New Yorker, die es sich leisten können, wohnen in Herbert's Retreat. Hier fährt man Jaguar im Partnerlook, hält sich zur intellektuellen Erbauung einen Theaterkritiker - und beherrscht all jene Regeln einer exklusiven Gesellschaft, die so eisern wie unklar sind. Vor allem aber verfügt man über eine Aussicht auf den Fluss und über die besten irischen Dienstmädchen. Aus deren Perspektive wirft Maeve Brennan bitterböse Blicke hinter die Kulissen der Wohlanständigkeit. Denn Bridie, Agnes und Josie sind begeisterte Geschichtenerzählerinnen, und nichts bereitet ihnen mehr Vergnügen, als genüsslich über das seltsame Treiben ihrer Herrschaft zu tratschen.Maeve Brennan hat ein feines Gespür für menschliche Schwächen, falsche Töne und eitle Gewissheiten. Einerlei ob ihre Geschichten in den schicken Häusern Suburbias oder in den schäbigen Hotels von Manhattan spielen: Mit scharfer Zunge und eisiger Eleganz legt die Autorin die Emotionen ihrer Figuren bloß. Bei allem Neid, bei aller Rachsucht und Bösartigkeit sind sie im Grunde allesamt verlorene Seelen, die versuchen, dem Leben etwas Glück abzutrotzen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.07.2010Die Bienen und Drohnen von der Fifth Avenue
Maeve Brennan, die wiederentdeckte Erzählerin, lässt in ihren New Yorker Geschichten "Tanz der Dienstmädchen" kein gutes Haar an der feinen Gesellschaft.
Die Symbiose zweier Menschen bedeutet nicht zwangsläufig, dass diese einander auch mögen. Charles zum Beispiel, der spitzzüngige Kritiker mit dem welken Ruhm, würde ohne seine Gönnerin Leona ein kümmerliches Dasein fristen - obwohl er sie insgeheim verachtet. Leona wiederum braucht Charles als Lehrer in Fragen des kultivierten Lebensstils. Ungeachtet dessen, dass sie sich nicht grün sind, versichern sich Charles und Leona beständig ihres Ranges auf dem gesellschaftlichen Parkett. Es stört sie nicht, dass Leonas Mann für die vielen Geschenke und Dinnerpartys aufkommt. Der Musenfreund und seine gelehrige Schülerin finden es jedoch degoutant, dass dieser Gatte sein Geld mit schnöder Erwerbsarbeit verdient.
Um Bienen und Drohnen, subtile Machtspiele und offene Hackordnungen geht es in Maeve Brennans Erzählungsband "Tanz der Dienstmädchen". Die mondäne New Yorkerin, 1917 in Irland geboren, veröffentlichte ihre sarkastischen Erzählungen und Kolumnen in den fünfziger und sechziger Jahren in der Kulturzeitschrift "New Yorker". Maeve Brennan starb 1993 verwirrt und vereinsamt. Seit ein paar Jahren gibt nun der Steidl-Verlag die Werke der brillanten, an Oscar Wilde erinnernden Stilistin in deutscher Übersetzung heraus.
Schauplatz der Handlung ist Herbert's Retreat, ein vornehmes kleines Wohnviertel in der Nähe von New York. Die Bewohner der rund vierzig Häuser am Hudson River sind im Grunde Mitglieder eines exklusiven Clubs, in den man einheiraten, aus dem man aber - durch geschäftlichen Ruin - auch wieder ausscheiden kann. Man übertrumpft sich gegenseitig bei Ausbau und Einrichtung der Häuser und träumt davon, einen alteuropäischen Lebensstil mit ererbtem Vermögen und feinem Geschmack auch jenseits des Großen Teiches fortzuführen.
Der Großteil der fünfzehn Storys dreht sich um Charles und Leona. Charles, der "einen unbestimmten, aber mit Bestimmtheit erworbenen Ruf als geistreicher Mensch und Epigrammatiker" besitzt, lebt in einem heruntergekommenen New Yorker Hotel, das niemand außer ihm betreten darf. Mr. Gott, wie Leonas Personal ihn nennt, stiehlt auch gern einmal die Zeitungen der anderen Gäste. Erst durch Leonas Einladungen nach Herbert's Retreat lebt der grundeitle Feuilletonist auf. Nach den geselligen Abenden ist er von seinem Triumph überzeugt: "Jede Plattform hob ihn höher hinaus, so dass er die Welt und die Männer und Frauen darin noch besser überblicken konnte. Meine Bühne und meine Darsteller, sagte er bei sich, meine Arena."
Neben den luxurierenden Größen der Gesellschaft spielen die Dienstboten eine zentrale Rolle in Maeve Brennans Geschichten. Keineswegs wollen sie sich in die ihnen zugedachte Rolle als dienstbare Hausgeister fügen. Sie hassen ihre Arbeitgeber und versuchen, diese so oft wie möglich in Verlegenheit zu bringen. In der Titelgeschichte verschwört sich das Personal beim Tanz der Dienstmädchen gegen die anwesende "Herrschaft": Keiner der Damen und Herren wird zum Tanzen aufgefordert. Ein besonders galliges Mädchen behauptet sogar, dass unter dem Tisch der Herrschaften ein Mikrofon versteckt gewesen sei. Diese müssen nun fürchten, dass ihre enttäuschten Bemerkungen im ganzen Lokal zu hören waren.
Die Erzählung "Der Anachronismus" handelt von einem anderen Paar in Herbert's Retreat, das sein Leben dem genussreichen Ausgeben von Geld gewidmet hat. Während Tom seine Tage in einem vornehmen New Yorker Club zubringt, richtet seine hyperschlanke Frau Liza das Heim im modernen Stil ein. "Eines von Lizas Lieblingswörtern war ,makellos'. Das Wort, das ihr am wenigsten gefiel, war ,Appetit'. Trotzdem war es ein Wort, das sie oft verwendete. ,Ich habe auf nichts Appetit', sagte sie, manchmal auch: ,Ich glaube nicht an Appetit. Das hat so was Gewöhnliches.'"
Als Liza eines Tages hört, dass es in England ein skurriles altes Dienstmädchen mit legendärem Ruf gibt, scheut sie keine Mühen, um die Frau in ihr Haus zu holen. Damit erweist sie sich jedoch einen Bärendienst - das griesgrämige Luder ist nicht nur äußerst geldgierig, sondern tut sich auch mit Lizas Mutter zusammen. Diese hatte bislang vergeblich dagegen rebelliert, mit einem Brei abgefüttert zu werden, der "sämtliche notwendigen Vitamine enthielt, um eine alte Frau ohne Gewichtszunahme gesund und am Leben zu halten". Die Palastrevolte kündigt sich mit folgenden Worten an: "Von jetzt an werde ich mein Gebiss über Nacht im Badezimmer liegen lassen."
JUDITH LEISTER
Maeve Brennan: "Tanz der Dienstmädchen". New Yorker Geschichten. Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser. Verlag Steidl, Göttingen 2010. 232 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Maeve Brennan, die wiederentdeckte Erzählerin, lässt in ihren New Yorker Geschichten "Tanz der Dienstmädchen" kein gutes Haar an der feinen Gesellschaft.
Die Symbiose zweier Menschen bedeutet nicht zwangsläufig, dass diese einander auch mögen. Charles zum Beispiel, der spitzzüngige Kritiker mit dem welken Ruhm, würde ohne seine Gönnerin Leona ein kümmerliches Dasein fristen - obwohl er sie insgeheim verachtet. Leona wiederum braucht Charles als Lehrer in Fragen des kultivierten Lebensstils. Ungeachtet dessen, dass sie sich nicht grün sind, versichern sich Charles und Leona beständig ihres Ranges auf dem gesellschaftlichen Parkett. Es stört sie nicht, dass Leonas Mann für die vielen Geschenke und Dinnerpartys aufkommt. Der Musenfreund und seine gelehrige Schülerin finden es jedoch degoutant, dass dieser Gatte sein Geld mit schnöder Erwerbsarbeit verdient.
Um Bienen und Drohnen, subtile Machtspiele und offene Hackordnungen geht es in Maeve Brennans Erzählungsband "Tanz der Dienstmädchen". Die mondäne New Yorkerin, 1917 in Irland geboren, veröffentlichte ihre sarkastischen Erzählungen und Kolumnen in den fünfziger und sechziger Jahren in der Kulturzeitschrift "New Yorker". Maeve Brennan starb 1993 verwirrt und vereinsamt. Seit ein paar Jahren gibt nun der Steidl-Verlag die Werke der brillanten, an Oscar Wilde erinnernden Stilistin in deutscher Übersetzung heraus.
Schauplatz der Handlung ist Herbert's Retreat, ein vornehmes kleines Wohnviertel in der Nähe von New York. Die Bewohner der rund vierzig Häuser am Hudson River sind im Grunde Mitglieder eines exklusiven Clubs, in den man einheiraten, aus dem man aber - durch geschäftlichen Ruin - auch wieder ausscheiden kann. Man übertrumpft sich gegenseitig bei Ausbau und Einrichtung der Häuser und träumt davon, einen alteuropäischen Lebensstil mit ererbtem Vermögen und feinem Geschmack auch jenseits des Großen Teiches fortzuführen.
Der Großteil der fünfzehn Storys dreht sich um Charles und Leona. Charles, der "einen unbestimmten, aber mit Bestimmtheit erworbenen Ruf als geistreicher Mensch und Epigrammatiker" besitzt, lebt in einem heruntergekommenen New Yorker Hotel, das niemand außer ihm betreten darf. Mr. Gott, wie Leonas Personal ihn nennt, stiehlt auch gern einmal die Zeitungen der anderen Gäste. Erst durch Leonas Einladungen nach Herbert's Retreat lebt der grundeitle Feuilletonist auf. Nach den geselligen Abenden ist er von seinem Triumph überzeugt: "Jede Plattform hob ihn höher hinaus, so dass er die Welt und die Männer und Frauen darin noch besser überblicken konnte. Meine Bühne und meine Darsteller, sagte er bei sich, meine Arena."
Neben den luxurierenden Größen der Gesellschaft spielen die Dienstboten eine zentrale Rolle in Maeve Brennans Geschichten. Keineswegs wollen sie sich in die ihnen zugedachte Rolle als dienstbare Hausgeister fügen. Sie hassen ihre Arbeitgeber und versuchen, diese so oft wie möglich in Verlegenheit zu bringen. In der Titelgeschichte verschwört sich das Personal beim Tanz der Dienstmädchen gegen die anwesende "Herrschaft": Keiner der Damen und Herren wird zum Tanzen aufgefordert. Ein besonders galliges Mädchen behauptet sogar, dass unter dem Tisch der Herrschaften ein Mikrofon versteckt gewesen sei. Diese müssen nun fürchten, dass ihre enttäuschten Bemerkungen im ganzen Lokal zu hören waren.
Die Erzählung "Der Anachronismus" handelt von einem anderen Paar in Herbert's Retreat, das sein Leben dem genussreichen Ausgeben von Geld gewidmet hat. Während Tom seine Tage in einem vornehmen New Yorker Club zubringt, richtet seine hyperschlanke Frau Liza das Heim im modernen Stil ein. "Eines von Lizas Lieblingswörtern war ,makellos'. Das Wort, das ihr am wenigsten gefiel, war ,Appetit'. Trotzdem war es ein Wort, das sie oft verwendete. ,Ich habe auf nichts Appetit', sagte sie, manchmal auch: ,Ich glaube nicht an Appetit. Das hat so was Gewöhnliches.'"
Als Liza eines Tages hört, dass es in England ein skurriles altes Dienstmädchen mit legendärem Ruf gibt, scheut sie keine Mühen, um die Frau in ihr Haus zu holen. Damit erweist sie sich jedoch einen Bärendienst - das griesgrämige Luder ist nicht nur äußerst geldgierig, sondern tut sich auch mit Lizas Mutter zusammen. Diese hatte bislang vergeblich dagegen rebelliert, mit einem Brei abgefüttert zu werden, der "sämtliche notwendigen Vitamine enthielt, um eine alte Frau ohne Gewichtszunahme gesund und am Leben zu halten". Die Palastrevolte kündigt sich mit folgenden Worten an: "Von jetzt an werde ich mein Gebiss über Nacht im Badezimmer liegen lassen."
JUDITH LEISTER
Maeve Brennan: "Tanz der Dienstmädchen". New Yorker Geschichten. Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser. Verlag Steidl, Göttingen 2010. 232 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Offenbar mit Vergnügen hat Rezensentin Judith Leister diesen Band gelesen, der weitere Erzählungen der New Yorker Autorin Mave Brennan versammelt, deren Bissigkeit seit einigen Jahren wieder sehr geschätzt wird. Allerdings hält sich Leister mit einem Urteil zurück und beschränkt sich auf die süffige Nacherzählung. Brennan seziert in ihren Geschichten mit boshafter Freude die gehoben Kreise, die sich in den New Yorker Vorort Herbert's Retreat vor den Zumutungen des gewöhnlichen Lebens geflüchtet haben. Zu den um Noblesse und den europäischen Stil des geerbten Vermögens ringenden Gesellschaftsgrößen gesellen sich boshafte Dienstboten oder auch ein Feuilletonist, von dem nicht mehr klar ist, woher sein einst so guter Ruf rührte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Tanz der Dienstmädchen ist eine brillante Analyse der superreichen jungen Leute, die außerhalb von New York in etwas wohnen, das Herbert's Retreat heißt und enorm exklusiv ist. Damit aber jeden Tag ein neuer weißer Seidenpyjama auf dem täglich frisch bezogenen Bett liegt, braucht es eine Schar irischer Dienstmädchen, die man gemeinhin nicht wahrnimmt, aber wir Leser sitzen bei diesen Dienstmädchen in der Küche und sehen die erbärmliche Herrschaft durch deren Augen. Böser geht's nicht, zum Beispiel über Mr Harkey: 'Als unser Herrgott ans Kreuz genagelt wurde, hat er dabeigestanden und die Kiste mit den Nägeln gehalten.'« Elke Heidenreich stern