Wirtschaftsunternehmen Krankenhaus
Mit diesem Buch tue ich mich schwer. Auf der einen Seite meine ich, dass brisante Themen nicht unter den Tisch gekehrt werden sollen, auf der anderen Seite frage ich mich, wie aussagekräftig eine Studie ist, die auf Befragungen beruht. Ist in einem solchen Fall
die Aufklärung höher zu gewichten, als die damit verursachte Verunsicherung? Das Buch ist auf dem…mehrWirtschaftsunternehmen Krankenhaus
Mit diesem Buch tue ich mich schwer. Auf der einen Seite meine ich, dass brisante Themen nicht unter den Tisch gekehrt werden sollen, auf der anderen Seite frage ich mich, wie aussagekräftig eine Studie ist, die auf Befragungen beruht. Ist in einem solchen Fall die Aufklärung höher zu gewichten, als die damit verursachte Verunsicherung? Das Buch ist auf dem Markt und man darf es nicht ignorieren.
„Es geht nicht mehr um den Patienten, sondern es geht um abrechenbare Leistungen und um Geld.“ … „Dementsprechend wird gemacht, was Geld bringt, nicht, was medizinisch sinnvoll ist.“ (16) Wenn Krankenhäuser als Wirtschaftsunternehmen geführt werden, darf man sich nicht wundern, wenn der Patient auf der Strecke bleibt. Zuwendung, Gespräche und intensive Betreuung des Patienten werden nicht separat vergütet und daher reduziert; vergütet wird Gerätemedizin, Gewinne werden durch Massenabfertigung generiert. Das führt im Ergebnis zu unzufriedenen Patienten und überlasteten Pflegekräften und Ärzten. In Stresssituationen erfolgt die Behandlung weniger rücksichtsvoll, passieren Fehler und der Umgangston wird rauer.
Führt das auch dazu, dass Gewalt angewendet wird und im Extremfall Menschen getötet werden? Die Autoren berufen sich auf eine (nicht repräsentative) Studie der Universität Witten-Herdecke. Danach gibt es Gründe für die These, dass es eine hohe Dunkelziffer von Tötungsdelikten in Krankenhäusern und Heimen gibt. Die Studie beruht auf einer Befragung. Ein kausaler Zusammenhang zwischen den oben beschriebenen Mängeln und einer hohen Anzahl von Tötungsdelikten wird konstruiert, ist aber nicht belegt.
Belegt sind die Machenschaften mehrerer verurteilter Einzeltäter, die zumeist Serientäter waren. Aus den Profilen dieser Täter geht hervor, dass sie psychisch auffällig waren. Auffallend ist nicht nur, dass die Taten lange Zeit unentdeckt blieben, sondern auch, dass Verdachtsmomenten nicht nachgegangen wurde. So kann der Eindruck entstehen, dass Mitarbeiter eines Systems Täter decken. Könnte es nicht auch sein, dass solche Taten einfach außerhalb der Vorstellungskraft des Pflegepersonals liegen und Anzeichen deshalb übersehen werden?
Wenn es Tötungsdelikte in Krankenhäusern und Heimen gibt, sind das Fälle für die Staatsanwaltschaft. Eine Studie wie die oben beschriebene sollte für die notwendige Sensibilisierung sorgen, bei Zweifelsfällen in alle Richtungen zu ermitteln.
Die Autoren gehen von Systemfehlern als Ursache aus und machen Vorschläge, was sich aus ihrer Sicht ändern müsste. Es sind die üblichen Verdächtigen: Verbesserung der Ausbildung, Konfliktmanagement, Transparenz, bessere Kontrolle, Klasse statt Masse, um nur Beispiele zu nennen. Alle Lösungen kosten Geld. Wie Verbesserungen kostenneutral erreicht werden können, wird eher am Rande angesprochen.
Als positives Beispiel für die Gesundheitsversorgung wird Schweden genannt. Das hätte weiter ausgeführt werden können. Wie ist die Kostenentwicklung in Schweden? Sind die Schweden mit ihrem System zufrieden? Sind Gesundheitsberufe beliebte Berufe oder wandern Ärzte ab, weil der Verdienst anderswo besser ist? Gibt es vergleichbare Taten auch in schwedischen Krankenhäusern und Heimen?
Die Studie legt nahe, dass es eine hohe Dunkelziffer an nicht aufgeklärten Tötungsdelikten gibt. Über das wahre Ausmaß kann aber nur spekuliert werden. Jeder Fall von Gewalt ist einer zu viel und einer modernen Industrienation unwürdig. Es besteht daher Aufklärungsbedarf im Interesse der Patienten und Pflegekräfte und insbesondere die Gesundheitspolitik muss hinterfragt werden. Wenngleich die Studie hinsichtlich ihrer Aussagekraft einer kritischen Würdigung unterzogen werden muss, sollten die Alarmglocken bei diesem Thema läuten.