Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Tallinn und Riga erstmals in ihrer Geschichte zu Regierungssitzen souveräner Staaten. Vorschläge, wie man ihr Erscheinungsbild dieser neuen Rolle anpassen könnte, beschäftigten fortan die estnische und die lettische Presse. Spuren einer repräsentativen Bautätigkeit während der Zwischenkriegszeit nimmt man - bei flüchtigem Hinsehen - heute am ehesten in Riga wahr. Andreas Fülberth relativiert diesen Eindruck, indem er auch unverwirklichten Projekten in Tallinn nachgeht und Vergleiche zu Kaunas zieht, das bis 1939 anstelle des polnisch besetzten Vilnius (Wilna) Ersatzhauptstadt Litauens war. Selbst für das Provisorium Kaunas kann er zielstrebige Ausbaupläne aufzeigen. Seine besondere Aufmerksamkeit gilt den autoritären Herrschaftsformen im Baltikum ab 1934 (in Litauen bereits ab 1926), da diese eine deutliche Intensivierung der Bau- und Planungstätigkeit mit sich brachten.