Christian Hannig sind Reiseführer fremd. Mit ihnen kommt man einem Land nicht wirklich nahe. Nicht das "Highlight", sondern der Weg ist das Ziel. Er fährt nicht durch, sondern in ein Land: zu den Menschen, ihrer Kultur und der Natur. Seine Haltung: Ehrfurcht vor dem, was da ist, Hören und Sehen, sich selber zur Nebensache machen, mit Worten Bilder malen, die Objektive nie erfassen, Bescheidenheit im "Outfit" (ohne Komfortprodukte und hochwertige Technik), weg von sozialen Unterschieden, fernab eines wie immer gearteten Wachstums- und Überlegenheitsdenkens. Sein "Tagebuch aus Totemland" entlang der alten Goldgräberspur nimmt den Leser mit auf die Reise, auf der die heutige geschichtlich geprägte Indianerkultur erlebt wird: unmittelbar, anschaulich und eindrucksvoll. Da wird keine Indianer-Romantik vermittelt, sondern Nachdenklichkeit und Staunen über die Wunder einer grandiosen Natur, einschließlich der Begegnung mit Menschen und Tieren. Eine Annäherung, die darauf beruht, nicht belehren zu wollen, sondern hofft, selbst besser zu werden im Umgang mit dem Fremden und neue Maßstäbe an das, was er ist und was er hat, zu legen. Dem Leser erschließt sich ein Kanada, das man so nicht für möglich hält.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.2011Pedaleure und Besserwisser
Der Autor ist selbst schuld, wenn man sein Buch besonders kritisch und aufmerksam liest. Denn allzu vollmundig lässt er sich im Klappentext feiern. Ihm, Christian Hannig, seien Reiseführer fremd, heißt es da. Er fahre nicht durch, sondern in ein Land: zu den Menschen. Da will uns also einer zeigen, wie man richtig zu reisen habe. Hannig ist mit dem Rad unterwegs, und zwar "ohne Komfortprodukte und hochwertige Technik". Er fährt zu den Indianern Kanadas, fliegt nach Vancouver, natürlich gefällt ihm die Stadt nicht. Er sattelt sein Rad, "als wär's mein Pferd", und dann nichts wie heraus aus dem Flughafen. Er sinniert darüber, dass die Leute wohl denken mögen: "Wohin so eilig, Radler?" - und dass seine Antwort darauf sehr lang wäre. Was aber, wenn sich keiner das fragt? Wenn nicht, wie es Hannig vorkommt, sich alle Welt darüber wundert, was der alte Herr mit dem Rad in Kanada macht? Schon bald ist er in einem Indianerreservat, lässt sich Geschichten erzählen, zückt aber nicht "nach Reporterart einen Notizblock" - fehlten nur noch, so der Autor weiter, "Mikrofon und Aufnahmegerät, und aus der Begegnung wäre ein kommerzieller Verschnitt geworden". Bei Hannig wird es das natürlich nicht. Stattdessen verpackt er in seinem Buch viele Momente seiner Reise. Manche sind interessant, denn er trifft viele Menschen, vieles aber überblättert man gerne. Wenn er etwa wieder und wieder beschreibt, wie die Menschen auf ihn, den "Pedalisten aus Old Germany", reagieren. Diese kokette Bescheidenheit, diese Eitelkeit eines Reisenden, der sich für den auf die einzig richtige Art Reisenden hält, zieht sich allzu penetrant durch das Buch.
bär
"Tagebuch aus Totemland. Auf alter Goldspur zu den Indianern Kanadas" von Christian Hannig. Donat Verlag, Bremen 2011. 192 Seiten. Broschiert, 12,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Autor ist selbst schuld, wenn man sein Buch besonders kritisch und aufmerksam liest. Denn allzu vollmundig lässt er sich im Klappentext feiern. Ihm, Christian Hannig, seien Reiseführer fremd, heißt es da. Er fahre nicht durch, sondern in ein Land: zu den Menschen. Da will uns also einer zeigen, wie man richtig zu reisen habe. Hannig ist mit dem Rad unterwegs, und zwar "ohne Komfortprodukte und hochwertige Technik". Er fährt zu den Indianern Kanadas, fliegt nach Vancouver, natürlich gefällt ihm die Stadt nicht. Er sattelt sein Rad, "als wär's mein Pferd", und dann nichts wie heraus aus dem Flughafen. Er sinniert darüber, dass die Leute wohl denken mögen: "Wohin so eilig, Radler?" - und dass seine Antwort darauf sehr lang wäre. Was aber, wenn sich keiner das fragt? Wenn nicht, wie es Hannig vorkommt, sich alle Welt darüber wundert, was der alte Herr mit dem Rad in Kanada macht? Schon bald ist er in einem Indianerreservat, lässt sich Geschichten erzählen, zückt aber nicht "nach Reporterart einen Notizblock" - fehlten nur noch, so der Autor weiter, "Mikrofon und Aufnahmegerät, und aus der Begegnung wäre ein kommerzieller Verschnitt geworden". Bei Hannig wird es das natürlich nicht. Stattdessen verpackt er in seinem Buch viele Momente seiner Reise. Manche sind interessant, denn er trifft viele Menschen, vieles aber überblättert man gerne. Wenn er etwa wieder und wieder beschreibt, wie die Menschen auf ihn, den "Pedalisten aus Old Germany", reagieren. Diese kokette Bescheidenheit, diese Eitelkeit eines Reisenden, der sich für den auf die einzig richtige Art Reisenden hält, zieht sich allzu penetrant durch das Buch.
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"Tagebuch aus Totemland. Auf alter Goldspur zu den Indianern Kanadas" von Christian Hannig. Donat Verlag, Bremen 2011. 192 Seiten. Broschiert, 12,80 Euro.
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