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Christoph Meckel ist unstreitig einer der bedeutendsten Lyriker der Nachkriegsliteratur, und doch ein literarischer Einzelgänger. Kein Autor hat "die Tradition des Gesangs und des Liedes derart intensiv aufgenommen" (Lutz Seiler). Die "Gesammelten Gedichte" machen ein großes Gesamtwerk zum ersten Mal zugänglich, ein Werk, das in dieser umfassenden Form auch für Kenner nahezu unbekannt ist.

Produktbeschreibung
Christoph Meckel ist unstreitig einer der bedeutendsten Lyriker der Nachkriegsliteratur, und doch ein literarischer Einzelgänger. Kein Autor hat "die Tradition des Gesangs und des Liedes derart intensiv aufgenommen" (Lutz Seiler). Die "Gesammelten Gedichte" machen ein großes Gesamtwerk zum ersten Mal zugänglich, ein Werk, das in dieser umfassenden Form auch für Kenner nahezu unbekannt ist.
Autorenporträt
Christoph Meckel, 1935 in Berlin geboren, wurde u. a. mit dem Rainer-Maria-Rilke-Preis für Lyrik, dem Georg-Trakl-Preis für Lyrik, dem Joseph-Breitbach-Preis und zuletzt 2016 mit dem Hölty-Preis für sein lyrisches Lebenswerk sowie 2018 mit dem Johann-Peter-Hebel-Preis und dem Lyrikpreis Orphil der Landeshauptstadt Wiesbaden ausgezeichnet. Bei Hanser erschienen zuletzt Einer bleibt übrig, damit er berichte (Erzählungen, 2005), Seele des Messers (Gedichte, 2006), Nachtsaison (Erzählungen, 2008), Gottgewimmer (Gedichte, 2010), Luis & Luis (Erzählungen, 2012), Tarnkappe (Gesammelte Gedichte, 2015) und Kein Anfang und kein Ende (Zwei Poeme, 2017). Christoph Meckel starb am 29. Januar 2020 in Freiburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.06.2015

Die Biographie ist ein Irrlicht aus echten Lügen und Widersprüchen
Von letzter Hand: Der Band "Tarnkappe" versammelt Christoph Meckels poetisches OEuvre aus fast sechzig Jahren

Wie gratuliert man einem Dichter, der in seinen Frankfurter Poetikvorlesungen "Von den Luftgeschäften der Poesie" (1988/89) äußerte: "Nicht erkannt zu werden - welche Chance. Erkannt zu werden - was für ein furchtbares Los. Poesie, gleichgültig, in welcher Form, kann im Vordergrund der Geschichte kein Merkmal sein. Sie ist und bleibt auf Einzelne angewiesen. Sie ist im Hintergrund alles, im Vordergrund nichts." Christoph Meckels Vorlesungen sind ein fiktives Gespräch mit dem Sieneser Dichter Cecco Angiolieri, dem "Antiklassiker seiner Zeit, Antipode und Feindfreund des Dante Alighieri, Stronzo der Poesie vor siebenhundert Jahren". Sie zeigen ihn als jemanden, der nicht über Poesie reden will: "Was aus der Poesie heraus gesagt wird, führt unmittelbar in die Poesie zurück. Das hat Angiolieri gesagt, oder ich, wir beide. Ich sage Mond - da schwebt er. Ich sage Stein - da liegt er. Ich sage Haus - da steht es. Poesie setzt den Gegenstand und sein Wort in eins."

Sollte man angesichts solcher Sätze also besser versuchen, sich dem Autor über seine Biografie zu nähern? Auch zum biographischen Zugang zu seinem Werk finden sich Bemerkungen in Meckels Poetikvorlesungen: "Was hat Biographie für einen Wert, wenn du sie nicht zur Zweckfälschung machst, eine dunkle Caprice, ein zweifelhafter Kalender, ein Irrlicht aus Anscheinlichkeiten und echten Lügen, Widersprüchen, Dementis und Gaucherien - so kommst du durch, nur so kommst du durch." Zwar spricht hier Angiolieri, doch seine und Meckels Stimme sind erneut in eins gesetzt.

Es befindet sich also in einem echten Dilemma, wer sich annähern will an Leben und Werk von Christoph Meckel, geboren 1935, mitten in der Kirschenzeit: "Das wissen wir: als Gott sich am Finger verletzte / schuf er die Kirsche aus einem Tropfen Blut. / Du hast es leichter als er, die Kirschen sind fertig / wenn du die Augen aufschlägst im grünen Juni", heißt es in dem Gedicht "Die Kirschbäume". Meckels Biographie ist transformiert in sein Werk eingegangen. Geboren wurde er zwar in der lichten leuchtenden Jahreszeit der reifenden Kirschen, aber zugleich in der Zeit des Heraufdunkelns des Zweiten Weltkriegs. Die Erfahrung des Kriegs, die für den Jungen mit Vertreibung, Hunger und Angst einherging, taucht im Werk ebenfalls auf. Sie durchwandert viele Kriege, findet sich etwa im "Lied zur Pauke", einer Art Landsknechtlied im Gedichtband "Wildnisse" (1962), oder in Meckels Prosatext "Suchbild. Über meinen Vater" (1980), in dem der kunstsinnige Offizier und Grafiker Eberhard Meckel als Stellvertreter einer Generation von Vätern beschrieben wird, der die kalte Willkür des Nationalsozialismus selbstverständlich mitzutragen bereit war.

Näher kommt man dem Werk auch über Meckels Reiselust, der zwischen Berlin, Freiburg und dem südostfranzösischen Bergdorf Rémuzat pendelte, der viele weitere Städte und mehrere Kontinente besuchte, beobachtete und beschrieb, ohne Reiseschriftsteller zu sein, der Orte und Gegenden über lange Zeiträume erkundete, der im Aufbruch aus dem Sommerhaus schon einmal einen Koffer mit Manuskripten auf dem Autodach vergaß und noch Jahre später von Erinnerungen an die darin aufbewahrten, endgültig verlorenen Manuskripte heimgesucht wird. Das ist nachzulesen in "Nachricht für Baratynski" (1981). Mit dem Geschriebenen im Koffer war ein Stück Leben verlorengegangen. Sesshaften passiert so etwas eher nicht, besser erzählt aber nicht selten, wer reist.

Meckels Schaffen speist sich sowohl aus der Erfahrung von Einsamkeit und Stille des Lebens auf dem Land und der Faszination für die Verlockungen der Stadt - seien es solche, deren Beschreibungen auf der Anschauung realer Städte basiert, wie auf Berlin, seien es phantastische, unterweltlich-mythische wie "Die Messingstadt" (1991). Sympathisiert wird mit Randfiguren und Hasardeuren, Gauklern und Träumern. Das Zirkusbunte und Schmetterlingsleichte flirrt durch dieses Werk, dessen Leichtigkeit und Phantastik im Lauf der Zeit zunehmend von Schwermut eingeholt wird, wie jüngere Gedichtbände, etwa "Seele des Messers" (2006) oder "Gottgewimmer" (2010) zeigen.

Im Versuch der Annäherung von mehreren Seiten muss auch die doppelte Begabung Meckels als Schriftsteller und Grafiker erwähnt werden, mit der er fast ein halbes Jahrhundert lang, von 1957 bis 2005, an einem einzigartigen grafischen Werk arbeitete, das über mehrere tausende Zeichnungen, Radierungen und Holzschnitte umfasst, seine "Weltkomödie". Am besten aber nähert sich man sich ihm, wie es Wulf Segebrecht, Meckels Bibliograph, im Titel eines Essays über den Autor zitierend forderte: "Hören Sie einfach zu! Schauen Sie einfach hin!". Um dieser Aufforderung nachzukommen, eignet sich der im Frühjahr erschienene Band "Tarnkappe", mit dem der Hanser Verlag dem Autor ein Geburtstagsgeschenk gemacht hat. Namensgleich mit Meckels ersten Gedichtband, den der Zwanzigjährige 1956 publizierte und der aus sechs Blättern bestand, die in einer Auflage von vierhundert Exemplaren erschienen, stellt "Tarnkappe" die 950 Seiten umfassende Gesamtausgabe der Meckelschen Gedichte in der Fassung letzter Hand dar. Der Autor hat die Edition seiner Gedichte zusammen mit dem Lektor Wolfgang Matz besorgt, manches Gedicht überarbeitet, sich in Zweifelsfällen für die jeweils späteste Fassung entschieden. Die Texte sind chronologisch geordnet. Neunzig "Wiedergefundene Gedichte" bilden das Schlusskapitel mit bislang Unveröffentlichtem.

Es ist eine immense Fülle, die sich hier ausbreitet. Wer sie liest, wird feststellen, dass bestimmte Motive im Schreiben immer wieder aufgegriffen werden. Sie wandern nicht selten auch zwischen Meckels Lyrik und Prosa. Sichtbar wird das am "Liebesgedicht" aus dem Band "Nachtessen" (1975). Dessen Bildinventar gleicht dem in "Licht" (1978), dem Bericht von einer entzauberten Liebe. Was "Licht" nüchtern erzählt - ein Mann entdeckt durch Zufall, dass seine Freundin eine weitere Liebesbeziehung führt -, legt sich über ein Brodeln fiebriger Intensität. Die Unmittelbarkeit einer Liebe, die, indem sie durch den Fund des Erzählers als doppelbödige erkannt und erinnert wird, erscheint nachträglich umso begehrenswerter. In "Liebesgedicht" ist das Bildinventar dieser Erzählung, die vielen Lesern - "Licht" erreichte Auflagen von mehreren zehntausend Exemplaren - höchst eindrückliche Erfahrungen beschert haben dürfte, schon da.

Indem der Sammelband "Tarnkappe" den Titel von Meckels erstem Gedichtband trägt, schließt sich ein Kreis, der das Zyklische des Werkes hervorhebt. In dieser Ausgabe letzter Hand zeigt sich, dass es diesem Autor über Jahrzehnte gelungen ist, eine poetische Existenz zu führen, von der Wolfgang Matz im Nachwort spricht, eine Existenz, der das Modische und Tagesaktuelle fern ist, die aber aus dem Schaffen eines Einzelnen eine Welt entfaltet. Christoph Meckels Werk, entstanden aus mutiger Individuation und rasender Schaffenskraft, beschwört Schönheit und Schrecken der Welt gleichermaßen, in seiner Sprache ist die ganze Welt ganz aufgehoben, zeigt sich etwas vom Allumfassenden der Kunst. Das Werk zeigt, "daß Poesie wie Luft unentbehrlich ist, als Element der Sprache, als Form, als Gedicht, notwendig auch für den, der sie nicht erfährt", dass dem, der in und aus der Sprache lebt, die Zeit nur wenig anhaben kann: "Die Zeit vergeht. Ich behalte das Wort. Es ist restlos und leuchtet", dichtete Meckel in "Anzahlung auf ein Glas Wasser". Am morgigen Freitag feiert er seinen achtzigsten Geburtstag.

BEATE TRÖGER.

Christoph Meckel: "Tarnkappe". Gesammelte Gedichte.

Carl Hanser Verlag, München 2015. 976 S., geb., 34,90 [Euro].

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"In vortrefflicher Ausstattung begegnet uns hier das Werk eines tapferen Romantikers und Sprachmusikanten." Manfred Papst, Neue Zürcher Zeitung, 19.07.15

"'Tarnkappe' dokumentiert ein lyrisches Werk von beachtlicher Geschlossenheit und von bemerkenswerter Kontinuität." Hartmut Buchholz, Badische Zeitung, 12.06.15

"In seinen Gedichten, die nun in dem grandiosen Sammelband 'Tarnkappe' versammelt sind, erleben wir einen Fantastiker mit einer großen Empfindlichkeit für die Wunder, die auch noch in unserer entzauberten Welt zu entdecken sind." Michael Braun, Der Tagesspiegel, 12.06.15

"Wie ein Seismograf zeichnet Christoph Meckel die Erosionen seiner Zeit auf und unterläuft dabei künstliche Gegensätze wie den von Ästhetizismus und Engagement." Nico Bleutge, Süddeutsche Zeitung, 11.06.15

"Christoph Meckels Werk, entstanden aus mutiger Individuation und rasender Schaffenskraft, beschwört Schönheit und Schrecken gleichermaßen." Beate Tröger, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.06.15

"Auch dieses Buch sollte man in die Hand nehmen und einfach lesen." Martin Zingg, Neue Zürcher Zeitung, 11.06.15

"Er war und ist einer der großen Dichter der deutschen Nachkriegsliteratur." Herbert Wiesner, Die Welt, 14.03.15