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Produktdetails
  • Verlag: Mitteldeutscher Verlag
  • Seitenzahl: 130
  • Deutsch, Englisch
  • Abmessung: 275mm
  • Gewicht: 1010g
  • ISBN-13: 9783354008540
  • ISBN-10: 3354008547
  • Artikelnr.: 24251181
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.07.1995

Mätressensitz, Fechtschule, Luxushotel
Auch die durchaus unnützliche Schönheit wurde wiederhergestellt: Dresdens Taschenbergpalais im Bild

Viele Jahre, bis Ende 1992 der Wiederaufbau begann, stand das Taschenbergpalais als Ruine neben dem ebenfalls zerstörten Stadtschloß der Wettiner. Die Umfassungsmauern waren erhalten geblieben. Aber auch die Ruine zeugte noch von einstiger barocker Schönheit. Die Natur schickte sich an, wie überall in der Trümmerstadt, sich etwas von dem wiederzuholen, was vor der Begründung der Stadt ihr gehört hatte. Im Inneren der Ruine wucherten Birken und anderes anspruchslose Gesträuch. Birken krallten sich sogar mit ihren Wurzeln in den Fugen zwischen den Sandsteinblöcken fest, strebten zum Licht, das ungehindert in die Ruine einfiel. Heute ist das Palais wieder hergestellt, in nicht viel mehr als zwei Jahren Bauzeit, im Äußeren und, soweit es zu machen war, auch im Inneren, so wie es einst war. Es wird als Hotel genutzt. Im April wurde es offiziell eröffnet. Die Front des Gebäudes ist gekennzeichnet von zwei "Ehrenhöfen", Einbuchtungen der Baufluchtlinie, die von schmiedeeisernen Gittern, die sich zwischen figurengeschmückten Säulen spannen, zur Straße hin abgeschlossen werden.

Das Haus hat seine Geschichte. Sein Kern entstand nach 1705; einer der Baumeister war der Schöpfer des Zwingers, Pöppelmann. Der Barockstil war das Gebot der Stunde. Das Haus war ein Geschenk des Kurfürsten Friedrich August I., der den Beinamen "der Starke" trägt, für seine Mätresse, Anna Constantia von Hoym, die spätere Gräfin Cosel. Die Mätresse war zu damaliger Zeit eine offizielle Person am Hofe. Es war durchaus üblich, ihr ein Palais in der unmittelbaren Nachbarschaft des Schlosses zu bauen, wo sie die Notablen empfing, die ihren Einfluß nutzen wollten.

Als die Gefühle des wankelmütigen August für die Gräfin Cosel erkaltet waren - sie mußte den langen Rest ihres Lebens als Staatsgefangene auf der Burg Stolpen verbringen - wurde das Haus umgewidmet; es diente als Wohnsitz für die Prinzen des Hauses Wettin. Der nächste Bewohner war der Sohn Augusts des Starken, der sich mit einer österreichischen Kaisertochter verheiratete; es war Teil des Bemühens Augusts, der nicht nur als Frauenheld und Prunkbauherr gewürdigt zu werden verdient, Sachsen in der damaligen europäischen Politik zur Geltung zu bringen. Das Haus wurde im Laufe der Zeit durch Anbauten vergrößert. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Abdankung des letzten sächsischen Königs Friedrich August III. ging das Taschenbergpalais, wie das Stadtschloß, in das Eigentum des schon damals so genannten Freistaats Sachsen über. Es wurde zu vielfältigen, recht profanen Zwecken genutzt; unter anderem diente es einer Fechtschule.

In der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945 wurde das Taschenbergpalais von britischen Bombern niedergebrannt. Eine Zeitlang schwebte die Gefahr des Abrisses über der Ruine, welches Schicksal der benachbarten gotischen Sophienkirche zuteil wurde. Anfang der fünfziger Jahre traf sich das Bemühen der Denkmalpfleger, die unschätzbare Verdienste um das Erhalten der Reste der klassischen Bausubstanz in Dresden haben, mit einer leisen Erleuchtung der SED-Oberen, daß aus der einigermaßen erhaltenen Ruine doch etwas zu machen sei. Erste Sicherungsarbeiten wurden vorgenommen. Die Pläne einer künftigen Verwendung wechselten: Studentenheim, Musikschule, schließlich - 1967 - kam man der heutigen Nutzungsidee nahe. Ein Interhotel sollte entstehen, als Devisenbringer in der schon aus alter Erinnerung für den westlichen Tourismus anziehenden Stadt Dresden. Aber auch daraus wurde nichts; die schwächer werdende Wirtschaftskraft der DDR reichte nicht aus.

Immerhin blieb die Ruine stehen, und nach der Wende kamen mit neuer Energie Pläne auf, daß sie wieder aufzubauen sei. Die Idee, das Taschenbergpalais solle ein Luxushotel werden, erschreckte zunächst manche Dresdner. Es gab Nachwehen sozialistischer Ideen, ein solches Hotel werde doch nur den Begüterten offenstehen. Aber bald fanden die in ihre Stadt vernarrten Dresdner, ein Aufbau, wenn er denn respektvoll mit dem Vergangenen umgehe, sei besser als der Fortgang des Verfalls. Als die ersten Grabungen gemacht waren, entdeckten die Archäologen, daß sich unter dem Palais Spuren eines noch viel älteren Dresden finden ließen.

Es ist eine Merkwürdigkeit, daß in der Stadt, in der über der Erde soviel zu bauen wäre oder umgestaltet werden müßte, was von der SED verdorben worden ist, zunächst immer wieder in die Tiefe gegraben wird. Es mag sein, daß die Gelegenheit einmalig ist, aber die Frage ist, ob es wirklich sein Geld wert ist, zu wissen, welche Art Häuser früher am jeweiligen Platz gestanden haben und wie es mit ihrer Einrichtung bestellt gewesen sei. Die Bauherren ließen den Archäologen Zeit, dann begann die Wiederherstellung, wobei wiederum der Denkmalpflege das Verdienst zukommt, auf der Wiederherstellung der äußeren Form nach den alten Mustern mit Nachdruck bestanden zu haben. Dem Bauträger ist es zu danken, daß er nicht müde wurde, für die Hotelnutzung durchaus unnützliche Gesimse, Fensterverkleidungen, Figurengruppen wieder herzustellen.

Im Mitteldeutschen Verlag ist ein Bildband erschienen, ganz historiengetreu betitelt "Taschenbergpalais Dresden". Es enthält zahlreiche Bilder, wobei der Ruinenzustand immer wieder mit der neu entstandenen Pracht in Kontrast gebracht wird. Der Text von Reinhard Delau gibt eine mit der sächsischen Historie verwobene Baugeschichte. Die Bilder stammen, soweit es sich nicht um historische Abbildungen handelt, von Jörg Schöner. Der Text ist synchron in deutsch und englisch gehalten; das gibt dem Buch den leisen Beiklang eines ins Große geratenen Hotelprospekts. Die Bilder sind etwas statuarisch unbelebt. Aber daß es solche Bilder überhaupt wieder geben kann, ist ein Zeichen der schrittweisen Wiederbelebung einer Stadt. FRIEDRICH KARL FROMME

"Taschenbergpalais Dresden". Vom Coselschen Haus zum Grandhotel. Fotos von Jörg Schöner, Text von Reinhard Delau. Mitteldeutscher Verlag, Halle 1995. 126 S., Abb., geb., 58,- DM.

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