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Der berühmte und in seiner Heimat verehrte Musiker Taduno lebt seit drei Monaten im politischen Exil, weil er sich weigert, Loblieder auf das Regime zu singen. Eines Tages erreicht ihn ein Brief von seiner großen Liebe Lela, und was er liest, klingt nicht gut. Voller Sorge kehrt Taduno in sein von Diktatur und Bürgerkrieg gezeichnetes Land zurück. Erstaunt stellt er fest, dass niemand mehr weiß, wer er ist, dass selbst Nachbarn und Freunde ihn nicht mehr erkennen. Es ist, als hätte er nie existiert. Zudem wurde Lela verschleppt, und als er erfährt, wo sie ist, steht er vor einer schweren…mehr

Produktbeschreibung
Der berühmte und in seiner Heimat verehrte Musiker Taduno lebt seit drei Monaten im politischen Exil, weil er sich weigert, Loblieder auf das Regime zu singen. Eines Tages erreicht ihn ein Brief von seiner großen Liebe Lela, und was er liest, klingt nicht gut. Voller
Sorge kehrt Taduno in sein von Diktatur und Bürgerkrieg gezeichnetes Land zurück. Erstaunt stellt er fest, dass niemand mehr weiß, wer er ist, dass selbst Nachbarn und Freunde ihn nicht mehr erkennen. Es ist, als hätte er nie existiert. Zudem wurde Lela verschleppt, und als er erfährt, wo sie ist, steht er vor einer schweren Gewissensentscheidung, die ihm das Herz zu zerreißen droht: Um die Frau, die er liebt, zu retten, muss Taduno mit seiner Musik die Regierung preisen - oder sollte er erneut für die Freiheit seines Landes singen und dabei die Liebe opfern?
Autorenporträt
Miriam Mandelkow, 1963 in Amsterdam geboren, arbeitet als Lektorin und Übersetzerin. Sie lebt in Hamburg und in Arkadien, Griechenland.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2017

In Tyrannos!
Eine Parabel der Macht: Der nigerianische Roman "Tadunos Lide" von Odafe Atogun schildert eine ausweglose Verstrickung

Nigeria ist das bevölkerungsreichste und zerrissenste Land Westafrikas, es hat den Biafra-Krieg von 1967 bis 1970 ebenso erduldet wie die islamische Terrormiliz Boko Haram, die heute weite Teile des Nordostens kontrolliert. Auch der Ölreichtum im Nigerdelta hat dem Land kein Glück gebracht, sondern Armut und ökologische Desaster, gegen die das Ogoni-Volk sich vergeblich zur Wehr setzte: Sein Wortführer, der Umwelt- und Menschenrechtsaktivist Ken Saro-Wiwa, wurde 1995 auf Befehl des Militärdiktators Abacha gehängt.

Trotzdem ist die Kultur des Riesenlandes vielfältiger, kritischer und lebendiger als anderswo in Westafrika: Musik und Malerei, Film und Fernsehen, besonders Nigerias Soap Operas, führen soziale Missstände vor Augen und nehmen kein Blatt vor den Mund. Das gilt auch für die nigerianische Literatur, die in London, New York, Paris und Berlin Triumphe feiert und dem frankophonen Afrika, aber auch Ghana und Kenia den Rang abläuft.

Diese Vorbemerkung ist nötig zum adäquaten Verständnis von Odafe Atoguns Erstlingswerk, das untypisch ist für Nigeria, weil es, auf dekoratives Beiwerk verzichtend, den Kulturboom des Landes entzaubert und konterkariert. Die weltweit beachteten Romane nigerianischer Autoren spielen meist in Lagos, einer aus allen Nähten platzenden Metropole, die geprägt ist von Gewalt und Verbrechen, Drogenhandel und Prostitution; in Internetcafés ausgeheckte Betrugsversuche sind hier ein blühender Geschäftszweig.

Aber Lagos ist auch eine sinnenfrohe Stadt, deren zehn Millionen Einwohner mit ein Leben meistern, das mehr als bloßes Überleben beinhaltet wie im vorliegenden Roman. Doch anders als Alfred Döblin in "Berlin Alexanderplatz" feiert Odafe Atogun nicht Vitalität und Diversität der Großstadt, sondern reduziert Staat und Gesellschaft auf ihren nackten Kern, die allgegenwärtige Korruption: "Taduno sah die Stadt wieder so, wie er sie früher durch seine Liedtexte gesehen hatte. Er sah die höllischen Mühen ihrer Bewohner. Er sah ihre Angst, den Schmerz und die Hoffnungslosigkeit, die sie rund um die Uhr trieben. Und dieser Anblick bestätigte ihm, dass er sie nicht noch weiter ins Verderben stürzen durfte, indem er ein Loblied auf die Tyrannei sang."

Worum geht es? Ein Militärmachthaber, der Züge von General Abacha und anderen Gewaltherrschern trägt, will den populärsten Sänger des Landes mit Drohungen und Verlockungen dazu bewegen, sein menschenverachtendes Regime zu preisen. Ein realistischer Plot in Nigeria, wo Sport und Musik als Bindemittel fungieren, um die Nation zusammenzuhalten. So lässt der Diktator die Geliebte des Sängers und dann diesen selbst foltern.

In seiner Schmucklosigkeit erinnert der Text an politische Parabeln wie "Leben des Galilei" oder "Der Großtyrann und das Gericht". Ähnlich wie Brecht oder Bergengruen geht es dem Autor weniger um historisch getreues Lokalkolorit als um das Herausarbeiten des Wesentlichen: einen existentiellen Konflikt, in dem der integre Einzelne entweder einen ihm nahestehenden Menschen oder seine moralischen Prinzipien verraten muss - eine No-win-Situation.

So auch hier: Um seine Geliebte zu retten, beugt sich der Sänger der Macht. Aber am Ende verliert er alles, das eigene Leben wie die geliebte Frau, und es bleibt offen, ob sein Märtyrertod das Volk aufwecken und zur Überwindung der Diktatur beitragen kann: "Wir dürfen nicht wählen, wer im Kampf gegen die Tyrannei gerettet und wer zum Tode verurteilt wird. Wir müssen lernen, Nein zu sagen zu Tyrannen, um jeden Preis. Nur so lässt sich die Tyrannei besiegen."

Moralisierende Literatur, die politische Probleme in Erzählform abhandelt, ist - so scheint es - untypisch für afrikanische Autoren? Der Eindruck täuscht: Man denke an Wole Soyinkas Gefängnistagebuch oder an Ngugi Wa Thiong'os "Herr der Krähen". Was "Tadunos Lied" so lesenswert macht, ist nicht nur der geschilderte Gewissenskonflikt, sondern die bis zum letzten Satz durchgehaltene Spannung des Romans.

HANS CHRISTOPH BUCH

Odafe Atogun: "Tadunos Lied". Roman.

Aus dem Englischen von Miriam Mandelkow. Arche Literatur Verlag, Zürich 2017. 236 S., geb., 20,- [Euro].

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