelzige Wesen
Über Schimmel und das Verfaulen
Die Ferien neigen sich dem Ende zu, morgen geht es wieder in die Schule oder den Kindergarten, da stoßen die Eltern auf ein farbenprächtiges Fundstück. Dieses bewohnt die Brotzeitdose und hatte während der freien Wochen Zeit, sich mal so richtig selbst zu verwirklichen. Es zählt ja zu den großen Kindheitskonstanten, das Pausenbrot erstens nicht aufzuessen und zweitens über die Ferien im Schulranzen liegen zu lassen. Die Entsorgung samt Gemecker übernehmen sowieso die Eltern – ist doch auch eklig, denn meist hat ein üppig-plüschiger Pelz die Ex-Lebensmittel überzogen. Wenn das grünliche Wesen in der Brotzeitdose fröhlich „Hallo!“ rufen würde, wäre das keine große Überraschung.
Es sind kleine Erlebnisse wie dieses, die Kindern (und Erwachsenen) die Existenz von Schimmelpilzen ins Bewusstsein rufen. Aha, es existieren also seltsame kleine Wesen, die das Pausenbrot auffuttern, das man selbst nicht anrühren wollte. Bäh! Eltern könnten nun die nächste schimmelige Pausenbrot-Überraschung nutzen, um gemeinsam mit ihren Kindern das Bilderbuch „Susi Schimmel. Vom Verfaulen und Vergammeln“ der österreichischen Grafikerin und Autorin Leonora Leitl zu lesen.
Denn es ist ja schon schön zu wissen, mit wem man es da zu tun hat, wenn man einen pelzigen Untermieter in der Brotzeitdose findet. Vermutlich handelt es sich dabei also um einen Vertreter der Art Rhizopus stolonifer, wie der gemeine Brotschimmel von gelehrten Menschen genannt wird. Leonora Leitl stellt diese Wesen grafisch als fröhlich-freundliche Kugelkopf-Tiere dar, die aussehen, als habe man Pusteblumen mit Mützen tragenden Kleinkindern gekreuzt. Überhaupt wirken die vielen Schimmelarten in dem Buch sehr liebenswürdig und menschlich. Die Figur Susi Schimmel selbst trägt eine gepunktete Strubbelfrisur, die auf Getreide spezialisierten Fusarium-Pilze gleichen zipfelbemützten Raupen, und Penicillium aus der Familie der Pinselschimmel sieht aus, als sei er mit einem leicht übellaunigen Brokkoli verwandt.
Auf bunten Doppelseiten führt Leonora Leitl ins Reich der Schimmelpilze und lässt staunen. Die Textmenge ist übersichtlich, aber absolut ausreichend, um einen Eindruck von den Wesen zu bekommen, die Brotzeitdosen, Badezimmerwände oder Kühlschrankinsassen bewohnen. Dabei lernen die Leser von einem Alter von vielleicht vier Jahren an, wie sich Pilze vermehren. Welche Aufgaben sie in Ökosystemen übernehmen und auch, dass sie eine Existenzform darstellen, die nicht Tier, aber auch nicht Pflanze ist. Und, auch solche kleinen, feinen Wissenshappen bietet das Bilderbuch, dass ein Pilz das größte Wesen der Welt ist: ein Honiggelber Hallimasch, dessen Fadengeflecht eine Fläche von etwa vier Fußballfeldern durchdringt und das Gewicht von vier Blauwalen auf die Waage bringt.
Die feine Einführung ins Reich der Schimmelpilze verdeutlicht auch, dass die pelzigen Wesen nicht nur Dinge zerstören und zersetzen, sondern auch Erwünschtes zu erschaffen helfen. Denn Käse zum Beispiel ist nichts anderes als verschimmelte Milch. Was nun aber nicht bedeutet, dass es eine gute Idee ist, Milch in eine Tupperdose zu füllen und diese dann ein paar Wochen im Schulranzen zu vergessen. Andererseits: Vielleicht wäre das auch ein lustiges Experiment.
SEBASTIAN HERRMANN
Leonora Leitl: Susi Schimmel – Vom Verfaulen und Vergammeln. Tyrolia Verlag, Innsbruck 2018.
26 Seiten, 14,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Über Schimmel und das Verfaulen
Die Ferien neigen sich dem Ende zu, morgen geht es wieder in die Schule oder den Kindergarten, da stoßen die Eltern auf ein farbenprächtiges Fundstück. Dieses bewohnt die Brotzeitdose und hatte während der freien Wochen Zeit, sich mal so richtig selbst zu verwirklichen. Es zählt ja zu den großen Kindheitskonstanten, das Pausenbrot erstens nicht aufzuessen und zweitens über die Ferien im Schulranzen liegen zu lassen. Die Entsorgung samt Gemecker übernehmen sowieso die Eltern – ist doch auch eklig, denn meist hat ein üppig-plüschiger Pelz die Ex-Lebensmittel überzogen. Wenn das grünliche Wesen in der Brotzeitdose fröhlich „Hallo!“ rufen würde, wäre das keine große Überraschung.
Es sind kleine Erlebnisse wie dieses, die Kindern (und Erwachsenen) die Existenz von Schimmelpilzen ins Bewusstsein rufen. Aha, es existieren also seltsame kleine Wesen, die das Pausenbrot auffuttern, das man selbst nicht anrühren wollte. Bäh! Eltern könnten nun die nächste schimmelige Pausenbrot-Überraschung nutzen, um gemeinsam mit ihren Kindern das Bilderbuch „Susi Schimmel. Vom Verfaulen und Vergammeln“ der österreichischen Grafikerin und Autorin Leonora Leitl zu lesen.
Denn es ist ja schon schön zu wissen, mit wem man es da zu tun hat, wenn man einen pelzigen Untermieter in der Brotzeitdose findet. Vermutlich handelt es sich dabei also um einen Vertreter der Art Rhizopus stolonifer, wie der gemeine Brotschimmel von gelehrten Menschen genannt wird. Leonora Leitl stellt diese Wesen grafisch als fröhlich-freundliche Kugelkopf-Tiere dar, die aussehen, als habe man Pusteblumen mit Mützen tragenden Kleinkindern gekreuzt. Überhaupt wirken die vielen Schimmelarten in dem Buch sehr liebenswürdig und menschlich. Die Figur Susi Schimmel selbst trägt eine gepunktete Strubbelfrisur, die auf Getreide spezialisierten Fusarium-Pilze gleichen zipfelbemützten Raupen, und Penicillium aus der Familie der Pinselschimmel sieht aus, als sei er mit einem leicht übellaunigen Brokkoli verwandt.
Auf bunten Doppelseiten führt Leonora Leitl ins Reich der Schimmelpilze und lässt staunen. Die Textmenge ist übersichtlich, aber absolut ausreichend, um einen Eindruck von den Wesen zu bekommen, die Brotzeitdosen, Badezimmerwände oder Kühlschrankinsassen bewohnen. Dabei lernen die Leser von einem Alter von vielleicht vier Jahren an, wie sich Pilze vermehren. Welche Aufgaben sie in Ökosystemen übernehmen und auch, dass sie eine Existenzform darstellen, die nicht Tier, aber auch nicht Pflanze ist. Und, auch solche kleinen, feinen Wissenshappen bietet das Bilderbuch, dass ein Pilz das größte Wesen der Welt ist: ein Honiggelber Hallimasch, dessen Fadengeflecht eine Fläche von etwa vier Fußballfeldern durchdringt und das Gewicht von vier Blauwalen auf die Waage bringt.
Die feine Einführung ins Reich der Schimmelpilze verdeutlicht auch, dass die pelzigen Wesen nicht nur Dinge zerstören und zersetzen, sondern auch Erwünschtes zu erschaffen helfen. Denn Käse zum Beispiel ist nichts anderes als verschimmelte Milch. Was nun aber nicht bedeutet, dass es eine gute Idee ist, Milch in eine Tupperdose zu füllen und diese dann ein paar Wochen im Schulranzen zu vergessen. Andererseits: Vielleicht wäre das auch ein lustiges Experiment.
SEBASTIAN HERRMANN
Leonora Leitl: Susi Schimmel – Vom Verfaulen und Vergammeln. Tyrolia Verlag, Innsbruck 2018.
26 Seiten, 14,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Wer hat nicht schon Bekanntschaft mit ihr geschlossen: Susi Schimmel - die Bewohnerin des alten Pausenbrotes und ihre pelzigen Freunde die Fusarium-Pilze, die Penicillium und die Rhizopus stolonifer. Rezensent Sebastian Herrmann zumindest weiß wovon die Autorin spricht und empfiehlt Eltern, die nächste gammlige Brotbox zum Anlass zu nehmen, um dieses farbenfrohe und anschauliche Buch mit ihren Kindern zu lesen. Hier erfährt man allerlei Interessantes, Wissenswertes und Überraschendes über die Welt der Schimmelpilze. Die Texte sind prägnant, lehrreich und unterhaltsam, die Bilder fröhlich und originell, so der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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