Geschichten aus dem Hohen Norden beglückend komisch und mit einem verführerischen Sog.
Tante Elsie, die einen Schuss Erotik in die ländliche Kinderwelt trägt. Der Schiedsrichter, der aus persönlichen Gründen den fälligen Elfmeter am liebsten nicht pfeifen würde. Und der glücklose Rockgitarrist, der sich mit einem erfolgreichen Exkumpel herumschlagen muss. Kjell Westös Helden schlagen sich wacker auf den Feldern des Alltags, auch wenn sie nicht immer als Sieger aus ihren Kämpfen hervorgehen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Tante Elsie, die einen Schuss Erotik in die ländliche Kinderwelt trägt. Der Schiedsrichter, der aus persönlichen Gründen den fälligen Elfmeter am liebsten nicht pfeifen würde. Und der glücklose Rockgitarrist, der sich mit einem erfolgreichen Exkumpel herumschlagen muss. Kjell Westös Helden schlagen sich wacker auf den Feldern des Alltags, auch wenn sie nicht immer als Sieger aus ihren Kämpfen hervorgehen.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.08.2006Hochprozentige Idylle
Kjell Westö erzählt vom schwedischen Leben in Finnland
„Die Raubfische erwachten aus ihrer Juliträgheit, die Zander gingen wieder ins Netz” - so möchte man es haben im Sommer, und Kjell Westös Titelerzählung bedient unsere Sehnsüchte nach nordischem Sommer an See oder Meer mit dem erprobten Klischee vom Einbruch einer urbanen, mondänen und morbiden Tante hier in das Schären-Heranwachsenden-Idyll im südlichen Teil von Finnland, dort, wo manche noch Schwedisch sprechen. Tante Elsie war „auf die gleiche Art schön wie Helsingfors, wenn man am Tag vor dem Schulbeginn zurückkehrte”. Normalerweise gehen solche Geschichten weiter mit der Nachricht, dass das Idyll trügt; sie enden dann in einer kleinen oder großen Katastrophe und der Sommer ist zu Ende. Westö erzählt dagegen von Stadt und Land und gönnt jeweils beiden spezifische Menschenerfahrungen, ohne diese billig gegeneinander auszuspielen.
Stadt und Land und deren besonderes Verhältnis im Norden, die Stadt als Ort der Schwermutsvertreibung und der Depressionsgenese, das Land als Antrieb zu wortloser Schwermut - davon leben die Erzählungen dieses Bandes, des zweiten ins Deutsche übersetzten Buchs von Kjell Westö, der 1961 in Helsinki geboren wurde und zur schwedischsprachigen Minderheit in Finnland gehört.
Gitarrensoli aus den neunziger Jahren werden laut in Zimmern, wo es der Mutter nach der Scheidung schlecht ging; der Rockmusiker Liro (Liro und der Junge), dessen Naturerlebnisse „sich normalerweise auf Kater lindernde Spaziergänge . . . beschränkten”, muss sich damit abfinden, dass seine Musik auf der Insel seines Kumpels Duncker nicht dorthin passt. Das führt zu einem sorgfältig erarbeiteten gemeinsamen Rausch von Liro und seinem Vater; ein finnischer Vollrausch mit dem gesamten Sack an interkulturell gestützten Assoziationen wurde vermutlich noch nie derart schön und sparsam erzählt.
Kuschelgoldies in der Disco
In der Erzählung „Melba, Mallinen und ich” wird dem Leser klar, warum Finnlandschweden sich mit Finnen prügeln, und zwar ein Leben lang. „Kabana” lebt auch von diesem in Europa nicht weiter bekannten Gegensatz, allerdings faszinieren den Leser dort friedlich-riesenhafte Lastwagenfahrer, die nur Finnisch können und dürren finnlandschwedischen Akademikern beim Sommerjob einiges vom Leben beibiegen. In anderen Erzählungen geht es um das Jahr 1968, den Seemann Allu auf dem Frachtschiff Wäinö, der in den Slums von Montevideo den elegantesten Fallrückzieher der Welt beobachten kann. Homer und Marge basteln in Diskotheken von Helsinki um 2001 „Kuschelgoldies” zusammen; die Forschung des staatlichen Alkoholunternehmens hat nachgewiesen, dass die zwischen 1956 und 1961 Geborenen die versoffenste Generation Finnlands darstellen und der Ich-Erzähler ist froh, dass seine Eltern wenigstens in diesem Punkt der Norm entsprechen.
„Jede Erzählung ist eine Straße. Der Mensch, der erzählt, ist ein Straßenbauer. Aber gleichzeitig ist er der erste Reisende auf der Straße.” Das steht in dem klugen, kurzen Kommentar von Westö zu seinen Erzählungen zu lesen, deren schwedischer Titel „lugna favoriter - ruhige Favoriten” im Übrigen stimmiger ist als „Tante Elsie und mein letzter Sommer”.
STEPHAN OPITZ
KJELL WESTÖ: Tante Elsie und mein letzter Sommer. Ausgewählte Erzählungen. Aus dem Finnlandschwedischen von Paul Berf. Btb Verlag, München 2006 . 314 Seiten, 9,50 Euro.
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Kjell Westö erzählt vom schwedischen Leben in Finnland
„Die Raubfische erwachten aus ihrer Juliträgheit, die Zander gingen wieder ins Netz” - so möchte man es haben im Sommer, und Kjell Westös Titelerzählung bedient unsere Sehnsüchte nach nordischem Sommer an See oder Meer mit dem erprobten Klischee vom Einbruch einer urbanen, mondänen und morbiden Tante hier in das Schären-Heranwachsenden-Idyll im südlichen Teil von Finnland, dort, wo manche noch Schwedisch sprechen. Tante Elsie war „auf die gleiche Art schön wie Helsingfors, wenn man am Tag vor dem Schulbeginn zurückkehrte”. Normalerweise gehen solche Geschichten weiter mit der Nachricht, dass das Idyll trügt; sie enden dann in einer kleinen oder großen Katastrophe und der Sommer ist zu Ende. Westö erzählt dagegen von Stadt und Land und gönnt jeweils beiden spezifische Menschenerfahrungen, ohne diese billig gegeneinander auszuspielen.
Stadt und Land und deren besonderes Verhältnis im Norden, die Stadt als Ort der Schwermutsvertreibung und der Depressionsgenese, das Land als Antrieb zu wortloser Schwermut - davon leben die Erzählungen dieses Bandes, des zweiten ins Deutsche übersetzten Buchs von Kjell Westö, der 1961 in Helsinki geboren wurde und zur schwedischsprachigen Minderheit in Finnland gehört.
Gitarrensoli aus den neunziger Jahren werden laut in Zimmern, wo es der Mutter nach der Scheidung schlecht ging; der Rockmusiker Liro (Liro und der Junge), dessen Naturerlebnisse „sich normalerweise auf Kater lindernde Spaziergänge . . . beschränkten”, muss sich damit abfinden, dass seine Musik auf der Insel seines Kumpels Duncker nicht dorthin passt. Das führt zu einem sorgfältig erarbeiteten gemeinsamen Rausch von Liro und seinem Vater; ein finnischer Vollrausch mit dem gesamten Sack an interkulturell gestützten Assoziationen wurde vermutlich noch nie derart schön und sparsam erzählt.
Kuschelgoldies in der Disco
In der Erzählung „Melba, Mallinen und ich” wird dem Leser klar, warum Finnlandschweden sich mit Finnen prügeln, und zwar ein Leben lang. „Kabana” lebt auch von diesem in Europa nicht weiter bekannten Gegensatz, allerdings faszinieren den Leser dort friedlich-riesenhafte Lastwagenfahrer, die nur Finnisch können und dürren finnlandschwedischen Akademikern beim Sommerjob einiges vom Leben beibiegen. In anderen Erzählungen geht es um das Jahr 1968, den Seemann Allu auf dem Frachtschiff Wäinö, der in den Slums von Montevideo den elegantesten Fallrückzieher der Welt beobachten kann. Homer und Marge basteln in Diskotheken von Helsinki um 2001 „Kuschelgoldies” zusammen; die Forschung des staatlichen Alkoholunternehmens hat nachgewiesen, dass die zwischen 1956 und 1961 Geborenen die versoffenste Generation Finnlands darstellen und der Ich-Erzähler ist froh, dass seine Eltern wenigstens in diesem Punkt der Norm entsprechen.
„Jede Erzählung ist eine Straße. Der Mensch, der erzählt, ist ein Straßenbauer. Aber gleichzeitig ist er der erste Reisende auf der Straße.” Das steht in dem klugen, kurzen Kommentar von Westö zu seinen Erzählungen zu lesen, deren schwedischer Titel „lugna favoriter - ruhige Favoriten” im Übrigen stimmiger ist als „Tante Elsie und mein letzter Sommer”.
STEPHAN OPITZ
KJELL WESTÖ: Tante Elsie und mein letzter Sommer. Ausgewählte Erzählungen. Aus dem Finnlandschwedischen von Paul Berf. Btb Verlag, München 2006 . 314 Seiten, 9,50 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Angetan berichtet Stephan Opitz von diesen Erzählungen aus dem hohen Norden, die Kjell Westö, der zur schwedischsprachigen Minderheit in Finnland gehört, vorgelegt hat. Die Geschichten leben für Opitz vom besonderen Verhältnis von Stadt und Land im Norden, von den Formen der Depressionsgenese und der Schwermutsvertreibung. Dass Westö dabei oft eine "hochprozentige Idylle" zeichnet, stört Opitz nicht weiter. Schließlich kommen die Erzählungen zu seiner Freude weitgehend ohne Klischees aus - egal ob es um die Tante aus der Stadt geht, die mit ihrem erotischen Fluidum ländliche Knaben in Verwirrung stürzt, um Prügeleien von Finnlandschweden und Finnen oder um riesenhafte Lastwagenfahrer, die Studenten beim Sommerjob zeigen, wie das Leben läuft.
© Perlentaucher Medien GmbH
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