Ein Krimi. Aber kein Krimi wie tausend andere. Ein Diamant unter Kieselsteinen, basierend auf einem bis heute ungeklärten Mordfall aus den 20er Jahren. Dieses Buch ist...außergewöhnlich! Grandios!
Ein großer Teil der Faszination gründet sicherlich darauf, dass diesem Buch ein tatsächlicher Fall
zu Grunde liegt, dass dieser Mord tatsächlich so geschehen ist, vor fast 90 Jahren und bis heute…mehrEin Krimi. Aber kein Krimi wie tausend andere. Ein Diamant unter Kieselsteinen, basierend auf einem bis heute ungeklärten Mordfall aus den 20er Jahren. Dieses Buch ist...außergewöhnlich! Grandios!
Ein großer Teil der Faszination gründet sicherlich darauf, dass diesem Buch ein tatsächlicher Fall zu Grunde liegt, dass dieser Mord tatsächlich so geschehen ist, vor fast 90 Jahren und bis heute ungeklärt, dass die Personen im Buch tatsächlich existierende Vorbilder haben, dass die ganzen Hintergründe rund um die Tat tatsächlich so vorhanden waren. Der Inzest, die vermutete Person auf dem Dachboden, der Monteur, der die Maschine repariert, der Mörder, der das Vieh versorgt.... Das Internet ist voll mit Informationen dazu und man fühlt den Drang nachzuforschen, mehr zu erfahren.
Dieses Buch hat Bilder in meinem Kopf geformt, wie selten zuvor ein Buch. Ich sah alles vor mir: den Hof, das Bauernhaus, den Wald, den Stadel, die über das Gebetbuch gebeugte alte Bäuerin, die Kammer der Magd, die Rauchküche, den Stall, das Vieh, die Düsternis,.... Ich konnte das Düstere, Unheimliche richtig fühlen, es umgab mich, es zog mich in seinen Bann.
Zu Beginn erscheint die Erzählweise unsortiert, chaotisch und erst nach und nach erschließt sich die Geschichte. Abwechselnd werden der Tathergang und die Entdeckung der Leichen geschildert, werden Berichte eingeschoben und kommen die Dorfbewohner zu Wort - im Gespräch mit dem Unbekannten, der zu Beginn des Buches kurz, eine halbe Seite lang, in Erscheinung tritt, dessen Identität dann aber im Verborgenen bleibt, dessen Beiträge zu den Gesprächen nicht erscheinen.
Die eingeschobenen Litaneien stoßen den Leser geradezu auf den vorgegebenen Kontrast zwischen fast schon fundamentalistischer blinder Gläubigkeit und den Abgründen der menschlichen Seele, vor denen letztendlich auch heruntergeleierte Gebete nicht zu schützen vermögen. Andrea Maria Schenkel zerrt diese heuchlerische Frömmigkeit gnadenlos ins Licht.
Die Beschränkung bei der Wiedergabe der Befragungen der Dorfbewohner auf die Antworten und Erzählungen derselben, gerade die Zitierung des Gesagten Wort für Wort ermöglicht dem Leser Einblicke in die Charaktere, in deren Lebensumstände, in ihre Sicht der Dinge in einer Tiefe, die anders kaum möglich gewesen wäre. Wären diese Gespräche in der Art wiedergegeben wie in anderen, in gewöhnlichen Romanen üblich, hätten die Schilderungen nie diese Dimension der Eindringlichkeit erreichen können. Andrea Maria Schenkel braucht keine seitenlangen langweiligen Personenbeschreibungen, um ihre Charaktere darzustellen. Sie schafft es, ein weitaus klareres Bild von diesen zu zeichnen, indem sie sie einfach nur sprechen lässt, als dies durch eine solche Beschreibung jemals möglich wäre.
Das wahre Gesicht der Menschen einer Dorfgemeinschaft in einem ach so idyllischen bayerischen Dorf der Nachkriegszeit, die Blindgläubigkeit der frömmelnden Katholiken, die Beziehungen der Bewohner eines abgelegenen Dorfes mit all seinen Abgründen treten nach und nach zu Tage. Dieses Buch ist auch ein gelungenes Gesellschaftsportrait eines solchen Umfeldes ohne jeden Schnickschnack und Weichzeichner.
Unheimlich und düster ist dieses Buch. Reduziert auf das Wesentliche, auf die Menschen und die Abgründe ihrer Seelen. Andrea Maria Schenkel verzichtet auf jegliche Ausschmückung, jeden Zierrat. Wozu auch? Man spürt sich beim Lesen hinein in die Atmosphäre, die diesen Hof und seine wortkargen, schwer arbeitenden und frömmelnden Menschen umgibt. Es bleiben Fragen. Letztendlich sind das aber auch die Fragen, die bei dem zu Grunde liegenden Mordfall offen geblieben sind.
Fazit: Das war sicher „schwere Kost“, nicht das, was man unbeschwertes Lesevergnügen oder spannende Unterhaltung nennen würde. Dieses Buch geht unter die Haut und ist für mich jeden Preis wert, den es erhalten hat. Endlich mal eins! Aber ebenso sicher auch ein Buch, das polarisiert. Die einen wird es faszinieren, die andern werden es ablehnen.