Aus Kafkas Eigenart, Tagebücher zu führen - autobiographische und literarische Texte dabei miteinander mischend - , wird deutlich, wie stark Kafkas jeweilige Lebenssituation auf das Entstehen seines literarischen Werkes gewirkt hat; sie geben den Blick unvermittelt frei in seine Werkstatt. »Ich werde das Tagebuch nicht mehr verlassen. Hier werde ich mich festhalten ... « notiert er am 16. Dezember 1910.Neben diesen Tagebuchaufzeichnungen hat Kafka auch auf vier Reisen in den Jahren 1911 bis 1913 seine Eindrücke fixiert. Sie stehen in eigenen Heften und Notizblöcken, die die 12 erhaltenen Tagebuchhefte und zwei Restkonvolute (vermutlich eines weiteren Heftes) ergänzen. Dieser Text-Ausgabe liegt die Kritische Kafka-Edition zugrunde, das bedeutet, daß die Eintragungen den Heften entsprechend wiedergegeben werden, nicht nach der Chronologie.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.07.2012Wie fern sind mir
die Armmuskeln
Eintrag auf Ebay: „Sie bieten auf ein Franz-Kafka-T-Shirt aus Prag. Es wurde nur einmal getragen und ist in einem sehr guten Zustand.“ Nicht in Ordnung. Auch dass wir uns an Kafkas lakonischen, bitteren Tagebüchern delektieren, ist zweifelhaft. Doch wird, wer sie liest, glücklich – und für fast alles andere verloren sein. Am 13.12.1911 berichtet er von einem Traum: „Ein Hund lag mir auf dem Leib, eine Pfote nahe beim Gesicht, ich erwachte davon, aber hatte noch eine Weile Furcht, die Augen aufzumachen und ihn anzusehen.“ Über den Streber Goethe am 16.11.1910: „Ich lese Iphigenie auf Tauris. Darin ist . . . die ausgetrocknete deutsche Sprache im Munde eines reinen Knaben förmlich anzustaunen.“ Kafka spottet, liebt, hasst. Man muss sehr lachen, will aber jeden, der ihm was will, umhauen. (Zumal er beklagt: „Wie fern sind mir z. B. die Armmuskeln.“) Er ist der Größte. Er hat es ins Merchandising geschafft. Das muss man erst mal bejammern können. Diese Komik ist natürlich todernst.
Und nur so entsteht: Gute Unterhaltung! ALEXANDER GORKOW
Franz Kafka:
Tagebücher 1909-1912.
In der Fassung der Handschrift. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 436 Seiten, 48 Euro.
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die Armmuskeln
Eintrag auf Ebay: „Sie bieten auf ein Franz-Kafka-T-Shirt aus Prag. Es wurde nur einmal getragen und ist in einem sehr guten Zustand.“ Nicht in Ordnung. Auch dass wir uns an Kafkas lakonischen, bitteren Tagebüchern delektieren, ist zweifelhaft. Doch wird, wer sie liest, glücklich – und für fast alles andere verloren sein. Am 13.12.1911 berichtet er von einem Traum: „Ein Hund lag mir auf dem Leib, eine Pfote nahe beim Gesicht, ich erwachte davon, aber hatte noch eine Weile Furcht, die Augen aufzumachen und ihn anzusehen.“ Über den Streber Goethe am 16.11.1910: „Ich lese Iphigenie auf Tauris. Darin ist . . . die ausgetrocknete deutsche Sprache im Munde eines reinen Knaben förmlich anzustaunen.“ Kafka spottet, liebt, hasst. Man muss sehr lachen, will aber jeden, der ihm was will, umhauen. (Zumal er beklagt: „Wie fern sind mir z. B. die Armmuskeln.“) Er ist der Größte. Er hat es ins Merchandising geschafft. Das muss man erst mal bejammern können. Diese Komik ist natürlich todernst.
Und nur so entsteht: Gute Unterhaltung! ALEXANDER GORKOW
Franz Kafka:
Tagebücher 1909-1912.
In der Fassung der Handschrift. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 436 Seiten, 48 Euro.
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