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Die Kehrseite des amerikanischen Traums - meisterhafte Erzählungen von E.L. Doctorow Fünf Erzählungen, die das "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" in all seiner Beschränktheit zeigen - ob in der Provinz oder in der Stadt. Das Weiße Haus versucht, den Fund einer Kinderleiche auf dem Gelände zu vertuschen, was einen FBI-Agenten zu eigenen Untersuchungen veranlasst; Jolene macht mit 16 einen Fehler, den sie ihr ganzes Leben bereuen soll, und in einem Farmhaus in Illinois gehen die seltsamsten Dinge vor sich. Wir lesen von den moralischen Gedanken eines Paars, das sich mit einem gekidnappten…mehr

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Produktbeschreibung
Die Kehrseite des amerikanischen Traums - meisterhafte Erzählungen von E.L. Doctorow Fünf Erzählungen, die das "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" in all seiner Beschränktheit zeigen - ob in der Provinz oder in der Stadt. Das Weiße Haus versucht, den Fund einer Kinderleiche auf dem Gelände zu vertuschen, was einen FBI-Agenten zu eigenen Untersuchungen veranlasst; Jolene macht mit 16 einen Fehler, den sie ihr ganzes Leben bereuen soll, und in einem Farmhaus in Illinois gehen die seltsamsten Dinge vor sich. Wir lesen von den moralischen Gedanken eines Paars, das sich mit einem gekidnappten Baby auf der Flucht befindet, und von der haarsträubenden Naivität eines Rechtsanwalts in einer religiösen Sekte. Geschichten von den Verlierern in der amerikanischen Gesellschaft: Menschen, die um ihre Existenz und ihre Würde kämpfen müssen.Die Geschichten wurden mehrfach ausgezeichnet und von der amerikanischen Kritik gefeiert.
Autorenporträt
E. L. Doctorow, geboren 1931 in New York, hat ein umfangreiches erzählerisches Werk vorgelegt und zahlreiche literarische Auszeichnungen erhalten, darunter den "Saul Bellow Award for Achievement in American Fiction" im Jahr 2012. Der Autor verstarb 2015.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.03.2006

Schöner können wir nicht niedergehen
Verknappung der Kampfzone: In seinen neuen Stories zeigt sich E. L. Doctorow in unerbittlicher Bestform

Manchmal genügt ein einziger Satz, um die Wirklichkeit neu zu erfinden. "Mama sagte, ich sei von jetzt an ihr Neffe und solle sie Tante Dora nennen." So beginnt die erste Story in E. L. Doctorows neuem Band und macht mit diesen dürren Worten sofort klar, wie das Erzählgelände, dem wir darin ausgesetzt werden, beschaffen ist: tückisch, wandelbar und täuschend echt. Was soll diese Umbenennung? Was mag eine Mutter treiben, ihren Sohn als Neffen auszugeben? Fürsorge, Arglist oder schieres Spiel? Nur ganz allmählich, fast behutsam, gibt die Erzählung ihre schauerliche Wahrheit über "Mama" respektive "Tante Dora" preis. Doch wie wenn sich die Bodendiele an der Schwelle eines alten Hauses löst und den Blick beim Eingang auf ein schwarzes Kellerloch freigibt, erregt diese Eröffnung beiläufig Verdacht. "Ein Haus in der Ebene" heißt die Erzählung schlicht und harmlos. Unter der Ebene aber, das ahnen wir mit ihrem ersten Satz, wartet der Abgrund.

Kaum ein paar Randbeobachtungen braucht es - Hochbahnen, Hufgeklapper, Schreie aus dem Schlachthof oder aber Silos, Maisfelder, schnurgerade Landstraßen, Schindelfassaden -, um Zeit und Orte festzulegen: Chicago und das westliche Farmvorland der Metropole in den zwanziger Jahren. So plastisch wie präzise läßt der Erzähler eine Welt für uns entstehen, in deren Anständigkeit und Ordnung wir uns gleich zurechtzufinden glauben und doch leichter ins Schlittern kommen, als uns lieb ist. Die Schieflage ist fast unmerklich. Erst wenn wir ihm schon längst verfallen und unsere bewährten Moralmaßstäbe hoffnungslos verrutscht sind, stellt sich mit einem Mal heraus, welcher Absturz hier bevorsteht. Schöner aber könnten wir nicht niedergehen. Die Meisterschaft Doctorows zeigt sich darin, wie lässig er den Plot einfädelt, die Leser freundlich zu Komplizen macht und die Reißleine erst zieht, wenn alles längst zu spät ist.

Tschechow soll einmal erklärt haben, er pflege nach der Niederschrift seiner Erzählungen Anfang und Schluß einfach wegzuschneiden, bevor er sie in Druck gebe. Ebenso scheint Doctorow bei den "Sweet Land Stories" vorzugehen. Souverän arbeitet er mit Aussparungen, abrupten Einstiegen und harten Schnitten und nötigt uns nur um so wirksamer zur Mitarbeit durch Imagination. Dadurch gelingt es ihm sogar, auf bloß vierzig Seiten zehn Jahre eines bewegten Lebens zu verfolgen, das Stoff für einen Roman bieten würde. Statt Ausweitung jedoch setzt er auf Verknappung und zeigt bloß schlaglichtartig, dafür um so erhellender, was für die eigene Vorstellungsarbeit unerläßlich ist. So bringt er uns die Figuren anrührend nah, ohne seine Distanz aufkündigen zu müssen.

Seit mehr als vier Jahrzehnten ist dieser Autor für sein gekonntes, zuweilen virtuoses Spiel mit Genrekonventionen und Erzählmustern bekannt. Mittlerweile fünfundsiebzigjährig, verzichtet er diesmal auf Schaueffekte seiner Kunst und widmet ihre Mittel ganz der Erkundung einer einzigen Frage: warum nämlich das Erfinden neuer Wirklichkeiten so lebensgefährlich wie zugleich überlebenswichtig ist.

Nach Schauplatz und Figuren sind die fünf neuen Stories völlig unterschiedlich. Wir lesen von einer professionellen Witwe aus den Zwanzigern, einem späten Hippie-Pärchen, das sein Glück mit einer Kindesentführung entdeckt, von einem geschundenen, doch hoffnungsstarken Frauenleben, einer fundamentalistischen Dorfsekte und einem mysteriösen Leichenfund am Weißen Haus. Gemeinsam ist allen Geschichten, daß sie die wahre Wirkungsmacht erfundener Wirklichkeiten - und damit das Erzählen von Geschichten selbst - gezielt auf die Probe stellen.

Zu Zeiten, da mit Truman Capote der sogenannte Tatsachenroman erneut weithin gefeiert wird, lohnt sicher die Besinnung darauf, was dagegen die Fiktion vermag und wie unverzichtbar sie selbst für die Darstellung alles Tatsächlichen doch ist. "Manchmal frage ich mich", meinte Doctorow schon vor zwanzig Jahren in einem Interview, "ob die Leute nicht mehr merken, was Fiktion bewirken kann, als glaubten sie, das Leben spiele hier und die Fiktion dort, ohne Verbindung zueinander." Dabei zeigt gerade der große amerikanische Traum vom Glück, wie sehr der Drang zu neuer Selbsterfindung alles Leben unentwegt dem Zauber wie dem Zwang der Fiktionalisierung unterstellt. Womöglich verwischt hier manchmal die prekäre Linie, die solches Glücksversprechen eigentlich wohl vom Verbrecherischen trennt. Jedenfalls erzählen diese "Sweet Land Stories" von der Macht, mit der rückhaltlose Träumer ihre Lebenswelt kaltblütig auf Kosten anderer versüßen.

Das alles wird so knapp und unerbittlich wie fesselnd und - in Angela Praesents vorzüglicher Übersetzung - sprachmächtig dargeboten, daß man sich der Wirkung nicht entziehen will. Darum ist es fast egal, wovon die einzelnen Geschichten handeln. Entscheidend ist, daß sie uns treiben, mit jedem Satz die Wirklichkeit, in der wir uns geborgen glauben, neu zu finden.

E. L. Doctorow: "Sweet Land Stories". Aus dem Englischen übersetzt von Angela Praesent. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006. 188 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Fesselnd, verstörend, wunderbar boshaft ... In der Tradition der allerbesten amerikanischen Prosa lassen die Erzählungen den amerikanischen Traum zerplatzen, um dessen Kehrseite zu durchleuchten. Diese Geschichten offenbaren Doctorows erzählerisches Geschick." Los Angeles Times
"E.L. Doctorow schreibt Geschichten wie filmreife Drehbücher. Rasant, voller Überraschungen, hochspannend, exzellent aufgebaut und meisterhaft geschrieben." Hamburger Abendblatt

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Tückisch, wandelbar und täuschend echt" findet Rezensent Tobias Döring diese fünf neuen Erzählungen von E. L. Doctorow. Besonders bewundert Döring Doctorows Meisterschaft beim Spiel mit "Genrekonventionen und Erzählmustern", die fast unmerklich zum Absturz der hier beschriebenen Welten führen. Dieses Mal verzichte Doctorow sogar auf die "Schaueffekte" seiner Kunst und gehe ganz auf in seiner Erkundung der Zusammenhänge von Fiktion und der Darstellung des Tatsächlichen. Meisterhaft, findet Döring, der auch Angela Praesents Übersetzung als "sprachmächtig" lobt.

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