Rezension zu: Arthur Conan Doyle „Tatort Ägypten. Ein Drama in der Wüste“
Aus dem Engl. u. mit e. Nachwort von Reinhard Hillich. Mit Ill. Wiesenburg-Verl. 2008
Wenn Literatur in Räume und Zeiten der Geschichte leuchtet, erhellt sie oftmals Bedeutsames auch für unsere Gegenwart. So auch mit
diesem „Tatort“, mit einem Konflikt an den Außengrenzen des britischen Empire und der Frage, wie dem…mehrRezension zu: Arthur Conan Doyle „Tatort Ägypten. Ein Drama in der Wüste“
Aus dem Engl. u. mit e. Nachwort von Reinhard Hillich. Mit Ill. Wiesenburg-Verl. 2008
Wenn Literatur in Räume und Zeiten der Geschichte leuchtet, erhellt sie oftmals Bedeutsames auch für unsere Gegenwart. So auch mit diesem „Tatort“, mit einem Konflikt an den Außengrenzen des britischen Empire und der Frage, wie dem Terror zu begegnen sei.
Von Conan Doyle also kein ‚neuer Sherlock Holmes’? Nein, aber ein spannender Roman über islamistischen Terror im 19. Jahrhundert, den er als eins seiner wichtigsten Bücher angesehen hat. Nachdem Doyle mit seinen Krimis sehr schnell berühmt und wohlhabend geworden war, wollte er mehr. Sherlock Holmes hatte er in einen geheimnisvollen Tod verabschiedet und wollte nun national Bedeutendes leisten. Den Stoff lieferte ihm eine Erholungsreise mit seiner kranken Frau nach Ägypten 1895. „The Tragody of Korosko“ ist die Geschichte eines Verbrechens, die dem britischen Publikum die Gefahren an den Rändern seines Weltimperiums zeigen sollte.
Eine Reisegesellschaft macht eine Dampferfahrt auf dem Nil, um Tempel und Gräber der Pharaonen zu besichtigen. Dabei wird sie von sudanesischen Terroristen, den sogenannten ‚Derwischen’ überfallen und in eine Wüste verschleppt. Conan Doyle konzentriert sich auf das Verhalten der Menschen in Geiselhaft und woher sie die Kraft und Hoffnung beziehen, dem Terror zu widerstehen. Er stellt die Entführten vor die Entscheidung: retten sie ihr Leben durch Übertritt zum Islam oder opfern sie sich in mutiger Verweigerung. Ein Mullah will die Entführten von der Allmacht Allahs und der kriegerischen Kraft seiner Anhänger überzeugen. Als Beweis ihrer Abkehr vom christlichen Glauben sollen sie ein Holzkreuz zertreten. Zunächst wollen sie Zeit gewinnen, um durchzuhalten, bis eine britisch-ägyptische Militäraktion sie befreit. Wer von den Gefangenen versucht jetzt sein Leben zu retten, wer schützt die Frauen, wer verhilft ihnen zur Flucht? Vor diesen schwierigen Entscheidungen wird jeder Einzelne zum Prüfstein ihrer Gemeinschaft. Doyle lässt die Entführten seiner gemischten Reisegruppe einen heroischen Wandlungsprozess vollziehen. Die ganz durchschnittlichen Reisenden richten sich an den Charakterstärksten auf und wachsen zu moralischer Größe im Angesicht des Todes.
In ihren Dialogen verfolgen wir die philosophisch-religiösen Auffassungen von Conan Doyle, seine Überzeugung von der Überlegenheit des britischen Empire, seiner Bürger und vor allem seiner Truppen. Als Kriegsberichterstatter einer britisch-ägyptischen Armee unter General Kitchener im Krieg gegen einen militanten Gottesstaat der so genannten Mahdisten im Sudan hatte er 1895 Land und Leute bestens kennen gelernt und schafft so eine realistische Atmosphäre. Der Roman reizt besonders durch Vergleiche mit aktuellen Ereignissen. Für Conan Doyle ist diese Geschichte ein Beispiel für britischen Heroismus, also ein Beweis für die Größe seiner Nation. Er wurde schließlich für seine Verdienste vom englischen Königshaus 1902 geadelt, nachdem er als Militärarzt am Burenkrieg teilgenommen und darüber geschrieben hatte. Zum Glück seiner Sherlock-Holmes-Verehrer lässt er später seinen berühmten Detektiv wieder erscheinen und erreicht mit dem „Hund von Baskerville“ den größten Erfolg auch bei seinen Lesern und bis heute. Dass er zudem ein erfolgreicher ‚politischer’ Autor war, mit hohen Ehrungen anerkannt, bezeugt er mit diesem Buch. Heutige Leser werden ihm für „Tatort Ägypten“ nicht unbedingt hohes Lob zubilligen.
Der Herausgeber und Übersetzer Reinhard Hillich hat in seinem Nachwort die Hintergründe der Ereignisse, vor allem auch die Beweggründe für Conan Doyle, sehr überzeugend dargestellt.
Hans Georg Brandner, 04179 Leipzig