Zwei Stadtneurotiker im Spontanurlaub
In seinem neuen Roman erzählt Michael Kumpfmüller von einer Frau und einem Mann, die beschließen, gemeinsam zu verreisen. Was ist ungewöhnlich daran? Die beiden kennen sich kaum. Das Einzige, was sie wissen: Sie fühlen sich zueinander hingezogen. Eigentlich kann es mit ihnen nichts werden, aber vielleicht ja doch. Auf der Reise wollen sie es ergründen.
Sie begegnen sich auf einer Hochzeitsparty - und bleiben aneinander hängen: die Kunstschneiderin Ora und der Erzähler des Romans. Beide sind Experten in Liebeskatastrophen und allenfalls gemäßigt optimistisch. Aber sie spüren: Dieser neue Mensch interessiert mich. Da ist etwas, das ich ausprobieren will - mit allen Konsequenzen. »Tage mit Ora« erzählt davon, wie die beiden sich auf den Weg machen. Zwei Wochen USA, Westküste, mit dem Mietwagen. Die Stationen ihrer Reise: Orte aus Oras Lieblingssong »June On The West Coast« von Bright Eyes. Mehr Planung gibt es nicht. Mit wunderbarer Leichtigkeit und zärtlichem Humor führt Michael Kumpfmüller vor, was passiert, wenn zwei Stadtneurotiker Spontanurlaub machen. Und sich in fremder Umgebung Schritt für Schritt aufeinander einlassen. Ihr Road Trip wird zu einer Woody-Allen-artigen Komödie des sich Findens und Verfehlens, über deren Ausgang am Ende nur der Leser entscheiden kann.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
In seinem neuen Roman erzählt Michael Kumpfmüller von einer Frau und einem Mann, die beschließen, gemeinsam zu verreisen. Was ist ungewöhnlich daran? Die beiden kennen sich kaum. Das Einzige, was sie wissen: Sie fühlen sich zueinander hingezogen. Eigentlich kann es mit ihnen nichts werden, aber vielleicht ja doch. Auf der Reise wollen sie es ergründen.
Sie begegnen sich auf einer Hochzeitsparty - und bleiben aneinander hängen: die Kunstschneiderin Ora und der Erzähler des Romans. Beide sind Experten in Liebeskatastrophen und allenfalls gemäßigt optimistisch. Aber sie spüren: Dieser neue Mensch interessiert mich. Da ist etwas, das ich ausprobieren will - mit allen Konsequenzen. »Tage mit Ora« erzählt davon, wie die beiden sich auf den Weg machen. Zwei Wochen USA, Westküste, mit dem Mietwagen. Die Stationen ihrer Reise: Orte aus Oras Lieblingssong »June On The West Coast« von Bright Eyes. Mehr Planung gibt es nicht. Mit wunderbarer Leichtigkeit und zärtlichem Humor führt Michael Kumpfmüller vor, was passiert, wenn zwei Stadtneurotiker Spontanurlaub machen. Und sich in fremder Umgebung Schritt für Schritt aufeinander einlassen. Ihr Road Trip wird zu einer Woody-Allen-artigen Komödie des sich Findens und Verfehlens, über deren Ausgang am Ende nur der Leser entscheiden kann.
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»Kumpfmüller nimmt [dem] Leben nichts von der Schwere, erzählt es aber leicht [...]. Kumpfmüllers Roman besticht durch seine Unaufdringlichkeit« Hannah Bethke FAS 20181104
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2018Wir sind beide Zitterkinder
In seinem neuen Roman "Tage mit Ora" schickt Michael Kumpfmüller ein Paar, das sich kaum kennt, auf einen Roadtrip durch Amerika und erzählt die Geschichte einer Annäherung
Tage mit Ora" verspricht der Schriftsteller Michael Kumpfmüller in seinem neuen Roman und scheint damit schon sehr genau anzukündigen, was den Leser erwartet. Denn um was anderes als eine große Liebe kann es sich handeln, wenn so romantisch und sehnsuchtsvoll einer offenbar begrenzten Zeit mit einer Frau gedacht wird, dass ihr ein ganzes Buch gewidmet wird? Doch alle, die sich keinen Illusionen mehr hingeben und gelungene Zweisamkeit für einen vorübergehenden Trugschluss halten, können sich freuen: Dieses Buch ist nichts für Romantiker.
Ein Mann lernt eine Frau auf einer Hochzeitsfeier kennen, sie bleiben in Kontakt, bekunden unverbindlich Interesse aneinander und machen nach wenigen Monaten eine Reise, ohne viel voneinander zu wissen, ohne sich schon einmal berührt zu haben, ohne dass überhaupt klar ist, ob es darum geht, eine Liebesbeziehung zu dem anderen aufzubauen. Sie planen einen Roadtrip durch Amerika, entlang jener Orte, die in einem Song der Lieblingsband Oras genannt werden. Er habe diese Idee charmant gefunden, schreibt der Mann und Ich-Erzähler, um sich dann korrigierend an den Leser zu wenden: "Okay, sie war bescheuert, aber wissen Sie, wie wenig mich das störte?" Die Ansprache an den Leser ist ein Stilmittel, das in dem Buch immer wieder auftaucht, zumeist nicht überzeugt, an dieser Stelle aber einigermaßen treffend ist: Es braucht die Brechung dieser Phantasie Oras, die sonst ein wenig zu sehr nach einer jugendlichen Schwärmerei geklungen hätte.
Wenig vertraut sind sie einander, als sie aus dem Flugzeug aussteigen und die Reise mit dem Auto beginnt. Mit jedem Tag, der vergeht, kommen sie sich in zarter Neugier ein bisschen näher, sie essen das erste Mal zusammen, erzählen von sich, übernachten vorerst in Einzelzimmern, aber wachsen durch das gemeinsame Reisen zaghaft zusammen. Alles vollzieht sich friedlich, ohne jede Aufregung, so wie alles, was zwischen ihnen geschieht, beiläufig ist, erwachsen - "gebraucht", wie der Mann einmal schreibt: "man sah die Gebrauchsspuren, dass sie eine gebrauchte Frau war, so wie ich ein gebrauchter Mann, aber ich mochte, wenn etwas gebraucht war".
Der Blick des Mannes, durch den der Leser die Geschichte sieht, dominiert das Geschehen, er bleibt bei sich und in sich, unternimmt nicht einmal den Versuch, sich vorzustellen, was in Ora vorgeht. Das reduziert auf irgendwie angenehme Weise Komplexität, umso mehr, als beide Protagonisten depressive Naturen sind, die ihre Neurosen mit Tabletten behandeln und die ganze Schwere des Lebens mit sich herumtragen. "Wir waren beide Zitterkinder", schreibt der Mann, der immer wieder mit dem Gedanken spielt, vom Balkon zu springen, während Ora sich in ihre Höhle verkriecht und der Überzeugung ist, dass niemand sie glücklich machen kann.
Doch das Glück kommt trotzdem angeschlichen, klopft leise an ihrer Tür, vielleicht. Scheinbar ohne dass sie es merken, werden Ora und der Mann liebevoller, geben, beide seelisch schwer bepackt, zunehmend aufeinander acht. Schließlich hören sie auf, in Einzelzimmern voreinander zu fliehen, teilen das Bett, verbringen Nächte miteinander und geben ihrem Zusammensein eine neue Dimension. Auch hier bleibt Kumpfmüller seinem leichten Erzählstil treu, beschreibt die Dinge unaufgeregt, manchmal selbstironisch, ohne der Geschichte ihre Besonderheit zu nehmen.
Die Erzählung ist flüchtig, die Bilder bleiben trotzdem haften, vielleicht weil das, was sie beschreiben, so nah am Leben ist. Der Ich-Erzähler stellt mit seinen Anfang fünfzig keine Fragen mehr - warum diese Frau, warum diese Reise, warum jetzt. Warum nicht.
Dass er sie liebt, sagt er nie. Ob sie in ihn verliebt ist, fragt er sie schon. Die Frau offenbart sich, der Mann hält sich mit Gefühlsbekundungen zurück - hier zeigt sich eine Facette der klassischen Rollenaufteilung zwischen den Geschlechtern, aber auch das nur flüchtig. Viel zu sehr sind beide Protagonisten mit sich selbst beschäftigt, mit dem, was sie zu tragen haben, mit ihren Versuchen, die dann doch etwas Sehnsuchtsvolles haben, einen Weg aus ihren seelischen Sackgassen zu finden, einander näherzukommen und an die Liebe, die zwischen ihnen entsteht, zu glauben. "Lieben war Drecksarbeit, eine elende Plackerei", schreibt der Mann.
Man mag ihm und Ora gerne dabei zusehen, denn Kumpfmüller nimmt ihrem Leben nichts von der Schwere, erzählt es aber leicht. Dabei unterläuft ihm allerdings auch die ein oder andere Ungenauigkeit, etwa, als er Ora einmal als "schmal" beschreibt, dann als "kompakt" und "kräftig". Durch seinen gänzlichen Verzicht auf Anführungszeichen und überwiegend auch der expliziten Kennzeichnung der Sprechperson wird außerdem manchmal nicht klar, wer was sagt - war es Ora, war es der Mann, waren es nur Gedanken des Mannes?
Wer gerade unter depressivem Liebeskummer leidet oder generell zu den pessimistisch-ironischen Zweiflern gehört, wird diesen von jeglicher Naivität freien Text gerne in die Hand nehmen. Kumpfmüllers Roman besticht durch seine Unaufdringlichkeit. Er spaziert, in sich ruhend, irgendwo mittendrin in das Leben dieser beiden Menschen hinein und eine Weile später wieder hinaus. Sein Buch ist wie eine Fotografie aus einem fahrenden Zug. Das Ende mag für Abgeklärte fast schon zu zuversichtlich sein, aber doch so zaghaft, dass es selbst depressive Seelen zu trösten vermag.
HANNAH BETHKE
Michael Kumpfmüller: "Tage mit Ora". Roman, Kiepenheuer & Witsch, 179 Seiten, 19 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In seinem neuen Roman "Tage mit Ora" schickt Michael Kumpfmüller ein Paar, das sich kaum kennt, auf einen Roadtrip durch Amerika und erzählt die Geschichte einer Annäherung
Tage mit Ora" verspricht der Schriftsteller Michael Kumpfmüller in seinem neuen Roman und scheint damit schon sehr genau anzukündigen, was den Leser erwartet. Denn um was anderes als eine große Liebe kann es sich handeln, wenn so romantisch und sehnsuchtsvoll einer offenbar begrenzten Zeit mit einer Frau gedacht wird, dass ihr ein ganzes Buch gewidmet wird? Doch alle, die sich keinen Illusionen mehr hingeben und gelungene Zweisamkeit für einen vorübergehenden Trugschluss halten, können sich freuen: Dieses Buch ist nichts für Romantiker.
Ein Mann lernt eine Frau auf einer Hochzeitsfeier kennen, sie bleiben in Kontakt, bekunden unverbindlich Interesse aneinander und machen nach wenigen Monaten eine Reise, ohne viel voneinander zu wissen, ohne sich schon einmal berührt zu haben, ohne dass überhaupt klar ist, ob es darum geht, eine Liebesbeziehung zu dem anderen aufzubauen. Sie planen einen Roadtrip durch Amerika, entlang jener Orte, die in einem Song der Lieblingsband Oras genannt werden. Er habe diese Idee charmant gefunden, schreibt der Mann und Ich-Erzähler, um sich dann korrigierend an den Leser zu wenden: "Okay, sie war bescheuert, aber wissen Sie, wie wenig mich das störte?" Die Ansprache an den Leser ist ein Stilmittel, das in dem Buch immer wieder auftaucht, zumeist nicht überzeugt, an dieser Stelle aber einigermaßen treffend ist: Es braucht die Brechung dieser Phantasie Oras, die sonst ein wenig zu sehr nach einer jugendlichen Schwärmerei geklungen hätte.
Wenig vertraut sind sie einander, als sie aus dem Flugzeug aussteigen und die Reise mit dem Auto beginnt. Mit jedem Tag, der vergeht, kommen sie sich in zarter Neugier ein bisschen näher, sie essen das erste Mal zusammen, erzählen von sich, übernachten vorerst in Einzelzimmern, aber wachsen durch das gemeinsame Reisen zaghaft zusammen. Alles vollzieht sich friedlich, ohne jede Aufregung, so wie alles, was zwischen ihnen geschieht, beiläufig ist, erwachsen - "gebraucht", wie der Mann einmal schreibt: "man sah die Gebrauchsspuren, dass sie eine gebrauchte Frau war, so wie ich ein gebrauchter Mann, aber ich mochte, wenn etwas gebraucht war".
Der Blick des Mannes, durch den der Leser die Geschichte sieht, dominiert das Geschehen, er bleibt bei sich und in sich, unternimmt nicht einmal den Versuch, sich vorzustellen, was in Ora vorgeht. Das reduziert auf irgendwie angenehme Weise Komplexität, umso mehr, als beide Protagonisten depressive Naturen sind, die ihre Neurosen mit Tabletten behandeln und die ganze Schwere des Lebens mit sich herumtragen. "Wir waren beide Zitterkinder", schreibt der Mann, der immer wieder mit dem Gedanken spielt, vom Balkon zu springen, während Ora sich in ihre Höhle verkriecht und der Überzeugung ist, dass niemand sie glücklich machen kann.
Doch das Glück kommt trotzdem angeschlichen, klopft leise an ihrer Tür, vielleicht. Scheinbar ohne dass sie es merken, werden Ora und der Mann liebevoller, geben, beide seelisch schwer bepackt, zunehmend aufeinander acht. Schließlich hören sie auf, in Einzelzimmern voreinander zu fliehen, teilen das Bett, verbringen Nächte miteinander und geben ihrem Zusammensein eine neue Dimension. Auch hier bleibt Kumpfmüller seinem leichten Erzählstil treu, beschreibt die Dinge unaufgeregt, manchmal selbstironisch, ohne der Geschichte ihre Besonderheit zu nehmen.
Die Erzählung ist flüchtig, die Bilder bleiben trotzdem haften, vielleicht weil das, was sie beschreiben, so nah am Leben ist. Der Ich-Erzähler stellt mit seinen Anfang fünfzig keine Fragen mehr - warum diese Frau, warum diese Reise, warum jetzt. Warum nicht.
Dass er sie liebt, sagt er nie. Ob sie in ihn verliebt ist, fragt er sie schon. Die Frau offenbart sich, der Mann hält sich mit Gefühlsbekundungen zurück - hier zeigt sich eine Facette der klassischen Rollenaufteilung zwischen den Geschlechtern, aber auch das nur flüchtig. Viel zu sehr sind beide Protagonisten mit sich selbst beschäftigt, mit dem, was sie zu tragen haben, mit ihren Versuchen, die dann doch etwas Sehnsuchtsvolles haben, einen Weg aus ihren seelischen Sackgassen zu finden, einander näherzukommen und an die Liebe, die zwischen ihnen entsteht, zu glauben. "Lieben war Drecksarbeit, eine elende Plackerei", schreibt der Mann.
Man mag ihm und Ora gerne dabei zusehen, denn Kumpfmüller nimmt ihrem Leben nichts von der Schwere, erzählt es aber leicht. Dabei unterläuft ihm allerdings auch die ein oder andere Ungenauigkeit, etwa, als er Ora einmal als "schmal" beschreibt, dann als "kompakt" und "kräftig". Durch seinen gänzlichen Verzicht auf Anführungszeichen und überwiegend auch der expliziten Kennzeichnung der Sprechperson wird außerdem manchmal nicht klar, wer was sagt - war es Ora, war es der Mann, waren es nur Gedanken des Mannes?
Wer gerade unter depressivem Liebeskummer leidet oder generell zu den pessimistisch-ironischen Zweiflern gehört, wird diesen von jeglicher Naivität freien Text gerne in die Hand nehmen. Kumpfmüllers Roman besticht durch seine Unaufdringlichkeit. Er spaziert, in sich ruhend, irgendwo mittendrin in das Leben dieser beiden Menschen hinein und eine Weile später wieder hinaus. Sein Buch ist wie eine Fotografie aus einem fahrenden Zug. Das Ende mag für Abgeklärte fast schon zu zuversichtlich sein, aber doch so zaghaft, dass es selbst depressive Seelen zu trösten vermag.
HANNAH BETHKE
Michael Kumpfmüller: "Tage mit Ora". Roman, Kiepenheuer & Witsch, 179 Seiten, 19 Euro
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