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Revolutionär und poetisch zugleich schildert Dacia Maraini in ihrem Romandebüt das sexuelle Erwachen ihrer jungen Heldin während eines Sommers am Meer. Anna kann es kaum erwarten, aus der beengten Welt des römischen Mädcheninternats auszubrechen. Genug hat sie vom dumpfen Geruch nach Küche und Weihrauch und den warnenden Worten der Nonnen. Voller Neugier macht das lebenshungrige Mädchen seine ersten Erfahrungen und verführt als unschuldige Lolita Männer jeden Alters ... Der Roman, der die italienische Bestsellerautorin 1962 über Nacht berühmt machte. - "Auf jeder Seite spürt man unterschwellig die fatale Macht des Eros."L'Espresso…mehr

Produktbeschreibung
Revolutionär und poetisch zugleich schildert Dacia Maraini in ihrem Romandebüt das sexuelle Erwachen ihrer jungen Heldin während eines Sommers am Meer. Anna kann es kaum erwarten, aus der beengten Welt des römischen Mädcheninternats auszubrechen. Genug hat sie vom dumpfen Geruch nach Küche und Weihrauch und den warnenden Worten der Nonnen. Voller Neugier macht das lebenshungrige Mädchen seine ersten Erfahrungen und verführt als unschuldige Lolita Männer jeden Alters ... Der Roman, der die italienische Bestsellerautorin 1962 über Nacht berühmt machte. - "Auf jeder Seite spürt man unterschwellig die fatale Macht des Eros."L'Espresso
Autorenporträt
Dacia Maraini, geb. 1936 in Florenz und bis 1946 in Japan aufgewachsen, lebte danach erst in Palermo, jetzt in Rom. Nach journalistischen Anfängen erschien 1962 ihr erster Roman, und bereits 1963 'Zeit des Unbehagens' als zweiter. Für ihn erhielt sie den 'Prix Formentor'. Bis heute zieht sich das Thema Emanzipation beinahe leitmotivisch durch ihr Werk.
2015 erhielt Dacia Maraini die Ehrendoktorwürde der John Cabot University.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.02.2002

Leerzeit
Jung geblieben: „Tage im August”,
der Erstling von Dacia Maraini
Nicht jedem Schriftsteller dürfte es angenehm sein, nach einem halben Leben seinen Erstling wiederzulesen. Die im Jahre 1936 geborenen Italienerin Dacia Maraini, die in den neunziger Jahren auch in Deutschland viele Leser gefunden hat, betrachtet im Vorwort zur Neuausgabe ihres Debütromans ihre Anfänge mit Skepsis. An der jungen Autorin, die 1962 mit „La vacanza” schlagartig berühmt wurde, missfällt ihr die Neigung, „an Details festzuhalten, ohne sie als Teil eines Ganzen zu erkennen”, und sie diagnostiziert „einen noch kindlichen Geist, der sich auf die Beschreibung unverständlicher Widersprüche versteifte”. Die Selbstkritik hindert sie freilich nicht, späte Rührung zu empfinden über das Mädchen, das drei Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Florenz geboren wurde, knapp dem Konzentrationslager entkam, die bittere Not der Nachkriegszeit erlebte und beim Lesen mit der Taschenlampe unter der Bettdecke beschloss, so bald wie möglich ein Buch zu schreiben, weil sie in Büchern „das Salz der Erde” schmeckte. Mit siebzehn, und hier wird es vollends herzzerreißend, begann sie die Arbeit an ihrem ersten Prosawerk, nachdem ihr die Hauptfigur eines Morgens einfach „erschienen” war, um „Obdach und Verständnis” bittend. Bis heute, erfahren wir, wird die Signora von ihren Figuren in ähnlicher Weise heimgesucht, zum Schreiben gedrängt und nicht selten dazu gebracht, „daß ich mich in sie verliebe”.
Es ist wohl eine typisch italienische Eigenart, solchen Gefühlsüberschwang mühelos mit der kühlen, harten Präzision zu vereinen, die an Marainis frühem Roman noch immer beeindruckt. Der deutsche Titel „Tage im August” verschluckt die Doppelbedeutung von „La vacanza”, mit der die Debütantin seinerzeit bewusst spielte: Vordergründig sind die Ferien gemeint, aber dahinter steht die Leere, das Sinn-Vakuum, das die junge Schriftstellerin in sich selbst und in ihrer Epoche registrierte und das sie mit bemerkenswerter Eleganz ihrer vierzehnjährigen Ich-Erzählerin Anna einverleibte. Diese Leere ist der Kern, das eigentliche Thema der Geschichte, während Annas sexuelles Erwachen, nach damaligem Maßstab recht freizügig und zugleich seltsam körperlos geschildert, nur als eines der Motive fungiert, die jene existentielle Erfahrung einkreisen und hervorheben.
Ein träger Kriegssommer
Im Spätsommer 1943 werden Anna und ihr jüngerer Bruder Giovanni vom Vater aus dem römischen Internat abgeholt und per Motorrad ans Meer verfrachtet, wo ihre neue Stiefmutter Nina sie erwartet, eine lebenslustige Frau mit nymphomanischen Anwandlungen. An der Küste von Latium verbringt man die Ferien im Haus von Papas Geschäftspartner, der aber in Wahrheit sein Chef ist und mit Gattin und pubertierendem Sohn das obere Stockwerk bewohnt.
Das träge, streng sinnfreie Sommerritual italienischer Familien, in dieser Konstellation mit allerlei Spannungen aufgeladen, vollzieht sich unter dem Motorenlärm der alliierten Bombenflugzeuge und unter der Bedrohung des näherrückenden Krieges, den man mit munteren Beschwörungsformeln auf Distanz zu halten versucht. „Hier haben wir es gut. Der Krieg ist weit weg. Man riecht nur das Meer - und diese Zitronenhautcreme...”, schwärmt eine der Damen, und die Herren, stramme Mussolini-Anhänger, schwadronieren voller Zuversicht über die neue faschistische Regierung. Anna, die ebenso wachsame wie gleichmütige Beobachterin der Verhältnisse, genießt die Befreiung aus der düsteren Enge der Klosterschule und experimentiert kalten Sinnes mit der Gier, die ihre kindhafte Weiblichkeit bei pädophilen und verklemmten Männern jeden Alters hervorruft. Ihr naiv-nüchterner Blick ist eine Vorstufe der unbarmherzigen Distanz, aus der die Feministin Maraini später die Beziehungen zwischen den Geschlechtern betrachten sollte.
Der kleine Roman trägt die verblassten Pastellfarben seiner Entstehungszeit und wirkt gleichwohl erstaunlich frisch. Mit wenigen, sicheren Strichen wird das italienische Kleinbürgertum in seiner politischen Blindheit, Bigotterie und Oberflächlichkeit porträtiert, aber auch in seiner anpassungsfähigen, aus familiären Bindungen und tradierten Gewohnheiten gespeisten Überlebenskraft. Wenn auf dem Umschlag ein Zitat aus „L'Espresso” behauptet, auf jeder Seite spüre man „unterschwellig die fatale Macht des Eros”, ist das zwar Blödsinn, aber so lassen sich Bücher nun einmal am besten verkaufen.
Schriftsteller indes sind nicht immer die kompetentesten Kritiker ihrer eigenen Werke. So ist es auch hier. Wo die reife Dacia Maraini im Rückblick auf ihren Erstling das Festhalten am Detail und die „Beschreibung unverständlicher Widersprüche” tadelt, muss man vielmehr die erstaunliche Kunst der Anfängerin loben, aus Leerstellen und Andeutungen ein stimmiges, sinnliches Ganzes zu komponieren.
Auch die aus den sechziger Jahren stammende Übersetzung von Herbert Schlüter, der deutschen Stimme Giorgio Bassanis, lässt sich noch ausgezeichnet lesen, wenn man einmal davon absieht, dass man heute, nach Jahrzehnten Italianisierung der deutschen Konsumgewohnheiten, „caffè freddo” nicht mehr unbedingt mit „kalter Kaffee” wiedergeben würden.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
DACIA MARAINI: Tage im August. Roman. Aus dem Italienischen von Herbert Schlüter. Piper Verlag, München 2001. 230 S., 17.90 Euro.
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