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Seit über sieben Generationen durchleben alle Angehörigen ihre »schlimme Viertelstunde«: jenen Moment, in dem ihnen durch eine Vision das präzise Datum des Weltuntergangs offenbart wird - über die Jahrhunderte natürlich immer ein anderes Datum. Im Sommer 1989 versucht Ann Randall ihrem Schicksal zu entfliehen und packt alles für eine nukleare Katastrophe Überlebensnotwendige in ihren alten Lada. Es bleibt kaum Platz für ihre Tochter Hope.Hobe ist der letzte Spross in der langen Linie der Randalls und die einzige, die das Datum ihres Weltuntergangs noch nicht offenbart bekommen hat. Als sie mit…mehr

Produktbeschreibung
Seit über sieben Generationen durchleben alle Angehörigen ihre »schlimme Viertelstunde«: jenen Moment, in dem ihnen durch eine Vision das präzise Datum des Weltuntergangs offenbart wird - über die Jahrhunderte natürlich immer ein anderes Datum. Im Sommer 1989 versucht Ann Randall ihrem Schicksal zu entfliehen und packt alles für eine nukleare Katastrophe Überlebensnotwendige in ihren alten Lada. Es bleibt kaum Platz für ihre Tochter Hope.Hobe ist der letzte Spross in der langen Linie der Randalls und die einzige, die das Datum ihres Weltuntergangs noch nicht offenbart bekommen hat. Als sie mit ihrer Mutter in dem kleinen kanadischen Nest Rivière-du-Loup strandet, begegnet sie dem gleichaltrigen Mickey, der verzaubert ist von Hopes roten Haaren, ihren Sommersprossen und ihren 195 IQ-Punkten. Und es hätte weit mehr als nur eine Freundschaft werden können. Doch Hope ist schließlich eine Randall, sie entkommt ihrem Schicksal nicht. Denn plötzlich taucht immer wieder ein bestimmtes Datum auf, der »17. Juli 2001« - das Ende der Welt?
Autorenporträt
Nicolas Dickner, geboren 1972, lebt in Montréal. Sein erster Roman, »Nikolski« (FVA 2009), erhielt alle großen Preise und war einer der Bestsellererfolge Kanadas . Der Roman gilt heute wie Yan Martels »Schiffbruch mit Tiger« als Klassiker der neuen kanadischen Literatur. Es folgten seine Romane »Tarmac - Apokalypse für Anfänger« (FVA 2011) und »Die sechs Freiheitsgrade« (FVA 2017), der mit dem Prix littéraire du Gouverneur général ausgezeichnet wurde. Dickners Werk ist in zahlreiche Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2011

Wo bitte geht's zum Untergang?

Zwei Teenager und ein Faible für die Apokalypse: Der Kanadier Nicolas Dickner erzählt von einer jungen Liebe und ihrem Hang zu großen Gesten.

Beim Titel von Nicolas Dickners Roman "Tarmac - Apokalypse für Anfänger" gerät man ins Grübeln: "Tarmac" ist eine Straßenoberfläche und meint per Metonymie auch den Rollbahnbereich eines Flughafens. Was um alles in der Welt haben Straßenbelag oder Flughäfen mit der Apokalypse zu tun - beziehungsweise mit ihrer Miniversion? Das weiß der Leser nach Lektüre des Romans lediglich ansatzweise, aber er ist dann so viele amüsante Verwirrungen weiter, dass es auf das Titelproblem nicht mehr ankommt.

Die Verwirrungen sind altersbedingt vor allem emotionaler Art: Dickner erzählt die Geschichte der Teenager Hope Randall und Mickey Bauermann, die sich im Sommer 1989 im Baseballstadion von Rivière-du-Loup, einer Kleinstadt im Süden Québecs, begegnen. Nach einem ersten Gespräch, im Laufe dessen Hope dem baffen Jungen die Sprengkraft von Atombomben vorrechnet, ist es um Mickey geschehen: "Wenn ich einmal mit irgendjemandem verdampfen müsste, dann nur mit ihr."

Die beiden werden ein Herz und eine Seele, obwohl ihre familiären Hintergründe unterschiedlicher nicht sein könnten. Hope kommt aus einer exzentrischen Sippe: "Sobald ein Mitglied der Randallschen Familie, egal ob männlich oder weiblich, die Pubertät erreichte, wurde es auf übernatürliche Weise und sehr detailgenau über den künftigen Weltuntergang in Kenntnis gesetzt: über Datum, Uhrzeit und Hergang." Die Apokalypse tritt natürlich nicht ein, beim betreffenden Randall jedoch zeigt sich ein "plötzliches seelisches Ungleichgewicht oder ein Hang zur Beschädigung öffentlichen Eigentums". Die Folge sind Irrenanstalt oder Suizid, wie im Fall von Henry Randall jr., Hopes Großvater, der eine Sekte gründet und nach seinem verpassten Weltuntergang Dachnägel schluckt.

Mickey hingegen, aus dessen Sicht der Roman erzählt wird, kommt aus einer grundsoliden Familie, die, der Name deutet es an, seit Generationen im Baugeschäft tätig ist: Die "Erbauer neuer Welten" stehen den zerstörerischen Endzeitaposteln diametral gegenüber. Umso größer ist Mickeys Faszination für Hope, die selbst wie eine kleine Atombombe einschlägt in die friedliche Öde von Rivière-du-Loup - nebenbei Heimatort des Schriftstellers.

Dickner, der sich mit seinem Erstling "Nikolski" an die Spitze der jungen frankophonen Literatur Kanadas gesetzt hat, bietet in seinem zweiten Roman erneut knallbunte Geschichten, die so verrückt sind, dass man ihnen unbedingt Glauben schenken möchte. Er hat ein Talent dafür, unwahrscheinliche Indizien einzustreuen, haarsträubende Querverweise zu konstruieren, eine Manie, die er in der raffinierten Architektur von "Nikolski" radikal umgesetzt hatte: Dort kreuzen sich drei Geschichten, die zwischen Venezuela und Alaska spielen, auf überraschende Weise. In "Tarmac" gibt es nur einen Erzählstrang, die Bezüge werden in die Köpfe der paranoiden Randalls verlegt. Wenn der Leser spielerisch veranlagt ist, dann wird er den Exzentrikern gern folgen.

Dickner jedenfalls liegen sie am Herzen, wie die liebevollen Porträts von Hope und ihrer Mutter Ann beweisen. Die Damen sind von der Ostküste geflüchtet und hausen in einem ehemaligen Zoogeschäft, das rein zufällig einmal "Die Arche Noah" hieß. Die Mutter ist seit ihrem Rendezvous mit dem Weltende psychisch labil, leidet an altorientalischen Albträumen, fängt sich wieder, wird Barfrau und gleitet sanft in den Alkoholismus ab. Im Zentrum des Romans jedoch stehen die hochbegabte Hope und Mickeys Liebe zu ihr, von Dickner vorsichtig evoziert: Er kultiviert das Gefühl in Andeutungen, in den Zwischenräumen des Romans, wie ein zartes Gewächs in einer Spalte des Straßenbelags.

In der Einfühlung liegt allerdings auch die Schwäche von "Tarmac": Dickner schwärmt nostalgisch im Universum der Jugendjahre, schildert Schule, Fernsehkonsum, Ferienjobs. Der Teenageralltag berührt ihn, das ist sein gutes Recht - aber er verfällt ihm zu sehr. Sein Sinn für die griffige Formel gleitet mitunter ab in Jugendsprache, er gefällt sich in adoleszenter Apathie, die sich im Roman als Handlungsarmut niederschlägt.

Spannung kommt mit der Vorahnung der Katastrophe: Mittels asiatischer Nudelpackungen erfährt Hope, dass die Welt am 17. Juli 2001 untergehen wird. Sie trifft auf die Prophezeiung eines ominösen Charles Smith alias Hayao Kamajii, der das Weltende zu selbigem Datum vorhersagt, und verfolgt seine Spur bis nach Tokio. Das Phantom Kamajii entkommt ihr lange, die Reise wird mehr und mehr zur Selbstfindung. Die Lebenswege der Liebenden scheinen getrennt - bis zum 17. Juli 2001. Als Mickey ebenfalls in ein Flugzeug nach Tokio steigt und davon träumt, dass Pflanzen den Belag des Rollfelds aufbrechen, wird klar, dass die Apokalypse ein hyperbolisches Bild für das Ende der Kindheit und das Erwachsenwerden ist. Es dient dazu, typische Ängste zu benennen. Das ist arg aufgetragen. Dickner, dem der Schalk wie ein Papagei auf der Schulter sitzt, um ihm absurdes Seemannsgarn zuzuflüstern, würde man derartige Übertreibungen gern verzeihen, wenn "Tarmac" darüber hinaus ein wenig mehr zu bieten hätte.

NIKLAS BENDER

Nicolas Dickner: "Tarmac - Apokalypse für Anfänger". Roman.

Aus dem Französischen von A. Jandl. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2011. 253 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nach kurzem Stutzen über den seltsamen Romantitel stürzt sich Rezensent Niklas Bender wie es scheint kopfüber in die Liebesgeschichte der Jugendlichen Hope Randall und Mickey Bauermann. Wie schon in seinem Debüt "Nikolski" wartet Nicholas Dickners mit einem Feuerwerk von lustigen Verwicklungen und originellen Einfällen auf, die insbesondere beim seltsamen Familiendefekt der Randalls - in der Pubertät werden alle von apokalyptischen Prophezeiungen heimgesucht - mit viel Freude an unerwarteten Verknüpfungen umgesetzt werden, wie der Rezensent lobt. Auch, dass der kanadische Autor seinen Figuren so viel Sympathie entgegenbringt, nimmt Bender zunächst für ihn ein. Allerdings findet er, dass sich Dickner ein wenig zu sehr in seine jugendlichen Protagonisten einfühlt, sich dadurch nicht nur in Jugendjargon sondern in die alterstypische "Apathie" verliert, was der Spannung des Romans nicht gerade förderlich sei. Und als die apokalyptischen Visionen, die jedes Randall-Familienmitglied beuteln, sich als Metapher für das Ende der Kindheit entpuppen, ist es mit der Sympathie des Rezensenten fast vorbei.

© Perlentaucher Medien GmbH