'Tante Safîja und das Kloster' des ägyptischen Romanciers Baha Taher ist eine Tragödie im klassischen Sinn. Schauplatz ist ein Dorf in der Nähe von Luxor während der sechziger Jahre, zu einer Zeit, als das Zusammenleben zwischen Muslimen und Christen eine Selbstverständlichkeit war.Safîja, eine bildhübsche junge Frau, gibt nach anfänglichem Schock ihr Einverständnis zur Heirat mit dem Konsul-Bey, einem um vieles älteren Mann, obwohl sie, davon ist das ganze Dorf überzeugt, dessen jungen Neffen Harbi liebt, der aber nie um ihre Hand angehalten hat. Die Beziehung zwischen dem reichen Onkel und Harbi verschlechtert sich dramatisch, als Safîja einem Sohn das Leben schenkt. Das Gerücht geht um, Harbi wolle das Kind umbringen, um selbst den Konsul zu beerben. In der Folge eskaliert die Situation, und Harbi tötet den Onkel in Notwehr. Safîja aber schwört Rache.Baha Taher erzählt - aus der Sicht eines Jungen, der in seine hübsche 'Tante' verliebt ist - die Geschichte einer bizarren Leidenschaft einfühlsam, spannend und, trotz aller Tragik, mitunter witzig. Eindrücklich sind die farbigen, dichten Schilderungen des alltäglichen Lebens und des Umgangs der Dorfbewohner mit den Mönchen des nahe gelegenen koptischen Klosters.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
"Schlicht und rein der Ton süßer Trauer" - er prägt nicht nur Baha Tahers klassische Novelle, sondern auch die Rezension Ludwig Ammans. Bewegt stellt er uns die Geschichte vor, die Taher erzählt: eine Liebesgeschichte ist es, eine Dreiecksgeschichte, in der eine schöne junge Frau, ein alter Mann und sein junger Sohn die Hauptrolle spielen - und das Dorf! Es scheint kein ganz wirkliches Dorf zu sein, sondern ein durch die Erinnerung verklärtes, "aus dem wir alle stammen". Deshalb erscheinen Ammann wohl auch die Figuren so vertraut, obwohl sie doch im fernen Ägypten leben. Er leidet jedenfalls aus ganzem Herzen mit, als die Tragödie ihren Lauf nimmt. Am Ende erkennt er eine ganz unwahrscheinlich anmutende Verwandtschaft: die "schwebenden Stimmungen, die wilden Leidenschaften in geschlossener Gesellschaft, dramatischen Gewaltausbrüchen und tragischen Verkettungen des Leids: Es ist Carson McCullers 'Ballade vom traurigen Cafe'. Baha Taher hat ein ebenbürtiges Juwel aus dem Süden Ägyptens geschaffen."
© Perlentaucher Medien GmbH
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