"Sie sind doch alle volljährig. Das werden sie ja wohl alleine klären können!" An dieser Stelle irrte sich meine Lehrerin, ebenso wie mit der Annahme, dass Schüler mit zunehmendem Alter vernünftiger werden, verstehen, was sie anderen durch Mobbing antun. Je älter, desto grausamer, lautet die Devise. Diese Erfahrung habe nicht nur ich gemacht, nur bin ich eine der wenigen Betroffenen, die darüber in der Öffentlichkeit spricht. Warum denn eigentlich? Wer als Mobbingbetroffener von dem, was er erlebt hat berichtet, muss mit beruflichen Konsequenzen rechnen, mit der Angst leben, von Freunden, Bekannten und Kollegen plötzlich anders wahrgenommen zu werden, ständig mit der Frage nach dem Grund oder dem Auslöser konfrontiert zu werden, und sich dem Risiko bewusst sein, vielleicht zum wiederholten Mal zum Mobbingopfer zu werden, denn die allermeisten suchen die Schuld beim Betroffenen selbst. So erging es mir nach meiner ersten Buchveröffentlichung und ich musste feststellen, dass nicht alle Menschen in meinem Umfeld begeistert von meinem offenen Umgang mit der Thematik waren, und mir meinen Erfolg in der Aufklärungsarbeit sogar neideten. Das Mobbing ging von vorne los, vielleicht sogar in noch schlimmerer Form als zuvor. Ich bin trotzdem der festen Überzeugung, dass wir nur etwas zum Positiven verändern können, wenn wir uns als Betroffene nicht den Mund verbieten lassen und genau deshalb ist es jetzt an der Zeit, das Schweigen zu brechen und Licht ins Dunkel zu bringen. Deshalb berichten jetzt viele weitere Betroffene in diesem Buch anonym von ihren Erlebnissen und auch ich werde über meine Mobbingerfahrungen in der Oberstufe sprechen. Wir wünschen uns mehr Toleranz und Empathie von unseren Mitmenschen, mehr Aufklärungsarbeit und Hilfestellung in der Schule, und auch endlich politische Maßnahmen, wie zum Beispiel eine Ausbildung aller Lehrkräfte in diesem Bereich.