20,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in über 4 Wochen
  • Gebundenes Buch

2 Kundenbewertungen

Das ebenso offene wie bewegende Gefängnistagebuch einer mutigen Frau, die keine Kompromisse eingehen wollte und ihren Träumen gefolgt ist.
Um ihren Jahrhundertroman "Die Kunst der Freude" zu schreiben, gibt Goliarda Sapienza alles auf: Ihre Karriere als Schauspielerin in Film und Theater und alle anderen Schreibaufträge. Vollkommen verarmt, begeht sie einen Diebstahl, um zu überleben und weiterschreiben zu können. Sie wird verurteilt und kommt in ein römisches Frauengefängnis: Rebbibbia, das ihr zur Schule des Lebens wird.
"Auf nicht einmal 200 Seiten nimmt uns Goliarda Sapienza mit
…mehr

Produktbeschreibung
Das ebenso offene wie bewegende Gefängnistagebuch einer mutigen Frau, die keine Kompromisse eingehen wollte und ihren Träumen gefolgt ist.

Um ihren Jahrhundertroman "Die Kunst der Freude" zu schreiben, gibt Goliarda Sapienza alles auf: Ihre Karriere als Schauspielerin in Film und Theater und alle anderen Schreibaufträge. Vollkommen verarmt, begeht sie einen Diebstahl, um zu überleben und weiterschreiben zu können. Sie wird verurteilt und kommt in ein römisches Frauengefängnis: Rebbibbia, das ihr zur Schule des Lebens wird.

"Auf nicht einmal 200 Seiten nimmt uns Goliarda Sapienza mit hinter die dicksten Mauern des römischen Stadtteils Trastevere und eröffnet uns dort eine ganz eigene Welt.

Was wir mit ihr dort erleben, ist so warmherzig und grauenhaft, so erschreckend und liebevoll und in seiner räumlichen Begrenzung so beeindruckend welthaltig, dass ich sicher bin, jetzt, da dieses Buch endlich auf Deutsch vorliegt, werden wir Goliarda Sapienza nie wieder vergessen." Maria-Christina Piwowarski
Autorenporträt
Goliarda Sapienza (1924-1996), geboren in Catania, ist die Tochter zweier berühmter Vorkämpfer der sozialistischen Bewegung in Italien. Sehr freigeistig erzogen, geht sie sechzehnjährig nach Rom an die Schauspielschule, wird, wie ihre Eltern, von den Faschisten verfolgt, kämpft im Widerstand. Nach dem Krieg wird sie als Theaterschauspielerin gefeiert und spielt in Filmen wie Luchino Viscontis "Senso" mit. 1950 beginnt sie zu schreiben. Von 1967 bis 1976 arbeitet sie an ihrem großen Roman "Die Kunst der Freude", verarmt dabei vollkommen und begeht einen Diebstahl, der sie in das römische Frauengefängnis Rebibbia bringt. Ihre Erfahrungen dort hat sie in einem Tagebuch festgehalten, das posthum erstmals erschien. Verena von Koskull, geboren 1970, hat Italienisch und Englisch in Berlin und Bologna studiert. Sie übertrug u.a. Matthew Sharpe, Curtis Sittenfeld, Carlo Levi, Simona Vinci, Claudio Paglieri und Giosuè Calaciura ins Deutsche.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Goliarda Sapienza war ein "Naturereignis", meint Rezensentin Maike Albath und kann kaum fassen, dass die italienische Schauspielerin, die mit Blasetti und Visconti drehte und Teil der römischen Bohème war, in Vergessenheit geriet. Ihr schriftstellerisches Werk wurde erst nach ihrem Tod gewürdigt - und glücklicherweise hat der Aufbau-Verlag ihr Hauptwerk "Die Kunst der Freude" in durchgesehener Übersetzung sowie ihre jetzt erstmals übersetzten Gefängnisbücher "Tage in Rebibbia" noch einmal herausgebracht, freut sich Albath. Lesenswert sind beide Bücher, versichert die Kritikerin. In "Die Kunst der Freude" ist es der "epische Prunk", das nahezu "Dostojewskihafte", das sie in den Bann zieht: Die Geschichte um die Machiavellistin Modesta, die Männer, Frauen und Mädchen immer wieder erobert und kurzerhand beseitigt, ist so "verstörend" wie sinnlich, erklärt die Rezensentin, die Sapienza hier allerdings durchaus einen Hang zur Melodramatik attestiert. Jahre später entstand das Gefängnisjournal "Tage in Rebibbia", in dem Sapienza ihren nur wenige Tage dauernden Gefängnisaufenthalt zu einem "soziologisch tiefenscharfen Fresko" über die Verwahrlosung der Frauen im Gefängnis ausbaut, staunt die Rezensentin. Wie die Autorin sowohl die seelische Zerrüttung der Drogenabhängigen als auch die Zwangslage vieler Schließerinnen beschreibt, ringt Albath große Anerkennung ab.

© Perlentaucher Medien GmbH
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.09.2022

„Frauen sind mein Planet“
Atemberaubendes Leben: Die Widerstandskämpferin, Schauspielerin und Schriftstellerin Goliarda Sapienza wird wiederentdeckt
Als Frau war Goliarda Sapienza ein Naturereignis. Überwältigend in ihrer Präsenz und Lebensgier, großzügig bis zur Selbstaufgabe, kompromisslos, was ihr Schreiben anging und immer wieder voller Leidenschaft für neue Freundinnen, Geliebte und Lebensgefährten. Wenn die ehemalige Schauspielerin – sie hatte für die Regisseure Antonio Blasetti und Luchino Visconti gearbeitet und in dessen Film „Senso“ von 1955 mitgespielt – Unterricht gab, wozu sie im Pensionsalter finanzielle Nöte zwangen, zerrte sie ihre Schüler auf die Bühne, trieb ihnen die einstudierten Rollen aus und zwang sie zur Improvisation: Es ging ihr darum, die eigene Stimme zu entdecken, ohne jede Rücksicht auf Konventionen. Diese Radikalität und schrankenlose Ehrlichkeit im Umgang mit sich selbst war Sapienza von Kindheit an vertraut und blieb bis zu ihrem Tod 1996 ihr Lebenselixier.
Ihre Herkunft trägt die Züge eines Abenteuerromans, und viel davon fließt in das jetzt wieder neu aufgelegte, überbordende Werk „Die Kunst der Freude“ von 1976 ein, das in Auszügen 1994 posthum erschien und vollständig erst 1996 herauskam. Sapienzas Mutter Maria Giudice war eine italienweit bekannte Journalistin, Gewerkschafterin und prägende Figur der Sozialistischen Partei. Sie hatte sieben Kinder großgezogen, die umwälzenden Streiks in Norditalien mitorganisiert, als erste Frau der Turiner Gewerkschaft vorgestanden und 1920 unter den Bäuerinnen in Sizilien agitiert, wo sie den Rechtsanwalt Giuseppe Sapienza kennenlernte und mit ihm nach Catania ging. Dort unterhielt Giuseppe Sapienza, Witwer mit drei Kindern, seine Kanzlei. 1924 kam die gemeinsame Tochter Goliarda zur Welt.
Der Nachkömmling, um den sich Maria Giudice kaum kümmerte, wuchs inmitten einer Fülle von älteren Stiefgeschwistern auf und genoss, erst recht für sizilianische Verhältnisse, skandalöse Freiheiten. Nicht nur, dass Goliarda ihrem Vater die Zeugenaussagen seiner Mandanten vorlas und sich im Wartezimmer von deren Familienangehörigen ihre Geschichten erzählen ließ, schon früh von Dostojewski bis zu August Bebel und Marx alles las, was sie in den Bücherregalen fand, und auf den Gassen mit den Kindern von Korbflechtern und Hufschmieden spielte. Giuseppe Sapienza nahm sie auch aus der Schule und verbrannte gemeinsam mit seiner Tochter die faschistische Schuluniform.
Bereits als Sechzehnjährige wurde Goliarda dann an der Schauspielakademie in Rom angenommen und ging nach 1943 als eine der wenigen Frauen in den aktiven Widerstand gegen die deutschen Besatzer. Aber es gab auch depressive Episoden, die sie zu einem Suizidversuch trieben und denen sie in Psychoanalysen auf den Grund zu gehen versuchte. Nach dem Krieg arbeitete Goliarda Sapienza als Schauspielerin, lebte mit dem Regisseur Francesco Maselli zusammen und gehörte zur römischen Bohème, bis sie sich von ihrem Mann trennte und 1967 ihr Debüt veröffentlichte. Mit ihrer verschwenderisch-barocken Erzählweise passte sie nicht zu der geschliffenen Prosa des damals tonangebenden Gruppo 63 und fasste niemals richtig Fuß. Berühmt wurde Sapienza erst nach ihrem Tod auf dem Umweg über Frankreich, wo man im Herbst 2005 „Die Kunst der Freude“ als literarische Entdeckung feierte und diese sich binnen weniger Monate 100 000 Mal verkaufte.
Auf Deutsch liegt nun die durchgesehene Übersetzung ihres Hauptwerks bei Aufbau vor, das bereits 2005 unter dem Titel „In den Himmel stürzen“ im selben Verlag erschienen war. Das gestiegene Interesse an weiblichen Biografien und kraftvollen Frauenfiguren mag hineingespielt haben in Überlegungen, es noch einmal gemeinsam mit dem jetzt erstmals übersetzten Gefängnistagebuch „Tage in Rebibbia“ von 1983 herauszubringen. Eine gute Entscheidung, denn so eigentümlich der aus allen narrativen Nähten platzende sizilianische Roman „Die Kunst der Freude“ auch daherkommt, lesenswert ist er unbedingt.
Die kämpferische Heldin Modesta, 1900 geboren, ist eine genuine Machiavellistin. In einer Mischung aus Instinkt und Scharfsinn schlägt sie ihren übergriffigen Vater in die Flucht, befreit sich durch ein absichtlich gelegtes Feuer von Mutter und Schwester, kommt in die Obhut eines Klosters, bis sie auch dort mit einem vermeintlichen Unfall die Oberin beseitigt und durch das Testament bei deren adliger Familie Brandiforte landet. Goliarda Sapienza haut genussvoll auf die Pauke und spart nicht an Wendungen, Coups und schicksalhaften Fügungen. Die Handlungsschleifen, die das gesamte Jahrhundert durchziehen, haben oft etwas Dostojewskihaftes, es regiert epischer Prunk, dann wieder prescht die Geschichte über straffe Dialoge voran.
Modesta, deren Name – die Bescheidene – ihren entschiedenen Charakter Lügen straft, macht sich auch bei den Brandifortes unentbehrlich. Einerseits amoralisch, andererseits fürsorglich und voller Sinnlichkeit, mit der die „Lavateufelin“ immer wieder Mädchen, Frauen und Männer erobert, schafft sie es, das Vertrauen der Patriarchin zu gewinnen, und geht eine Liebesbeziehung mit deren Enkelin Beatrice ein. Als sie entdeckt, dass ein schwachsinniger Sohn der Fürstin in einem Zimmer gefangen gehalten wird, kümmert sie sich um ihn und heiratet den harmlosen Mann schließlich. Einen Sohn bekommt Modesta aber von dem virilen Verwalter, und Hunderte von Seiten später ist die politisch hellwache Antikonformistin umgeben von etlichen Kindern verschiedener Mütter und Vorsteherin eines ungewöhnlichen Haushalts, in dem sich die Gegner des Mussolini-Regimes versammeln. Eigentlich unantastbar, landet sie dennoch im Gefängnis, kommt 1943 wieder frei, bemüht sich um die Heilung ihrer kriegsversehrten Söhne, probiert sich eine Zeit lang als politische Aktivistin, bis sie als alte Frau noch einmal eine späte Liebe erlebt.
Die Grundstrategie dieser Erzählweise ist Überwältigung, viele Passagen sind durchaus mitreißend, und das Ungezügelte entfaltet eine speziellen Sog. Sapienza stattet ihre Heldin, die zwischen Molly Flanders und James Bond changiert – tatsächlich las sie begeistert Ian Fleming – mit großem identifikatorischen Potenzial aus. Allerdings kippt das Ganze immer wieder ins Melodramatische, auch die Sprache ist literarisch nicht überzeugend. Am interessantesten gestaltet sich die Inszenierung des Begehrens, denn die sinnliche Lust ist der geheime Motor des gesamten Werkes. Im Grunde erzählt die unfreiwillig kinderlose Goliarda Sapienza, die in Modesta ebenso ihre Mutter wie sich selbst porträtierte, vom Körper einer Frau; auch der Rhythmus der Zeitläufte ist ein einziges Werden und Gebären. Dabei sind die Familienverhältnisse, die sich in Modestas Villa etablieren, hochinzestuös: Ihr Sohn Prando zeugt ein Kind mit seiner Ziehmutter Stella, Modesta selbst fühlt sich zu dem angenommenen Kind ihres Mannes hingezogen, Modestas Geliebter Mattia, von dessen Vater sie Prando bekam, heiratet wiederum ihre Ziehtochter Bambù.
Dass hier die erotischen Anziehungskräfte zum großen Unterstrom des Lebens stilisiert werden, hat auch etwas Verstörendes. Aber für Sapienza liegt in dieser Art von Hingabe der Schlüssel zur Befreiung der Frau, und nebenbei wirft sie damit die patrilineare Genealogie über Bord. An ihren Freund Enzo Siciliano, der sich für die Veröffentlichung des Romans engagierte, schrieb sie in einem Brief: „Gerade um gegen diese infantile Hasskrankheit des Feminismus zu kämpfen (der leider spät entstand und aus Amerika kam, statt sich aus den sehr weiblichen Stimmen der Kollontai, der Woolf und meiner eigenen Mutter zu speisen), begann ich vor zehn Jahren über Modestas Abenteuer zu schreiben, um den Preis, mich gegen die Feministinnen zu richten. Frauen – Du weißt das – sind mein Planet und meine Forschung, meine einzige ‚Partei‘ und vielleicht, jenseits von Freundschaften, das einzige Ziel meines Lebens.“
„Die Kunst der Freude“ landete also in der Schublade. Nach der zehnjährigen Arbeit völlig abgebrannt und mit der Miete ihrer Wohnung drei Jahre im Rückstand, machte Goliarda Sapienza ein soziales Experiment und stahl einer vermögenden Ex-Liebhaberin kostbaren Schmuck. Sie verhökerte die Ohrringe und Ketten an einen Juwelier und wies sich – absichtlich – mit dem Pass ihrer ehemaligen Schwägerin aus. Die Sache flog auf, zwei Jahre später wurde Sapienza verhaftet und einem wohlmeinenden Hauptmann der Carabinieri vorgeführt, der sie davon überzeugen wollte, die Tat zuzugeben und glimpflich davonzukommen. Die Schriftstellerin lehnte ab und ließ sich nach Rebibbia verfrachten: Es war die Überzeugung ihrer mehrfach inhaftierten Mutter, dass ein Land nur in seinen Gefängnissen kenntlich wird. Genau dieser Erfahrung wollte sich Sapienza ausliefern, und es wurde die Grundlage ihres Gefängnistagebuchs „Tage in Rebibbia“, das für sie in ästhetischer und emotionaler Hinsicht eine Art Wiedergeburt war.
Es handelt sich um einen kraftvollen Bericht, der die Nachtseite des modernen Italiens in den Blick nimmt. Die Ich-Erzählerin agiert unter Klarnamen, schildert die unzumutbare Enge, die unfassbare Verwahrlosung und die Gemeinschaft unter den Frauen. Ihr gelingt ein soziologisch tiefenscharfes Fresko, in dem sie den radical chic der Terroristinnen ebenso beschreibt wie die seelische Zerrüttung der Drogenabhängigen und die Zwangslage vieler Schließerinnen. Manchmal gleitet Sapienza auch hier in ihr süditalienisches Pathos – „nur ich nehme ihren Lavablick wahr, von dem ich seit Jahrhunderten jede Nuance kenne“ –, dennoch handelt es sich um ein faszinierendes Zeugnis, das ihr bei seiner Veröffentlichung 1983 breite Aufmerksamkeit von der Literaturkritik und von Seiten des Strafvollzugs einbrachte. In Wirklichkeit war Goliarda Sapienza nur wenige Tage im Gefängnis. Aber zu ihrer Buchpremiere in der Buchhandlung Mondadori brachte sie etliche Mitinsassinnen auf die Bühne. Leben und Werk waren bei der unbeirrbaren Sizilianerin ein und dasselbe.
MAIKE ALBATH
Ihre Strategie ist Überwältigung: Goliarda Sapienza.
Foto: Angelo Maria Pellegrino/Aufbau
Goliarda Sapienza:
Tage in Rebibbia.
Gefängnistagebuch.
Aus dem Italienischen
von Verena von Koskull. Aufbau, Berlin 2022.
190 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr
»Ihr Hafttagebuch ist ein Manifest des Eigensinns.« FOCUS 20220411