"Da leben die Toten." Nur das dichterische Wort führt zu ihnen, alles hängt von seiner Gnade ab. Zwischen all den Gesichtern sucht der Dichter das Gesicht einer geliebten Frau. Er findet sie, doch die Scheibe des Todes trennt unerbittlich. Nur sein Wort, sein Gedicht vermag sie zu erreichen: "Ich will dir ein Gedicht vorlesen, über dich ... Hör zu!""Auswendig, Liebster, kenn ich das Gedicht, ich selbst gab dir die Worte." Die Begegnung über das Wort versöhnt nicht mit dem Tod. Er kann seine Lippen gegen die Scheibe pressen, wenn er aber versucht, sie mit dem Kopf zu durchbrechen, zerstört er das Aquarium, zerstört er die Vision. Dies ist die Prosa eines Lyrikers. Es geht ihm nicht einfach um die Dokumentation der Verbrechen Deutscher, sondern um die Toten und die Überlebenden, es geht um das behutsame dichterische Wort, das sie beide verbindet.
"Unzählige Schatten gehen durch Sutzkevers kurze, dichte Erzählungen, angeleuchtet von der Erinnerung, von einem jäh schmerzenden Nerv wie vom Blitz erhellt. Die Mörder des 20. Jahrhunderts machten die literarische Gattung der Totengespräche für Generationen zur einzig vertretbaren Form. Sutzkevers 'Kurze Beschreibungen' - Totengespräche in Permanenz - erlösen die Toten aus ihrem kreisenden Stillstand. In ihrem Leid, ihrer widerständigen, kühnen Schönheit und Freiheit kommen sie hier für immer zum Leben." (Marie-Luise Bott, Die Zeit)