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Die Recherchen für seinen nächsten Comic "Habibi" und eine ausgedehnte Signiertour führten Craig Thompson 2004 für drei Monate nach Marokko und Europa. In seinem "Tagebuch einer Reise" hält er die Eindrücke und Erlebnisse dieser Zeit fest. Thompson stellt seine ausdrucksstarken Porträts der besuchten Orte und Menschen neben autobiografische und kolportierte Anekdoten. So entsteht in Skizzen und ausgearbeiteten Comicsequenzen ein lebendiges und sehr persönliches Buch, das einen Einblick in fremde Kulturen ermöglicht und den Leser an Craig Thompsons Reise teilhaben lässt.

Produktbeschreibung
Die Recherchen für seinen nächsten Comic "Habibi" und eine ausgedehnte Signiertour führten Craig Thompson 2004 für drei Monate nach Marokko und Europa. In seinem "Tagebuch einer Reise" hält er die Eindrücke und Erlebnisse dieser Zeit fest. Thompson stellt seine ausdrucksstarken Porträts der besuchten Orte und Menschen neben autobiografische und kolportierte Anekdoten. So entsteht in Skizzen und ausgearbeiteten Comicsequenzen ein lebendiges und sehr persönliches Buch, das einen Einblick in fremde Kulturen ermöglicht und den Leser an Craig Thompsons Reise teilhaben lässt.
Autorenporträt
Craig Thompson, geboren 1975 in Traverse City und aufgewachsen in einer Kleinstadt in Zentral-Wisconsin, trat mit seinem Comic "Good Bye Chunky Rice" ins Rampenlicht, dem er 2003 den beinahe 600 Seiten starken autobiografischen Titel "Blankets" folgen ließ. Für das vielfach preisgekrönte "Blankets" wurde Thompson international große Anerkennung weit über die Grenzen der Comicszene hinaus zuteil.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.11.2005

Buchstaben über der Stadt
Überall ist es besser, wo wir nicht sind: Craig Thompsons wunderbares "Tagebuch einer Reise"

Er hat Heimweh. Und das läßt nicht nach, selbst wenn er zu Hause ist. Craig Thompson, dreißig Jahre alt und wohnhaft in Portland unweit der amerikanischen Pazifikküste, ist einer der traurigsten Comic-Zeichner aller Zeiten. Er zeichnet, damit das weggeht: das Heimweh und der Kummer darüber, daß ihm die Freundin weggelaufen ist, daß nicht mehr soviel Schnee fällt wie damals, als er noch klein war auf der Farm in Wisconsin. Craig Thompson malt ständig Bäume in seine Comics, weil er sich entwurzelt fühlt: Er schafft sich Halt in schwarzweißen Bildern, und zeichnet sie so lange, bis seine Hand zu schmerzen beginnt, und selbst dann hört er nicht damit auf.

Und jetzt hat dieser Craig Thompson ein Reisetagebuch gezeichnet. Ausgerechnet. Es handelt davon, unterwegs am liebsten zu Hause zu sein. Weswegen er sich in der Fremde, in Paris und Marrakesch, in Genf und Barcelona immerzu neue Freunde sucht und manchmal auch findet, sie aber wieder verliert, weil er weiterziehen muß, worüber er so traurig ist, daß er diese Traurigkeit schnell aufzeichnet. Wegzeichnet.

Ist das dann überhaupt ein Reisebuch? Aber ja. Weil Thompson, dessen herzzerreißendes, autobiographisches Buch "Blankets" auf der Frankfurter Buchmesse als "Comic des Jahres 2005" ausgezeichnet wurde, bebildert, wie schön und wie schrecklich zugleich das Reisen sein kann, und das nicht nur, wenn man allein unterwegs ist.

Dieses "Tagebuch einer Reise" ist eher beiläufig entstanden, als Craig Thompson im Frühjahr 2004 auf Europa-Tournee ging, um in Comic-Läden und auf Comic-Messen die englischsprachige Ausgabe von "Blankets" zu signieren, mit der er zuvor schon reihenweise Preise gewonnen hatte. Eigentlich will er die drei Monate in Übersee nutzen, um für seinen nächsten Comic "Habibi" zu recherchieren, und zwar in Marokko, wohin er nach einigen Tagen Paris mit zu schönen Französinnen und zuviel französischem Essen aufbricht.

Das Essen und die Frauen, darum geht es. Ständig verliebt Thompson sich ein bißchen, und ständig rumort es in seinem Magen: "Ich bin ein MIESER REISENDER", jammert Thompson, "alles, was ich suche, sind Ruhe und Bequemlichkeit, und wenn möglich Gesellschaft . . . Jammer, Jammer." Und als er so jammert, taucht plötzlich eine niedliche Erdnußfigur auf: "Buu huu huu, Deine Freundin hat Dich verlassen", spottet die kleine Erdnuß, "dieser alte Mann hier muß auf der Straße betteln, weil es in Marokko keine Sozialhilfe gibt."

Thompson reist also mit schlechtem Gewissen, das weiß er, und es ärgert ihn. Er gibt sich - typisch amerikanischer "Lonely Planet"-Leser - als Kanadier aus, er schämt sich, als er einen Kofferträger engagiert, er schämt sich, wenn ihm die Bettler zuviel werden und die Händler, die ihm arabischen Kitsch andrehen wollen. Er wünscht sich am marokkanischen Strand an die rauhe Küste Oregons oder auf sein kaputtes blaues Fahrrad in Portland, er wünscht sich einen riesigen Bio-Salat oder Sushi statt all des fremden Zeugs.

Im nächsten Moment überwältigt ihn dann ein Himmel voller Schwalben, Tausende Schnecken an einem Marktstand, der Gleichmut eines Kamels, Storchennester auf dem Turm einer Moschee: All das kommt sofort ins Skizzenbuch. Das "Tagebuch einer Reise" ist ein Zufallsprodukt und so zufällig wie das, was nun mal auf Reisen im Gedächtnis bleibt: Nicht die Sehenswürdigkeiten, nicht das berühmte Palais El-Badi in Marrakesch, sondern ein kitschiges Lied von Cat Stevens im Straßencafé von Fez. "Hippie-Gelaber", stöhnt die kleine Erdnuß.

Irgendwann fliegt Craig Thompson zurück nach Frankreich, von Lyon geht es in die Berge, und von dort nach Toulouse und Montpellier und Genf: Frauen, Mansarden, Käsefondue, davon handelt Thompsons "sentimental journey", nicht so gelehrt wie bei Laurence Sterne, aber genauso empfindsam, so witzig und so erotisch. Und gezeichnet mit einer Bildkraft, die manchmal sprachlos macht: Dieser Mann ist erst dreißig. Warum ist er dann so weise?

In Barcelona ist Craig Thompson schließlich soweit, auszuwandern. Weil er sich schon wieder verliebt hat. So endet das "Tagebuch einer Reise": Erst will er nur wieder weg, dann will er nicht wieder weg. Schon in "Good-bye, Chunky Rice", seinem Debüt aus dem Jahre 1999, erzählte Craig Thompson von Aufbruch und Heimweh und wie bittersüß beides sei. "Seasick, yet still docked", das hat Morrissey vor Jahren einmal gesungen, der ist auch so ein unverbesserlicher Melancholiker: Seekrank, obwohl man noch vor Anker liegt. Man nennt das auch Reisefieber. Es ist mindestens genauso schön wie Heimweh.

TOBIAS RÜTHER

Craig Thompson, Tagebuch einer Reise. Reprodukt Comics, 224 Seiten, 16 Euro

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