Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 7,38 €
  • Lernkassette

Manfred Enzenspergers Gedichte, Notate und Prosaminiaturen kreisen (thematisch) um das Leben in der Stadt, Menschen in Cafes, Restaurants und skurrilen Details aus der täglichen Nachrichtenschwemme, mit denen er das Ganze zum Sprechen bringt. Als Leser wird man Enzenspergers Wahrnehmungssensibilität und kühne Kunst, diese in Sprache zu fassen, als große Bereicherung empfinden. Auf Abbildhaftigkeit ist kein Verlass, was uns entgegentritt, hat bereits manche Verfremdung hinter sich. Doch gerade so lernen wir sehen, auf neue, nie dagewesene Weise. (…) Keine „verstehensgarantie“, bitte. Ilma Rakusa…mehr

Produktbeschreibung
Manfred Enzenspergers Gedichte, Notate und Prosaminiaturen kreisen (thematisch) um das Leben in der Stadt, Menschen in Cafes, Restaurants und skurrilen Details aus der täglichen Nachrichtenschwemme, mit denen er das Ganze zum Sprechen bringt. Als Leser wird man Enzenspergers Wahrnehmungssensibilität und kühne Kunst, diese in Sprache zu fassen, als große Bereicherung empfinden. Auf Abbildhaftigkeit ist kein Verlass, was uns entgegentritt, hat bereits manche Verfremdung hinter sich. Doch gerade so lernen wir sehen, auf neue, nie dagewesene Weise. (…) Keine „verstehensgarantie“, bitte. Ilma Rakusa
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Wulf Segebrecht empfiehlt Manfred Enzenspergers Gedichte und Notate angehenden Pensionären, die sich vom Autor gern mit auf einen Spaziergang durch Kölner und Düsseldorfer Straßen und Cafés nehmen lassen möchten. Dort sinniert der Autor laut Segebrecht mal professionell in Versen, mal prosaisch über Luxusuhren, Talkshows, ökologisches Bewusstsein, Flüchtlinge, die eigene Verdauung. Für den Rezensenten ein erbaulicher Zeitvertrieb, zumal die Texte die Jahre 2017 bis Anfang 2020 umfassen, also die vorpandemische Welt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.05.2021

Hedonisten erwünscht
Manfred Enzenspergers lyrische Pensionsnotate

Was tun im Ruhestand? Man könnte sich zum Beispiel einen Hund an- und das Auto abschaffen, aufräumen und Ordnung schaffen im Haus, im Garten und im Leben, einen Gesundheitscheckup arrangieren, Gymnastik betreiben, fleißig spazieren gehen und die Apotheken-Umschau lesen, die Erbschaft und das Testament vorbereiten. Und man könnte bei alledem über die vergangene, die vergehende und die verbleibende Zeit reflektieren, darüber ein Tagebuch führen und daraus ein kleines Büchlein machen lassen. So macht es Manfred Enzensperger, ehemaliger Gymnasiallehrer für Englisch und Deutsch, dessen Ruhestand 2017 begann. Den kurzen Lebensabschnitt zwischen der Pensionierung und dem lebensverändernden Auftritt der Corona-Pandemie im März 2020 halten die Notate fest. Was mehr oder weniger spontan aufgezeichnet wurde, erweist sich im Nachhinein als Protokoll einer alten schöneren Welt.

Enzensperger nimmt diese Welt als genießender Flaneur, als räsonierender Beobachter und als vielseitig interessierter Zeitgenosse, aber nicht ohne Selbstkritik wahr. Er besucht regelmäßig die besten Cafés und Restaurants in Düsseldorf und Köln, spaziert über die mondänen Großstadtstraßen, betrachtet die kunstvollen Schaufenster der großen Modehäuser, sammelt Luxusuhren, liest die wichtigsten Tageszeitungen ("ich lese nur noch auf dem flachbildschirm") und verfolgt politische Talkshows. Er findet zunehmend Geschmack an grün-alternativen Gerichten und Positionen: "Nicht nur du brauchst die Bäume, die Bäume brauchen dich". Und "bei so viel rettet die bären kommt jede hilfe zu spät. / klima ist wie bier. warm ist scheiße." Er bedenkt auch das Flüchtlingsproblem. Trumps Unsäglichkeiten und die Kontroverse zwischen Tellkamp und Grünbein, eigene Magen-und- Darm-Beschwerden, Eugen Gomringers Avenidas-Gedicht - all das ist ihm ein paar Zeilen wert. Vor allem aber macht er sich lustig über Verhalten und floskelhafte Redeweise der Gäste, beispielsweise im Café Reichard: "Ein leicht ergrauter Mittsiebziger in Begleitung seiner bildschönen, jungen Frau zu seinem sich nicht von der Stelle bewegenden Yorkshire Terrier: ,Komm Schatz, wir gehen jetzt nach Hause'."

Enzensperger - ein Hedonist? Ja! Er bekennt sich dazu, wenn auch mit leichtem Vorbehalt: "Sind Ruheständler Hedonisten, wenn sie über einen durchaus üppigen Bestand von blauen Oberhemden verfügen, sich mehrmals wöchentlich in einem Restaurant ernähren, Vier-Sterne-Hotels Ferienwohnungen vorziehen und, obwohl sie eine Jaeger Le Coultre und einen IWC Chronographen besitzen, dennoch Augen für eine Lange mit Handaufzug haben, während der Gedanke, zu jener Gruppe von Zeitgenossen zu zählen, die einen Mittelklassewagen am Handgelenk tragen, sie gleichzeitig abstößt?"

Zwischen seine Tagebuchnotate hat er in drei Blöcken einunddreißig eigene Gedichte eingefügt. Er versteht sich als poetischer "Kurzstreckenläufer", schreibt also nur Gedichte, keine Romane, keine Dramen. Als Lyriker ist er seit 1999 mit sieben Büchern hervorgetreten; zuletzt erschienen 2018 seine gesammelten Gedichte unter dem Titel "und wenn du aus dem haus gehst ist da der tag". Man darf ihn wohl einen lyrischen Profi nennen. Die neuen Gedichte unterscheiden sich von den Tagebuchnotizen allerdings stilistisch nur graduell und typographisch durch die Zeilenbrüche. Dort wie hier geht es um gleiche Themen, etwa um den Blick in die Modeschaufenster, um Kritik am Bürokratendeutsch, um Cafés und Hotels und um Schulisches.

Pathetisch klingt sein Bekenntnis zur Lyrik, wenn er sich angesichts der dahingehenden Jahre fragt: "was können wir tun, als ihnen das eine oder andere Gedicht abzutrotzen und in den Weg zu legen, der immer weiter führt." Unter dem Motto "Wenn die Menschen nicht zu den Gedichten kommen, müssen die Gedichte zu den Menschen kommen" macht er sich immer wieder ans Werk. Am Schluss, gleichsam als Zugabe, unter dem Titel "wo kann man hier eine nummer ziehen" stehen, zwölf Seiten lang, aphoristische Miniaturen, witzige Einfälle und Beanstandungen gängiger Floskeln. Angehenden Pensionären kann dieses hübsch ausgestattete Buch als Vademecum nur empfohlen werden.

WULF SEGEBRECHT

Manfred Enzensperger: "tage, mäuse, himmelfahrt". gedichte, notate, prosaminiaturen.

Verlag Ralf Liebe. Weilerswist 2021. 112 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr