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Originally featured in the New Yorker's 'Talk of the Town' column, these are Jamaica Kincaid's first impressions of snobbish, mobbish New York.

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Produktbeschreibung
Originally featured in the New Yorker's 'Talk of the Town' column, these are Jamaica Kincaid's first impressions of snobbish, mobbish New York.
Autorenporträt
Jamaica Kincaid was born in St. John's, Antigua. Her books include At the Bottom of the River, Annie John, Lucy, The Autobiography of My Mother, and My Brother. She lives with her family in Vermont.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.03.2024

Vom Mittelpunkt
der Welt
Erst war die glamouröse Jamaica Kincaid selbst
„Talk of the town“, dann schrieb sie wie keine andere
für die gleichnamige Kolumne im „New Yorker“.
Ihre Texte atmen eine unglaubliche Freiheit.
VON JOHANNA ADORJÁN
Nach Lektüre der Kolumnen, die Jamaica Kincaid in den Jahren 1978 bis 1983 für den New Yorker schrieb, ist man versucht, mal etwas ganz Neues auszuprobieren. Diesen Text hier zum Beispiel in Dialogform zu schreiben. Als Unterhaltung zweier Menschen, die man zufällig dabei belauscht, wie sie sich über die frühen Texte von Jamaica Kincaid austauschen. So wäre sie selbst vielleicht an die Sache herangegangen.
Sie war damals um die dreißig und eine Erscheinung. Eine 1,80 Meter große Schwarze mit raspelkurz geschorenen, weißblond gefärbten Haaren, abrasierten und als Strich hingepinselten Augenbrauen, die zu Vintage-Kostümen aus den 1930er-Jahren Hütchen und Sattelschuhe trug. Ihre Beziehung zum New Yorker begann damit, dass sie gelegentlich in dessen Gesellschaftskolumne „Talk of the town“ auftauchte – als besonders schillernde Persönlichkeit der New Yorker Abendgesellschaft. Dann wechselte sie die Seiten. Auf Empfehlung eines befreundeten New Yorker-Autors schrieb sie bald selbst für die einst legendäre Kolumne über den Mittelpunkt der westlichen Welt, der New York damals war. Und für ein paar Jahre fiel etwas von ihrer Coolness auf das Magazin.
Ihre erste Kolumne handelte von dem Kulturkreis, in dem sie aufgewachsen war. Es ging um den in Brooklyn stattfindenden Karneval der Einwanderer von den Westindischen Inseln, und dort, genauer: auf der kleinen Karibikinsel Antigua, wurde Jamaica Kincaid 1949 als Elaine Potter Richardson geboren. Mit 17 ging sie nach New York, wo sie als Au-pair-Mädchen Geld verdienen und nach Hause schicken sollte, um ihre Familie zu unterstützen. Aber sie hatte andere Pläne. Sie brach den Kontakt nach Hause ab, legte sich den illuster klingenden Namen Jamaica Kincaid zu und bewarb sich bei der Zeitschrift Mademoiselle. Doch die stelle keine schwarzen Mädchen ein, beschied man ihr. Heute gibt es die Mademoiselle nicht mehr, die letzte Ausgabe erschien 2001. Jamaica Kincaid lebt als international gefeierte Schriftstellerin in Vermont. Ihre Romane handeln von den Folgen des Kolonialismus, von ihrer Kindheit und der komplizierten Beziehung zu ihrer Mutter.
Gleich ihre erste New Yorker-Kolumne, eben jener Bericht über den Westindischen Karneval in Brooklyn, stellte klar, dass man es hier nicht mit irgendeiner Autorin zu tun hat, sondern ausgesprochen mit ihr und nur ihr: Jamaica Kincaid. Sie habe eigentlich, behauptet sie in einem Vorwort zu dem Kolumnen-Band, nur Notizen abgegeben und angenommen, jemand mache daraus noch einen stringenten Text. Zu ihrer Überraschung habe man dann die Notizen gedruckt, wie sie waren. Ganz so wird es nicht gewesen sein. Es ist ein stringenter Text, in dem sie selbst in der dritten Person als Jamaica auftaucht, die ihre Eindrücke vom Karneval schildert, und zwar so lebendig und mündlich, als käme sie gerade von dort angerannt und erzähle das alles noch außer Atem. „Dann war Mighty Sparrow dran. Er trug eine blaue Polyesterhose und ein buntes Hemd und hatte eine Pfeife um den Hals hängen. Er sang eine Nummer mit dem Titel ,Come See Miss Mary‘, die war, na ja, sehr gewagt, und danach sang er das Lied ,We Passed That Stage‘. Das ging so: …“
Nach der Lektüre hat man das Gefühl, man wäre selbst dabei gewesen. Und dieses Kunststück gelingt ihr fast immer. Ob sie nun über die Diskothek „La Martinique“ schreibt, die freitagnachts wohl nicht schlecht war, einen Antiquitätenmarkt, den sie anhand von dort aufgeschnappten Gesprächsfetzen beschreibt, oder irgendeinen absurden Pressetermin, etwa der, bei dem die Katze vorgestellt wurde, die in einem Musical mit Liv Ullmann in der Hauptrolle einen Auftritt hatte.
Ihre Herangehensweise an die Sujets ist mit großem Vorsatz ungewöhnlich, und natürlich wurde einer schreibend so freien Person das Korsett der „Talk of the town“-Kolumne bald zu eng. Die Geschichten müssen in New York spielen, man schreibt wir wenn man ich meint, das Ende ist schwebend, „Talk of the town“-Geschichten enden noch heute jäh im Nichts. Innerhalb dieses starren Rahmens, der von anderen Autoren brav bedient wird, hat Kincaid getanzt.
Einmal besucht sie einen Pressetermin zu Ehren des Wirtschaftsnobelpreisträgers und listet anschließend jeden Kostenpunkt auf, der mit dem Termin zu tun hatte, bis hin zum Anzug des Nobelpreisträgers (250 Dollar), der eigenen Kleidung inklusive Haaren und Make-up (65 Dollar) und dem Wert des Gebäudes, in dem der Termin stattfand (40 Millionen Dollar). Der Text endete mit der geschätzten Gesamtsumme von 40 002 018,34 Dollar. Und sogar mit diesem absoluten Gaga-Wert schafft sie es, dem Leser ein ziemlich konkretes Gefühl für diese Veranstaltung zu vermitteln – und schenkt ihm zugleich etwas Wertvolles: den Trost, dass es wirklich überhaupt nichts ausmacht, da nicht dabei gewesen zu sein.
Als sie einmal im Radio hört, die Beatles – John Lennon lebte damals, 1979, noch – würden sich wieder zusammentun, um ein Benefizkonzert zu spielen, läuft sie zu Hochform auf. „Könnt ihr euch vorstellen, dass die Beatles wiederkommen und zusammen spielen?“, sagt der Radiomoderator. Von dieser Frage ausgehend zündet Kincaid ein Feuerwerk all der Dinge, die sie sich noch so vorstellen kann. „Ich stellte mir vor, dass ich in den Mann verliebt war, der das Prinzip der Wasserstoffbrückenbindung entdeckt hatte, und dass er auch in mich verliebt war und dass alles beinahe wunderbar war; ich stellte mir vor, dass meine Lieblingsfarbe Rot war und meine Lieblingswörter ,lebhaft‘, ,erstaunlich‘, ,enigmatisch‘, ,Ennui‘ und ,heulen‘; ich stelle mir vor, dass ich, obwohl ich nicht gestorben war, im Himmel war; ich stellte mir vor, dass alle Menschen, die ich nicht leiden konnte, in ein großes Fass gesteckt und von einem hohen Berg in ein tiefes, tiefes Meer gerollt wurden (...).“ Und nachdem sie wieder zu den Beatles kommt, von denen sie sich gut vorstellen kann, dass die wieder zusammen spielen, endet sie lakonisch: „Nichts von alledem bedeutete mir irgendetwas.“
„Talk Stories“ erscheint im kleinen Schweizer Verlag Kampa, der sich vorgenommen hat, Kincaids Werk im deutschsprachigen Raum bekannt zu machen. Vielleicht wäre es nicht schlecht gewesen, zusätzlich zum übersetzten Vorwort der Originalausgabe aus dem Jahr 2001 noch ein aktuelles Vor- oder Nachwort hinzuzufügen. Dafür sieht das Cover toll aus: Es zeigt Jamaica Kincaid kurz vor ihrer Zeit beim New Yorker, in einem Moment, in dem sie selbst noch Thema von „Talk of the town“ war. Mit einem Seidenschal um den Hals und einem schräg aufgesetztem Hut auf den weißblonden Haaren liegt sie, Zigarette zwischen den Fingern, schräg über ein geblümtes Canapé gegossen und sieht den Betrachter, die dünnen Augenbrauen unendlich weit hochgezogen, interessant gelangweilt an.
Nach der Lektüre hat
man das Gefühl, man wäre
selbst dabei gewesen
Die amerikanische Autorin Jamaica Kincaid, 1949 auf Antigua geboren.
Foto: Pontus Lundahl / IMAGO/TT
Jamaica Kincaid:
Talk Stories. Kolumnen
aus dem New Yorker.
Aus dem Englischen von Anna Leube und Wolf
Heinrich Leube.
Kampa, Zürich 2024.
256 Seiten, 24 Euro.
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