Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.07.2012Wie fern sind mir
die Armmuskeln
Eintrag auf Ebay: „Sie bieten auf ein Franz-Kafka-T-Shirt aus Prag. Es wurde nur einmal getragen und ist in einem sehr guten Zustand.“ Nicht in Ordnung. Auch dass wir uns an Kafkas lakonischen, bitteren Tagebüchern delektieren, ist zweifelhaft. Doch wird, wer sie liest, glücklich – und für fast alles andere verloren sein. Am 13.12.1911 berichtet er von einem Traum: „Ein Hund lag mir auf dem Leib, eine Pfote nahe beim Gesicht, ich erwachte davon, aber hatte noch eine Weile Furcht, die Augen aufzumachen und ihn anzusehen.“ Über den Streber Goethe am 16.11.1910: „Ich lese Iphigenie auf Tauris. Darin ist . . . die ausgetrocknete deutsche Sprache im Munde eines reinen Knaben förmlich anzustaunen.“ Kafka spottet, liebt, hasst. Man muss sehr lachen, will aber jeden, der ihm was will, umhauen. (Zumal er beklagt: „Wie fern sind mir z. B. die Armmuskeln.“) Er ist der Größte. Er hat es ins Merchandising geschafft. Das muss man erst mal bejammern können. Diese Komik ist natürlich todernst.
Und nur so entsteht: Gute Unterhaltung! ALEXANDER GORKOW
Franz Kafka:
Tagebücher 1909-1912.
In der Fassung der Handschrift. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 436 Seiten, 48 Euro.
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die Armmuskeln
Eintrag auf Ebay: „Sie bieten auf ein Franz-Kafka-T-Shirt aus Prag. Es wurde nur einmal getragen und ist in einem sehr guten Zustand.“ Nicht in Ordnung. Auch dass wir uns an Kafkas lakonischen, bitteren Tagebüchern delektieren, ist zweifelhaft. Doch wird, wer sie liest, glücklich – und für fast alles andere verloren sein. Am 13.12.1911 berichtet er von einem Traum: „Ein Hund lag mir auf dem Leib, eine Pfote nahe beim Gesicht, ich erwachte davon, aber hatte noch eine Weile Furcht, die Augen aufzumachen und ihn anzusehen.“ Über den Streber Goethe am 16.11.1910: „Ich lese Iphigenie auf Tauris. Darin ist . . . die ausgetrocknete deutsche Sprache im Munde eines reinen Knaben förmlich anzustaunen.“ Kafka spottet, liebt, hasst. Man muss sehr lachen, will aber jeden, der ihm was will, umhauen. (Zumal er beklagt: „Wie fern sind mir z. B. die Armmuskeln.“) Er ist der Größte. Er hat es ins Merchandising geschafft. Das muss man erst mal bejammern können. Diese Komik ist natürlich todernst.
Und nur so entsteht: Gute Unterhaltung! ALEXANDER GORKOW
Franz Kafka:
Tagebücher 1909-1912.
In der Fassung der Handschrift. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 436 Seiten, 48 Euro.
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