Verunsicherung eines Versicherungsmaklers
»Draußen zeigt der Himmel sein strahlendes Blau, aber die Luft ist ziemlich frisch und ich kann mir in diesem Augenblick nicht vorstellen, dass es stimmt, was die Nachrichten im Radio angekündigt haben: bis zu dreißig Grad und gegen Abend möglicherweise ein paar Wärmegewitter.«
Robert Ames ist Versicherungsmakler in Hamilton, Ontario. An einem Freitagmorgen bricht er auf in einen ganz normalen Arbeitstag - am Abend aber stehen seine Ehe und sein ganzes Leben in Frage. Was ist geschehen?
Ein grandioser Roman über einen Mann, der als feinsinniger Beobachter sein Leben in den Blick nimmt und doch nicht verhindern kann, dass es ihm zu entgleiten droht.
Video: Stefan Mühldorfer über seinen neuen Roman 'Tagsüber dieses strahlende Blau'
»Draußen zeigt der Himmel sein strahlendes Blau, aber die Luft ist ziemlich frisch und ich kann mir in diesem Augenblick nicht vorstellen, dass es stimmt, was die Nachrichten im Radio angekündigt haben: bis zu dreißig Grad und gegen Abend möglicherweise ein paar Wärmegewitter.«
Robert Ames ist Versicherungsmakler in Hamilton, Ontario. An einem Freitagmorgen bricht er auf in einen ganz normalen Arbeitstag - am Abend aber stehen seine Ehe und sein ganzes Leben in Frage. Was ist geschehen?
Ein grandioser Roman über einen Mann, der als feinsinniger Beobachter sein Leben in den Blick nimmt und doch nicht verhindern kann, dass es ihm zu entgleiten droht.
Video: Stefan Mühldorfer über seinen neuen Roman 'Tagsüber dieses strahlende Blau'
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2009Das Hasenherz schlägt wieder
Stefan Mühldorfer hat eine American Novel geschrieben
Robert Ames reiht sich in den dichten Verkehr ein, der über die Main Street ins Zentrum von Hamilton, Ontario, fließt. Der Wetterbericht hat Temperaturen bis zu dreißig Grad angekündigt, und über der Stadt wölbt sich bereits am frühen Morgen ein freundlicher Himmel: "Tagsüber dieses strahlende Blau" heißt das Debüt von Stefan Mühldorfer, eines 1962 geborenen deutschen Schriftstellers, der in München lebt. Die Handlung seines ersten Romans hat er nach Kanada verlegt, in ein liebevoll ausgestattetes nordamerikanisches Ambiente. Basketballkörbe hängen über den Garagentoren der Wohnsiedlungen, Autohändler und Fast-Food-Restaurants zieren die Ausfallstraßen, und die Stimme des Erzählers schwingt im Rhythmus der englischen Sprache: "Zeit, die Dinge ins Rollen zu bringen".
Einiges wird an diesem "Bilderbuchfreitag" in Bewegung geraten, anders allerdings, als Robert Ames, 37 Jahre alt und Vertreter für Lebensversicherungen, es sich bei einem letzten Blick in seinen Zeitplaner vorgestellt hatte. Let's get things rolling: Auf dem Weg zu seinem ersten Termin spielt er am Straßenrand mit einer Gruppe von Teenagern eine Runde Fußball, und ähnlich wie das verunglückte Basketballspiel zu Beginn von John Updikes "Hasenherz" wird auch dieses Match nach einem rüden Foul des "senior player" an einem der Jugendlichen zum Auftakt einer Reihe von scheinbar schicksalhaften Ereignissen. Ames erkennt in einer Kundin eine Mitschülerin, in die er auf der Highschool verliebt war und die einem Flirt nicht abgeneigt zu sein scheint - nur um kurz darauf in einem Café seine eigene Frau mit einem fremden Mann zu beobachten und, nach einer hässlichen Eifersuchtsszene, in eine handfeste Auseinandersetzung zu geraten.
Es braucht mehr als "ein bisschen angetrocknetes Blut in den Mundwinkeln", um einen Menschen wie Robert Ames zu der Einsicht zu bewegen, dass Entscheidungen einem "manchmal in dem einen oder anderen Punkt aus der Hand genommen werden". Mühldorfer hat das eigentliche Drama geschickt auf die Ebene der Sprache verlegt und seinem Protagonisten ein stabiles Gerüst aus Gemeinplätzen gebaut, das selbst an einem Katastrophentag wie diesem nicht wackelt. "Man muss die Dinge auf sich zukommen lassen", behauptet er auch dann noch, als die Ereignisse ihn bereits überrollt haben, und selbst wenn er und seine Frau sich derzeit bei "Meinungsverschiedenheiten schwerer tun als früher", sei es doch das Wichtigste, "den Kopf nicht in den Sand zu stecken", sondern darauf zu vertrauen, "dass nichts ewig dauert, auch das Unglück nicht".
Natürlich ist das ein einziger großer Selbstbetrug. Zuletzt erweisen sich Ames' Vorstellungen von einem "normal erfolgreichen Leben" als genauso trügerisch wie die vermeintlich idyllischen Momentaufnahmen aus seinem nordamerikanischen Alltag, die wir in ähnlicher Form so oft im Kino gesehen haben, dass sie hier auf den ersten Blick ganz selbstverständlich Eingang finden in die deutschsprachige Literatur. Damit ist dies tatsächlich bis in den Bau der Kulissen hinein ein raffiniert konstruierter Roman. Das Einzige, was man Stefan Mühldorfer vorwerfen muss, ist, dass er seinem deutlich angeschlagenen Protagonisten in allerletzter Sekunde wieder auf die Beine hilft. Er hat es eigentlich nicht verdient.
KOLJA MENSING
Stefan Mühldorfer: "Tagsüber dieses strahlende Blau". Roman. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009. 238 S., br., 14,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Stefan Mühldorfer hat eine American Novel geschrieben
Robert Ames reiht sich in den dichten Verkehr ein, der über die Main Street ins Zentrum von Hamilton, Ontario, fließt. Der Wetterbericht hat Temperaturen bis zu dreißig Grad angekündigt, und über der Stadt wölbt sich bereits am frühen Morgen ein freundlicher Himmel: "Tagsüber dieses strahlende Blau" heißt das Debüt von Stefan Mühldorfer, eines 1962 geborenen deutschen Schriftstellers, der in München lebt. Die Handlung seines ersten Romans hat er nach Kanada verlegt, in ein liebevoll ausgestattetes nordamerikanisches Ambiente. Basketballkörbe hängen über den Garagentoren der Wohnsiedlungen, Autohändler und Fast-Food-Restaurants zieren die Ausfallstraßen, und die Stimme des Erzählers schwingt im Rhythmus der englischen Sprache: "Zeit, die Dinge ins Rollen zu bringen".
Einiges wird an diesem "Bilderbuchfreitag" in Bewegung geraten, anders allerdings, als Robert Ames, 37 Jahre alt und Vertreter für Lebensversicherungen, es sich bei einem letzten Blick in seinen Zeitplaner vorgestellt hatte. Let's get things rolling: Auf dem Weg zu seinem ersten Termin spielt er am Straßenrand mit einer Gruppe von Teenagern eine Runde Fußball, und ähnlich wie das verunglückte Basketballspiel zu Beginn von John Updikes "Hasenherz" wird auch dieses Match nach einem rüden Foul des "senior player" an einem der Jugendlichen zum Auftakt einer Reihe von scheinbar schicksalhaften Ereignissen. Ames erkennt in einer Kundin eine Mitschülerin, in die er auf der Highschool verliebt war und die einem Flirt nicht abgeneigt zu sein scheint - nur um kurz darauf in einem Café seine eigene Frau mit einem fremden Mann zu beobachten und, nach einer hässlichen Eifersuchtsszene, in eine handfeste Auseinandersetzung zu geraten.
Es braucht mehr als "ein bisschen angetrocknetes Blut in den Mundwinkeln", um einen Menschen wie Robert Ames zu der Einsicht zu bewegen, dass Entscheidungen einem "manchmal in dem einen oder anderen Punkt aus der Hand genommen werden". Mühldorfer hat das eigentliche Drama geschickt auf die Ebene der Sprache verlegt und seinem Protagonisten ein stabiles Gerüst aus Gemeinplätzen gebaut, das selbst an einem Katastrophentag wie diesem nicht wackelt. "Man muss die Dinge auf sich zukommen lassen", behauptet er auch dann noch, als die Ereignisse ihn bereits überrollt haben, und selbst wenn er und seine Frau sich derzeit bei "Meinungsverschiedenheiten schwerer tun als früher", sei es doch das Wichtigste, "den Kopf nicht in den Sand zu stecken", sondern darauf zu vertrauen, "dass nichts ewig dauert, auch das Unglück nicht".
Natürlich ist das ein einziger großer Selbstbetrug. Zuletzt erweisen sich Ames' Vorstellungen von einem "normal erfolgreichen Leben" als genauso trügerisch wie die vermeintlich idyllischen Momentaufnahmen aus seinem nordamerikanischen Alltag, die wir in ähnlicher Form so oft im Kino gesehen haben, dass sie hier auf den ersten Blick ganz selbstverständlich Eingang finden in die deutschsprachige Literatur. Damit ist dies tatsächlich bis in den Bau der Kulissen hinein ein raffiniert konstruierter Roman. Das Einzige, was man Stefan Mühldorfer vorwerfen muss, ist, dass er seinem deutlich angeschlagenen Protagonisten in allerletzter Sekunde wieder auf die Beine hilft. Er hat es eigentlich nicht verdient.
KOLJA MENSING
Stefan Mühldorfer: "Tagsüber dieses strahlende Blau". Roman. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009. 238 S., br., 14,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Außerordentlich gelungen findet Rezensent Lothar Müller das Romandebüt dieses nicht mehr ganz jungen Autors. Zwar komme es in "seinen Schauplätzen und Figuren wie in seiner Erzähltechnik" unverkennbar als Coverversion der amerikanischen Erzähler von John Cheever und Richard Yates bis zu Richard Ford daher, brauche sich aber davor nicht zu verstecken. Denn Stefan Mühldorfer schmiege nicht einfach in die zitierte "Hohlform" ein, sondern verwandele sich an, "indem er die Schlüsselposition des Ganzen mit eigenem Leben" fülle: die "Perspektive des Ich-Erzählers" nämlich. Zunehmend fasziniert lässt sich der Rezensent von diesem Erzähler "in jenem stetig vorrückenden Präsens" durch sein Dasein führen, die für ihn den amerikanischen Realismus prägen und verfolgt, wie geschickt Mühldorfer seinen Protagonisten, den Versicherungsvertreter Robert Ames eindeutscht und variiert. "Das soll dem Autor erst mal einer nachmachen", seufzt ein sattgelesener Müller am Schluss.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Das soll dem Autor erstmal einer nachmachen."
Lothar Müller, Süddeutsche Zeitung 25.07.2009
Lothar Müller, Süddeutsche Zeitung 25.07.2009