»Endlich wird eine der geheimnisvollsten Autorinnen des 20. Jahrhunderts in all ihren schillernden Facetten wiederentdeckt.« Orhan Pamuk
Idalina sucht einen Weg zwischen Vernunft und Leidenschaft, Luísa ringt um innere Stärke und Tuda um ein Leben ohne Therapeuten. In Kurzprosa von beispielloser Originalität lotet Clarice Lispector die Paradoxien des Daseins und die Grenzen des Sagbaren aus: Wahnsinn wird zu Weisheit, Angst zu Mut, wenn sie das Innerste ihrer nur auf den ersten Blick alltäglichen Figuren - meist Frauen - nach außen kehrt. Poetisch und tiefgründig, gleichen ihre Erzählungen flirrenden Träume von einer geheimnisvollen Welt... International als einer der Höhepunkte brasilianischer Literatur bekannt, ist Lispectors Kurzprosa im deutschsprachigen Raum noch zu entdecken. Der vorliegende Band mit vierzig teils erstmals ins Deutsche übertragenen Geschichten verspricht eine aufregende Begegnung mit der suggestiven Kraft ihrer Sprachkunst.
Idalina sucht einen Weg zwischen Vernunft und Leidenschaft, Luísa ringt um innere Stärke und Tuda um ein Leben ohne Therapeuten. In Kurzprosa von beispielloser Originalität lotet Clarice Lispector die Paradoxien des Daseins und die Grenzen des Sagbaren aus: Wahnsinn wird zu Weisheit, Angst zu Mut, wenn sie das Innerste ihrer nur auf den ersten Blick alltäglichen Figuren - meist Frauen - nach außen kehrt. Poetisch und tiefgründig, gleichen ihre Erzählungen flirrenden Träume von einer geheimnisvollen Welt... International als einer der Höhepunkte brasilianischer Literatur bekannt, ist Lispectors Kurzprosa im deutschsprachigen Raum noch zu entdecken. Der vorliegende Band mit vierzig teils erstmals ins Deutsche übertragenen Geschichten verspricht eine aufregende Begegnung mit der suggestiven Kraft ihrer Sprachkunst.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.11.2019Diese hintergründige Komik
Brasiliens Klassikerin: Der erste Band der sämtlichen Erzählungen von Clarice Lispector bietet viel Neues
In Lateinamerika wird Clarice Lispector bewundert, verehrt und selbstverständlich zu den Großen der Weltliteratur gezählt. Bei uns galt die 1920 in der Ukraine geborene und 1977 in Brasilien gestorbene Autorin mit ihren bisher vier übersetzten Romanen immer als Geheimtipp, anspruchsvoll und rätselhaft. Mit ihrem ersten Werk, "Nahe dem wilden Herzen", begann ihr literarischer Erfolg. Da war sie erst dreiundzwanzig und steckte sich bereits ihr Ziel: seelische Vorgänge insbesondere von Frauen minutiös zu beschreiben. Heute klingt das nicht selten ein wenig überholt, zumal wenn man die tastenden Anfänge ihrer frühen Erzählungen liest. Aber das kann auch reizvoll sein, weil es die Entwicklung einer begabten Autorin zeigt, die Zeitströmungen auf ihre Weise folgt.
Clarice Lispector, Tochter einer jüdischen Familie und kurz nach der Geburt mit ihren Eltern und den beiden älteren Schwestern vor den Pogromen in der Ukraine geflohen, wuchs im armen Norden Brasiliens auf. Sie konnte die Schule in Rio de Janeiro besuchen und dort auch Jura studieren, wurde Lehrerin und arbeitete als Journalistin. Durch ihre Ehe mit einem Diplomaten, der brasilianischer Botschafter in Neapel, Bern und Washington wurde, lernte sie Europa kennen. Virginia Woolf und Katherine Mansfield wurden ihre Vorbilder. Aber außer dass alle diese drei Schriftstellerinnen aus einer weiblichen Perspektive die Welt sehen und mit fein verästelter Genauigkeit beschreiben, haben sie wenig gemeinsam.
Der Penguin Verlag hat nun den ersten Band sämtlicher Erzählungen (ein zweiter soll folgen) herausgebracht, die meisten davon zum ersten Mal in deutscher Sprache. "Tagtraum und Trunkenheit einer jungen Frau" sind diese von Luis Ruby aus dem brasilianischen Portugiesisch übertragenen Texte überschrieben. Nach der ersten Gruppe von zehn Geschichten, über deren Qualität man streiten kann - insbesondere bei den "Briefen an Hermengardo" -, folgen "Familiäre Verbindungen". Auch hier fügen sich die Ich-Erzählerinnen den überlegenen Männern oder entwickeln ihnen gegenüber eine hasserfüllte Abwehr, die keinen glücklich macht. Kinder leiden hilflos unter den Spannungen zwischen ihren Eltern, alte Frauen verwandeln Güte in Boshaftigkeit, und der Humor, der gar nicht so selten aufblitzt, ist scharf, aber treffend.
Clarice Lispector verfügt über eine wunderbar reiche Sprache, oft braucht sie ermüdende, häufiger noch überraschende Vergleiche, um genau das auszudrücken, was sie meint. Die Handlung verliert dadurch an Spannung. Mit Dramatik zu fesseln ist allerdings auch gar nicht beabsichtigt: Clarice Lispector ist fasziniert von alltäglichen Szenen. Wie eine Frau vergeblich auf etwas wartet, was ihre Langeweile durchbrechen könnte, oder wie eine Familie den Geburtstag der angeblich so verehrten Großmutter feiert, das sind perfekte, mit hintergründiger Komik gewürzte Kabinettstücke erzählerischer Kunst. Clarice Lispector ist nur sechsundfünfzig Jahre alt geworden. Es lohnt, sie wieder zu entdecken.
MARIA FRISÉ
Clarice Lispector: "Tagtraum und Trunkenheit einer jungen Frau". Sämtliche Erzählungen I.
Hrsg. von Benjamin Moser.
Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Luis Ruby. Penguin Verlag, München 2019. 414 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Brasiliens Klassikerin: Der erste Band der sämtlichen Erzählungen von Clarice Lispector bietet viel Neues
In Lateinamerika wird Clarice Lispector bewundert, verehrt und selbstverständlich zu den Großen der Weltliteratur gezählt. Bei uns galt die 1920 in der Ukraine geborene und 1977 in Brasilien gestorbene Autorin mit ihren bisher vier übersetzten Romanen immer als Geheimtipp, anspruchsvoll und rätselhaft. Mit ihrem ersten Werk, "Nahe dem wilden Herzen", begann ihr literarischer Erfolg. Da war sie erst dreiundzwanzig und steckte sich bereits ihr Ziel: seelische Vorgänge insbesondere von Frauen minutiös zu beschreiben. Heute klingt das nicht selten ein wenig überholt, zumal wenn man die tastenden Anfänge ihrer frühen Erzählungen liest. Aber das kann auch reizvoll sein, weil es die Entwicklung einer begabten Autorin zeigt, die Zeitströmungen auf ihre Weise folgt.
Clarice Lispector, Tochter einer jüdischen Familie und kurz nach der Geburt mit ihren Eltern und den beiden älteren Schwestern vor den Pogromen in der Ukraine geflohen, wuchs im armen Norden Brasiliens auf. Sie konnte die Schule in Rio de Janeiro besuchen und dort auch Jura studieren, wurde Lehrerin und arbeitete als Journalistin. Durch ihre Ehe mit einem Diplomaten, der brasilianischer Botschafter in Neapel, Bern und Washington wurde, lernte sie Europa kennen. Virginia Woolf und Katherine Mansfield wurden ihre Vorbilder. Aber außer dass alle diese drei Schriftstellerinnen aus einer weiblichen Perspektive die Welt sehen und mit fein verästelter Genauigkeit beschreiben, haben sie wenig gemeinsam.
Der Penguin Verlag hat nun den ersten Band sämtlicher Erzählungen (ein zweiter soll folgen) herausgebracht, die meisten davon zum ersten Mal in deutscher Sprache. "Tagtraum und Trunkenheit einer jungen Frau" sind diese von Luis Ruby aus dem brasilianischen Portugiesisch übertragenen Texte überschrieben. Nach der ersten Gruppe von zehn Geschichten, über deren Qualität man streiten kann - insbesondere bei den "Briefen an Hermengardo" -, folgen "Familiäre Verbindungen". Auch hier fügen sich die Ich-Erzählerinnen den überlegenen Männern oder entwickeln ihnen gegenüber eine hasserfüllte Abwehr, die keinen glücklich macht. Kinder leiden hilflos unter den Spannungen zwischen ihren Eltern, alte Frauen verwandeln Güte in Boshaftigkeit, und der Humor, der gar nicht so selten aufblitzt, ist scharf, aber treffend.
Clarice Lispector verfügt über eine wunderbar reiche Sprache, oft braucht sie ermüdende, häufiger noch überraschende Vergleiche, um genau das auszudrücken, was sie meint. Die Handlung verliert dadurch an Spannung. Mit Dramatik zu fesseln ist allerdings auch gar nicht beabsichtigt: Clarice Lispector ist fasziniert von alltäglichen Szenen. Wie eine Frau vergeblich auf etwas wartet, was ihre Langeweile durchbrechen könnte, oder wie eine Familie den Geburtstag der angeblich so verehrten Großmutter feiert, das sind perfekte, mit hintergründiger Komik gewürzte Kabinettstücke erzählerischer Kunst. Clarice Lispector ist nur sechsundfünfzig Jahre alt geworden. Es lohnt, sie wieder zu entdecken.
MARIA FRISÉ
Clarice Lispector: "Tagtraum und Trunkenheit einer jungen Frau". Sämtliche Erzählungen I.
Hrsg. von Benjamin Moser.
Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Luis Ruby. Penguin Verlag, München 2019. 414 S., geb., 24,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension
Rezensent Jens Uthoff empfiehlt Clarice Lispectors zum 100. Geburtstag der Autorin erscheinende frühe Erzählungen aus den 60er Jahren. Schon die Einstiegssätze stürzen den Rezensenten in anregende Verwirrung. Schräge Figurenzeichnungen, alles andere als stringente Handlungsverläufe und rudimentär bleibende Geschichten folgen, erklärt Uthoff. Abschrecken möchte er uns aber keineswegs, im Gegenteil. Einladen will er uns, den Mangel an Kausalität in den Storys als Spannungsmotor und Gewinn zu erkennen und all die mit ihren Rollen hadernden Frauenfiguren in den Texten zusammen mit der Autorin ironisch zu begleiten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Eine wirklich außergewöhnliche Schriftstellerin.« Jonathan Franzen