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2 Kundenbewertungen

"In ihrem Debütroman gelingt es Samantha Harvey auf eine mutige und intelligente Art, eine Erzählung aus dem zu fertigen, was sich nicht mehr erzählen lässt... Ein hypnotisierendes Werk voller Mitgefühl." -- Independent
'Hinter diesem Buch steckt eine unglaubliche Vorstellungskraft, und es ist geschrieben von einer Debüt-Autorin mit absolut sicherer Hand. Jedes Leben ist ein Geheimnis, scheint Harvey zu sagen, selbst für diejenigen, die es führen. Entschlüssele es auf deine Art.' The New York Times Review of Books "Eine atemberaubende Komposition über die Verletzlichkeit und Gefühlstiefe…mehr

Produktbeschreibung
"In ihrem Debütroman gelingt es Samantha Harvey auf eine mutige und intelligente Art, eine Erzählung aus dem zu fertigen, was sich nicht mehr erzählen lässt... Ein hypnotisierendes Werk voller Mitgefühl." -- Independent

'Hinter diesem Buch steckt eine unglaubliche Vorstellungskraft, und es ist geschrieben von einer Debüt-Autorin mit absolut sicherer Hand. Jedes Leben ist ein Geheimnis, scheint Harvey zu sagen, selbst für diejenigen, die es führen. Entschlüssele es auf deine Art.' The New York Times Review of Books "Eine atemberaubende Komposition über die Verletzlichkeit und Gefühlstiefe des Menschen." -- Guardian
Vom Verlust der Erinnerung: mutig und mitfühlend
Ein Haus, ganz aus Glas, inmitten der Moorlandschaft von Lincolnshire, das war Jakes lebenslanger Traum. Doch es kam anders: Einzig für das örtliche Gefängnisgebäude ist der Architekt bekannt und dort sitzt nun sein Sohn Henry ein. Doch Jake weiß nicht mehr, warum Henry verurteilt wurde, noch kann er sich erinnern, was mit seiner Tochter oder seiner Frau passiert ist. Bilder aus der Kindheit und den ersten glücklichen Ehejahren tauchen auf, aber sie werden zunehmend widersprüchlich. Ein Effekt, so faszinierend und verwirrend wie der Blick durch ein Kaleidoskop.
Mit großer Sprachmacht zeichnet Samantha Harvey das bewegende Porträt eines Mannes, der darum kämpft, seine Vergangenheit und sein Ich zu bewahren, gekleidet in eindringliche Bilder voller Poesie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.10.2011

Vor uns das Vergessen
Samantha Harvey erzählt von Alter und Krankheit

Der erste Roman der Britin Samantha Harvey wurde mehrfach mit dem Werk Virginia Woolfs verglichen. Dabei hat "Tage der Verwilderung" vor allem Ähnlichkeit mit dem größten Werk von Toni Morrison: "Beloved" (1987), denn beide Bücher verzichten auf eindeutige chronologische Strukturen und setzen stattdessen auf eine im konventionellen Sinne unzuverlässige Erzählfigur.

Jake Jameson, Anfang sechzig und ehemaliger Architekt, leidet an Alzheimer. Dem unsystematischen, nicht vorhersehbaren Verfall, dem er unterworfen ist, entspricht der undurchschaubare Aufbau des Romans, dessen Protagonist er ist. Kurz nach seiner Heirat zieht Jake mit seiner herzensgut-verträumten Frau Helen und dem gemeinsamen Sohn Henry aus London in seine frühere Heimat Lincolnshire. Dort leben seine Mutter und seine Jugendfreundin Eleanor, die noch immer den einzigen Pub der Gegend betreibt. Dann ist da noch die junge Joy, mit der Jake einmal eine Affäre hatte und mit der er weiterhin Briefe wechselt. Und schließlich Alice, Jakes und Helens langersehntes zweites Kind, von dem allerdings nicht klar wird, ob es je gelebt hat oder woran es gestorben ist - Ähnliches gilt auch für Helens Ableben.

"Nichts sei unbefriedigender als ein Bau, der dem Architekten uneingeschränkte Freiheit lasse, viel besser sei es, wenn Grenzen und Herausforderungen zu meistern waren" - so lautet Jakes einstiges Credo. Doch sein Gedächtnisverlust lässt alle sozialen und pragmatischen Maßgaben zunehmend verwischen. Entgrenzend ist Jakes Entwicklung auch für den Leser, denn die Unterschiede zwischen alltäglicher Zerstreutheit und krankhaftem Vergessen sind fließend. Die Erinnerung an seine Kindheit bleibt Jake am längsten erhalten. Aber handelt es sich hier um genuin eigene Erinnerungen oder vielmehr um das, was ihm immer und immer wieder erzählt wurde? Immerhin, je mehr Jake wieder zum Kind wird, umso segensreicher erscheint sein Vergessen: Kinder, je kleiner sie sind, tragen einem nichts nach, und auch wenn sie vielleicht nicht wissen, wo sie gerade sind und wie spät es ist, so sind sie doch gewiss: "Wenn es Zeit ist, nach Hause zu gehen, werden sie das tun." Für dieses Vertrauen muss man das eigene Spiegelbild nicht erkennen.

"Ich war mal ein Kind, denkt er erstaunt. Wie verbrecherisch, wie sadistisch, wie absurd, dass ich keines mehr bin." Als Jake von einer Pflegerin gebadet wird, schämt er sich zunächst - doch bald schon verwischt die Fürsorge der Fremden mit der mütterlichen Zuwendung, die der kleine Jake erfahren durfte. Das Kind Jake, das sein ganzes Leben noch vor sich hat und nur "einen winzigen Zeitsplitter lang glaubt, dass er sein Leben gehabt hat und dass es vorbei ist". Und da sind die "Tage der Verwilderung" auch schon vorbei - und man kann nur hoffen, dass es noch mehr Romane dieser 1975 geborenen Autorin geben wird, die trotz ihres jungen Alters Anfang und Ende des Lebens so gut in eines zu blenden vermag.

MARGRET FETZER

Samantha Harvey: "Tage der Verwilderung". Roman.

Aus dem Englischen von Barbara Heller. Deutsche Verlagsanstalt, München 2010. 352 S., geb., 21,95 [Euro].

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