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Der Londoner Fotograf Tariq Zaidi zeigt eine faszinierende subkulturelle Modebewegung in Kinshasa und Brazzaville: La Sape, Société des Ambianceurs et des Personnes Élégantes (_Gesellschaft der Stimmungsmacher und eleganten Menschen) Ihre Anhänger nennen sich »Sapeur« (»Sapeuse«, weibl.). Die meisten Sapeurs arbeiten tagsüber als Taxifahrer, Schneider oder Gärtner, verwandeln sich aber nach Feierabend in lässig-elegante Dandys. Wenn sie durch die Straßen stolzieren, werden sie wie Rockstars bejubelt - sie fallen auf und bringen etwas Leichtigkeit in einen Alltag, der ganz im Widerspruch zu…mehr

Produktbeschreibung
Der Londoner Fotograf Tariq Zaidi zeigt eine faszinierende subkulturelle Modebewegung in Kinshasa und Brazzaville: La Sape, Société des Ambianceurs et des Personnes Élégantes (_Gesellschaft der Stimmungsmacher und eleganten Menschen) Ihre Anhänger nennen sich »Sapeur« (»Sapeuse«, weibl.). Die meisten Sapeurs arbeiten tagsüber als Taxifahrer, Schneider oder Gärtner, verwandeln sich aber nach Feierabend in lässig-elegante Dandys. Wenn sie durch die Straßen stolzieren, werden sie wie Rockstars bejubelt - sie fallen auf und bringen etwas Leichtigkeit in einen Alltag, der ganz im Widerspruch zu diesem eleganten Kleidungsstil steht. Obwohl »La Sape« traditionell den Männern vorbehalten war, tragenseit Neuestem auch immer mehr kongolesische Frauen und Kinder Designer-Mode. Es gilt das Motto: »Weiße haben die Kleidung erfunden, aber wir machen Kunst daraus.« (Papa Wemba, 1949-2016, kongolesischer Musiker und Stilikone der Sapeur-Bewegung).
Autorenporträt
Tariq Zaidi works as a freelance photographer based out of London, UK. His work is represented by Zuma Press (USA), Caters News Agency (UK) and Getty Images (UK). He has won many major international photography awards, such as POYi, UNICEF, PDN, and IPA. His work has been exhibited internationally and he has worked on projects and assignments in 19 countries across 4 continents.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2020

REISEBUCH
Schick
Ein Bildband versammelt
die Dandys des Kongos –
entgegen den
Afrika-Klischees
VON STEFAN FISCHER
Der Fotograf Tariq Zaidi schreibt in dem englischsprachigen Vorwort zu seinem Band „Sapeurs“ von einem „surreal style statement“. Tatsächlich mutet das Modebewusstsein der sogenannten Sapeurs in den Hauptstädten der Republik Kongo sowie der Demokratischen Republik Kongo irrwitzig an. Und schon steckt man mitten drin in einem durchaus verwirrenden Diskurs, in dem es um viel mehr geht als bloß um Mode. Es geht um Hoffnung an Orten der Hoffnungslosigkeit, um Lebensfreude, es geht letzten Endes um schwarze Selbstermächtigung. Oder doch nur um eine überkandidelte Manier?
La Sape, das ist die Société des Ambianceurs et des Personnes Élégantes – die Gesellschaft der Stimmungsmacher und eleganten Menschen. Ihre Anhänger, die Sapeurs, zu deutsch: Pioniere, leben beidseits des Flusses Kongo, in Brazzaville und Kinshasa, den Hauptstädten der zwei kongolesischen Staaten. Sie sind teuer und exklusiv gekleidet – in zweien der ärmsten Länder der Welt. Insofern stellt sich die Frage, wie frivol dieser Schick ist.
Die Anfänge der Bewegung reichen rund hundert Jahre zurück, sie wurde zunächst von einer frankophilen Elite getragen und hatte durchaus Gegner. Vor allem in den 1980ern gab es Bestrebungen, die Sapeurs aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Der Wind hat sich gedreht, die Société hat neuen Zulauf, sie wird von der Gesellschaft respektiert. Teilweise werden ihre Mitglieder sogar als Prominente gefeiert.
Denn sie geben ein Bild ab, das vor allem der Westen kaum kennt. Entweder liefern die Kriege und humanitären Katastrophen die Bilder aus Afrika oder aber die Naturschönheiten und wilden Tiere. Oder, drittens, die traditionellen Lebensweisen der Menschen, was nicht selten in einen Ethnokitsch abkippt.
Die Sapeurs belegen, dass es auch einen afrikanischen Kosmopolitismus gibt. Der Vereinigung gehören inzwischen etliche Frauen an – auch das ist ein wichtiges Signal in den patriarchalen Gesellschaften beidseits des Flusses Kongo. Und es handelt sich bei den eleganten Stimmungsmachern nicht zwangsläufig um Mitglieder der Oberschicht. Unter den Sapeurs sind neben etlichen Geschäftsleuten auch Taxifahrer, Polizistinnen, Lehrer, Dachdecker, Friseurinnen und Maurer. Viele stoßen in jungen Jahren dazu – und müssen lange sparen, bis sie ihr Outfit beisammen haben. In der Regel handelt es sich dabei um Bekleidung westlicher Modeschöpfer. Der kongolesische Sänger Papa Wemba wird zitiert mit dem Satz: „White people invented the clothes, but we make an art of it.“ Es ist tatsächlich die stilsichere Kombination der Kleidungsstücke und Accessoires von vier, fünf Designern, die hier besticht: Neben Anzügen und Schuhen, Hemden und Hüten sind Brillen, Gehstöcke und Pfeifen Ausdruck eines Stilwillens, der eine Form von sozialem Aktivismus darstellt, einen smarten Antagonismus zu den politischen und wirtschaftlichen Zuständen.
Tariq Zaidi fotografiert die Frauen und Männer vor Kulissen des Elends und der Zerstörung. Er zeigt im Kontrast zu diesen Hintergründen Eleganz, auch Übermut, Lebensfreude und eine immense Selbstsicherheit. Oftmals gibt es Zeugen dieser Auftritte: Menschen, die neugierig, aber auch ein wenig verschämt beobachten, andere lassen sich anstecken von der positiven Energie dieser lässigen Dandys, die sie in ihrer Freizeit sind.
Von den Bildern geht eine große Kraft aus. Zaidis Kunst ist es, auf ihnen jeden falschen Anschein des Clownesken zu vermeiden. Wer in den Sapeurs ein Dekadenzphänomen sieht, erkennt deutlich, dass es nicht die obszöne Dekadenz der korrupten und ausbeuterischen Staatseliten ist. Sondern die Lust an einem Luxus, den sich diese Menschen mit Einschränkungen in vielen anderen Lebensbereichen erkaufen.
Tariq Zaidi: Sapeurs. Ladies and Gentlemen of the Congo. Kehrer Verlag, Heidelberg 2020. 176 Seiten, 35 Euro.
Sie alle leben in Brazzaville und sind seit ihrer Jugend Sapeurs: der Stilberater Maxime Pivot (rechts), der Maurer Mabanza Yamea Bansimba (links unten) und die Geschäftsfrau Nkodia Aurelie.
Fotos: Tariq Zaidi
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.10.2020

Mich kannst du nicht übersehen!

Eine Gesellschaft geselliger Singularitäten: Der Fotograf Tariq Zaidi spürt dem Phänomen extravagant und teuer gekleideter Kongolesen nach.

Louis Vuitton, Kenzo, Versace und dazu noch ein Gürtel von Vera Pelle: mehr Schale geht nicht. Se saper, das heißt umgangssprachlich soviel wie "sich in Schale werfen". Demnach wären "Le Sapeurs" also diejenigen, die sich besonders schick machen. Aber sie selbst erklären ihren Namen ein wenig anders, nämlich als Bezeichnung für die Angehörigen der "Société des Ambianceurs et des Personnes Élégantes", also der Gesellschaft der Stimmungsmacher und der eleganten Personen. Die Sapeurs hätten demnach nicht nur das Phänomen im Blick, sondern auch dessen Wirkung auf seine Umgebung. Anzutreffen sind sie vor allem in Kinshasa und Brazzaville, den Metropolen des Kongo, einem der an Bodenschätzen reichsten Länder der Welt, in dem es so viel Armut gibt wie kaum irgendwo sonst.

Unter "Ambiance" versteht man die Umgebung, aber auch das soziale Klima, die Stimmung. Was tut ein Ambianceur in Kinshasa? Er tut etwas fürs Klima, hebt die Stimmung und verschönert seine Umwelt, indem er sich in Schale wirft und in möglichst aufsehenerregender Weise umherspaziert. "La Sape", wie die Bewegung genannt wird, und es ist wohl tatsächlich mehr eine Bewegung als eine "Société", zielt zunächst einmal auf Sichtbarkeit, maximale Sichtbarkeit. Mich, so sagt jedes Jackett, jeder Schuh, jeder Ring, jede Krawatte und jeder Manschettenknopf, mich kannst du nicht übersehen!

Der Sapeur ist nicht wohlhabend. Er ist Pförtner, Taxifahrer, Verkäufer. In der Regel muss er mehrere Jahre eisern sparen, bevor er ein Ensemble beisammenhat, das seinen Ansprüchen genügt. In einem Land, dessen Einwohner im Durchschnitt nur einige hundert Euro im Jahr verdienen, trägt der Sapeur Schuhe aus Krokoleder für 1300 Dollar und dazu ein Kaschmir-Sakko, das kaum weniger gekostet hat. Ist der Sapeur deshalb ein Mode-Junkie, ein Markenfetischist und ein sklavisch der Glitzerwelt des Luxuskonsums ergebener Aufschneider und Möchtegern-Millionär? Das könnte man meinen.

Doch bei so viel Oberfläche bleibt auch manches im Dunkeln. Das Phänomen des Sapeurs ist komplex und widersprüchlich, seine Geschichte scheint weitgehend unerforscht. Der Sapeur ist ein Illusionist, der mit beiden Füßen fest auf dem Boden einer meist armseligen Realität steht. Der Sapeur leugnet die Wirklichkeit nicht, sondern betont die extremen Gegensätze, die in ihr herrschen. Zugleich hebt er sie für die Dauer seines Auftritts auf. Er ist der Produzent eines schönen Scheins, der blendet und die Augen öffnet. Dieser Schein trügt - und er trügt nicht. Der Sapeur schlüpft in die Kleidung des reichen weißen Mannes wie unter eine Tarnkappe. Sie macht ihn sichtbar, aber niemanden glauben, es handle sich bei ihrem Träger um einen weißen reichen Mann. Man könnte meinen, der Sapeur wolle um jeden Preis jemand sein, der er nicht ist. Aber die Logik der Gesellschaft der eleganten Personen ist eine andere. Ihr zufolge überspringt der Sapeur eine Grenze und zeigt zugleich eine andere jenen auf, die sie gezogen haben. Mit den Worten eines Sapeurs: "Weiße Leute haben diese Kleidung erfunden, aber erst wir haben eine Kunst daraus gemacht, sie zu tragen."

Für manche erfuhr "La Sape" die entscheidenden Prägungen im Brazzaville der sechziger Jahre, als die Sapeurs sich den Protestbewegungen gegen Präsident Mobutu anschlossen und durch prominente Vertreter wie den erfolgreichen Musiker Papa Wemba zunehmend Aufmerksamkeit auch außerhalb des Kongo erfuhren. Andere verweisen auf die zwanziger Jahre, als "La Sape" als subversive Protestform gegen die französischen Kolonialherren sichtbar wurde. Der Begriff des Sapeurs findet sich indes bereits um 1850 in den Schriften Alexander von Humboldts.

Sapeurs - und seit einigen Jahren zunehmend auch Sapeusen - werden gern fotografiert. Aber spricht man auch mit ihnen? Der in England lebende Fotograf Tariq Zaidi hat für seinen faszinierenden Bildband drei Jahre lang regelmäßig die Sapeur-Szene im Kongo besucht. Sapeurs seien auf Festivals, Modeveranstaltungen und in Werbespots häufig zu sehen, aber nie zuvor, so heißt es im Vorwort des Bandes, seien sie in ihrer ärmlichen Heimat fotografiert worden. Das ist nicht ganz richtig, denn Francesco Giusti hat bereits 2009 Sapeurs in ihren Vierteln in Pointe-Noire fotografiert. Zaidi nennt jetzt zwar den Namen, das Alter und meistens auch den Beruf seiner Modelle und listet akribisch auf, welche Modemarken sie tragen, bis hin zu Kopfbedeckung, Sonnenbrille und Regenschirm. Aber er lässt sie nicht zu Wort kommen. Es mag nicht die Sache eines Fotografen sein, Interviews zu führen, aber es ist schade um die verpasste Gelegenheit. Ein Vorwort im Umfang von knapp zwei Seiten ist da kein Trost.

Bleibt nur die Interpretation der fotografischen Interpretation eines Phänomens, in dem sich Kolonialismus, Anziehung und Abstoßung, Protest und Aneignung, Konsum und Ästhetik auf fesselnde Weise vermischen. Der Sapeur ist ein Trickster: Er stellt das Verhältnis zwischen Eigenem und Fremden auf den Kopf. Er ist ein Gestaltwandler: ein Schwarzer im subtil verfremdeten Prachtgewand der Weißen. Er ist ein Ironiker: Er präsentiert seine teure Ausstattung in ärmlicher Umgebung. Er ist Mitglied einer Gesellschaft geselliger Singularitäten. In der Kulturgeschichte des Narren ist er einzigartig. Denn dieser Narr ist nicht nur klüger als sein Publikum, er ist auch besser angezogen.

HUBERT SPIEGEL.

Tariq Zaidi: "Sapeurs".

Ladies and Gentlemen of the Congo.

Kehrer Verlag, Heidelberg 2020. 176 S., Abb., geb., 35,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Rezensent Frank Dietschreit freut sich über die Fotos von Tariq Zaidi, weil der prämierte Fotograf Menschen im Kongo einmal anders zeigt, als Stilikonen im eleganten Zwirn. Das Leben und Wirken der bunten, kecken "Sapeurs" in einer bitterarmen, tristen Umgebung machen die "eindringlichen" Bilder dem Rezensenten verständlich, ihre Ironie und Subversion. Auch der Verwandlung der als Taxifahrer oder Schneiderin arbeitenden Sapeurs in Paradiesvögel darf der Betrachter beiwohnen, erklärt Dietschreit.

© Perlentaucher Medien GmbH