Die Generation der Kriegsteilnehmer lichtet sich. Immer weniger Menschen können wir nach ihren Gedanken und Eindrücken befragen. Im Tagebuch von Hans Lichtenbäumer (1925 -1995) begegnen wir dem authentischen Erleben eines jungen Menschen, der sich mit großer Ernsthaftigkeit mit seiner jeweiligen Situation auseinandersetzt. Das Tagebuch umfasst die Zeit von 1943 bis 1947. Es berichtet über den Reichsarbeitsdienst, die Einberufung zur Kriegsmarine, die Ausbildung und die Zeit an Bord im Atlantik. Es folgen verschiedene Stationen in Frankreich bis zum Kriegsende, dann die Stationen der Kriegsgefangenschaft, mit der Arbeit im Bergbau bis zur Heimkehr im Oktober 1947. Die erste Eintragung macht Lichtenbäumer als knapp 18-jähriger, die letzte kurz vor seinem 24. Geburtstag. Wir sehen Lichtenbäumer in seinem Zwiespalt zwischen Gehorsam und eigener Gewissensentscheidung und vielen anderen inneren und äußeren Nöten. Ein Fluchtpunkt ist seine Familie: Seine besondere Anteilnahme gilt der kleinen Schwester Uschi, natürlich auch den Eltern, den Geschwistern, den Großeltern. Die Widersprüche, die diesen jungen Mann umtreiben, werfen ihn immer wieder auf Glaubensfragen zurück. Sein Ringen um Fragen nach der Wahrheit mag für ihn ein individueller Akt von Sinngebung gewesen sein, den er gegen die Hoffnungslosigkeit zu setzen hatte. Neben der Ernsthaftigkeit und Reflexionsfähigkeit des Autors erstaunt auch die Konsequenz, mit der er das Tagebuch führte. Gab es doch erhebliche Widerstände; nicht nur beim Reichsarbeitsdienst, auch bei der Wehrmacht war Tagebuchschreiben verboten. Vielleicht war sein Tagebuchschreiben der Versuch, sich selbst das Weltgeschehen und seine Rolle darin zu erklären.