Sommer 1899: Die zehnjährige Mizzi lebt und arbeitet mit ihrer strenggläubigen Mutter im Gasthaus des Onkels. Zwischen Religion und Aberglauben wird sie groß, eingebettet in eine festgefügte Dorfgemeinschaft und deren ungeschriebene Gesetze. Erst die Sommerfrischler und Berggymnasten bringen frischen Wind in den kleinen, friedlichen Gebirgsort.Doch dann treibt eines Tages das Lisei aus dem Armenhaus tot in der Tiroler Ache. Hat der Stelzenbauer Franz das Mädchen unter Wasser gedrückt oder war es doch die unheimliche Waldfrau, wie sie im Dorf munkeln? Nur Mizzi hat gesehen, was wirklich passiert ist, aber niemand will ihr Glauben schenken.Und dann beginnt es ohne Unterlass zu regnen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.08.2023Mythen
hüten
In ihrem Roman „Talsommer“
entführt Sandra Altmann in die
Bergwelt der Chiemgauer Alpen
Marquartstein – Sommer, eine Chiemgauer Berglandschaft und ein uriges Dörfchen. Was zunächst nach einem idyllischen Wanderurlaub klingt, ist in „Talsommer“ für Mizzi im Jahr 1899 anstrengender Alltag. Die Zehnjährige wächst mit der strenggläubigen Mutter nach dem Tod ihres Vaters beim Onkel in Marquartstein auf, in dessen Gasthof Mizzi fleißig mitarbeitet. Ihr Alltag ist geprägt von Arbeit, Religion und dem lokalen Aberglauben der Dorfgemeinde. Dort bestimmen Druden, Waldfrauen und andere mythische Wesen den Tagesrhythmus. Die Sommerfrischler und berühmte Künstler wie Anton Müller-Wischin oder Richard Strauss, die sich im Bergort erholen wollen oder inspirieren lassen, scheinen aus einer anderen Welt zu stammen. Während die Besucher sich über die Mythen und Geschichten, die Mizzi erzählt, amüsieren, lauscht diese den modernen Ansichten der Gäste neugierig.
Eines Tages beobachtet Mizzi eine Tragödie, während sie dem Maler Müller hilft: Beim Spielen in der Tiroler Ache kommt ihre Freundin Liesei ums Leben. Mizzi hat gesehen, was passierte, doch nun will keiner dem Mädchen Glauben schenken.
Die Autorin Sandra Altmann, geboren 1978 in Landshut, lebt inzwischen selbst in Marquartstein in den Chiemgauer Bergen. Ihr neuer Roman spielt quasi vor der eigenen Haustür. Davor studierte Altmann Germanistik und Latinistik in Regensburg und arbeitete in Murnau als Lehrerin. 2022 erschien ihre erste Erzählung „Unter Eulen“ bei Tredition. Mit „Talsommer“, erschienen im Volk Verlag, widmet sich die Autorin nun einem historischen Thema.
Mit stimmungsvoll authentischer Sprache schafft sie es, die Leser in eine mystische Bergwelt um die Jahrhundertwende zu entführen. Die Autorin schreibt aus der Sicht eines Kindes, das schon den Aberglauben und die düsteren Geschichten der Gemeinschaft verinnerlicht hat, gleichzeitig noch eine Neugier auf die Welt außerhalb Marquartsteins in sich trägt. So hinterfragt Mizzi die festgefahrenen Ansichten und ungeschriebenen Gesetze im Dorf, wird dafür aber nur getadelt oder ignoriert. Besonders eindrücklich wird Mizzis Ohnmacht nach dem Tod ihrer Freundin Liesei, als ihre Meinung von den meisten nur als kindlicher Irrsinn abgetan wird. Altmanns Sprache ist leicht und direkt, passend zur jungen Protagonistin, schafft es aber dabei, beklemmende Situationen glaubwürdig und intensiv zu vermitteln.
„Talsommer“ ist ein Buch, das fesselt und auch mal bedrückt, das man aber sicher nicht mehr aus der Hand legen will. Eine klare Empfehlung für alle, die sich in die Welt und Mythen der Chiemgauer Berge um die Jahrhundertwende mitreißen lassen wollen.
SINA NACHTRUB
Sandra Altmann: „Talsommer“, Hardcover, 2023, erschienen im Volk Verlag
Sandra Altmann lebt inzwischen in Marquartstein.
Foto: Dominik Vogel / Crea Motions
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
hüten
In ihrem Roman „Talsommer“
entführt Sandra Altmann in die
Bergwelt der Chiemgauer Alpen
Marquartstein – Sommer, eine Chiemgauer Berglandschaft und ein uriges Dörfchen. Was zunächst nach einem idyllischen Wanderurlaub klingt, ist in „Talsommer“ für Mizzi im Jahr 1899 anstrengender Alltag. Die Zehnjährige wächst mit der strenggläubigen Mutter nach dem Tod ihres Vaters beim Onkel in Marquartstein auf, in dessen Gasthof Mizzi fleißig mitarbeitet. Ihr Alltag ist geprägt von Arbeit, Religion und dem lokalen Aberglauben der Dorfgemeinde. Dort bestimmen Druden, Waldfrauen und andere mythische Wesen den Tagesrhythmus. Die Sommerfrischler und berühmte Künstler wie Anton Müller-Wischin oder Richard Strauss, die sich im Bergort erholen wollen oder inspirieren lassen, scheinen aus einer anderen Welt zu stammen. Während die Besucher sich über die Mythen und Geschichten, die Mizzi erzählt, amüsieren, lauscht diese den modernen Ansichten der Gäste neugierig.
Eines Tages beobachtet Mizzi eine Tragödie, während sie dem Maler Müller hilft: Beim Spielen in der Tiroler Ache kommt ihre Freundin Liesei ums Leben. Mizzi hat gesehen, was passierte, doch nun will keiner dem Mädchen Glauben schenken.
Die Autorin Sandra Altmann, geboren 1978 in Landshut, lebt inzwischen selbst in Marquartstein in den Chiemgauer Bergen. Ihr neuer Roman spielt quasi vor der eigenen Haustür. Davor studierte Altmann Germanistik und Latinistik in Regensburg und arbeitete in Murnau als Lehrerin. 2022 erschien ihre erste Erzählung „Unter Eulen“ bei Tredition. Mit „Talsommer“, erschienen im Volk Verlag, widmet sich die Autorin nun einem historischen Thema.
Mit stimmungsvoll authentischer Sprache schafft sie es, die Leser in eine mystische Bergwelt um die Jahrhundertwende zu entführen. Die Autorin schreibt aus der Sicht eines Kindes, das schon den Aberglauben und die düsteren Geschichten der Gemeinschaft verinnerlicht hat, gleichzeitig noch eine Neugier auf die Welt außerhalb Marquartsteins in sich trägt. So hinterfragt Mizzi die festgefahrenen Ansichten und ungeschriebenen Gesetze im Dorf, wird dafür aber nur getadelt oder ignoriert. Besonders eindrücklich wird Mizzis Ohnmacht nach dem Tod ihrer Freundin Liesei, als ihre Meinung von den meisten nur als kindlicher Irrsinn abgetan wird. Altmanns Sprache ist leicht und direkt, passend zur jungen Protagonistin, schafft es aber dabei, beklemmende Situationen glaubwürdig und intensiv zu vermitteln.
„Talsommer“ ist ein Buch, das fesselt und auch mal bedrückt, das man aber sicher nicht mehr aus der Hand legen will. Eine klare Empfehlung für alle, die sich in die Welt und Mythen der Chiemgauer Berge um die Jahrhundertwende mitreißen lassen wollen.
SINA NACHTRUB
Sandra Altmann: „Talsommer“, Hardcover, 2023, erschienen im Volk Verlag
Sandra Altmann lebt inzwischen in Marquartstein.
Foto: Dominik Vogel / Crea Motions
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de