Gab es ein Troia? Nein! Gab es einen Troianischen Krieg? Nein! Auswandernde Griechen haben eine im Mutterland entstandene Sage an einer bronzezeitlichen Ruinenstätte im nordwestlichen Kleinasien verankert, deren damaligen Namen wir nicht kennen und die Schliemann ausgegraben hat. Viel bedeutender als jener Ort sind die Darstellung des Mythos´ in Homers Ilias und seine spätere politische Instrumentalisierung.Frank Kolb bietet ein faszinierendes, aber zugleich entlarvendes Bild von »Troia« und der Troia-Forschung. Er zeigt, dass das Bemühen, den Mythos mit dem Spaten des Archäologen als Geschichte zu erweisen, methodisch verfehlt und erfolglos war und zu wissenschaftlich fragwürdigen Vorgehensweisen führte. Der »Schicksalshügel der Archäologie« wurde zu einem Skandalhügel.Dieses allgemeinverständlich und spannend geschriebene Buch präsentiert die mit dem Troia-Mythos, der homerischen Ilias und den Ausgrabungen seit Schliemann verbundenen Probleme auf dem neuesten Stand der Forschung. Es bettet die Troia-Frage in die Frühgeschichte des Ägäisraumes, Anatoliens und des Vorderen Orients ein. Es zeigt ferner, wie der Troia-Mythos durch die Jahrhunderte bis heute für politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Zwecke instrumentalisiert worden ist.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2010Homer, der Hügel und die Phantasie
Das anatolische Troia: Frank Kolb besichtigt einen der letzten vielbeachteten Versuche, den Ort der "Ilias" auf der Landkarte dingfest zu machen.
Bei Homer begann mit Friedrich August Wolfs "Prolegomena" die wissenschaftliche Historisierung eines klassischen Textes. Heinrich Schliemann suchte dann am Hügel Hissarlik nicht nur Schätze und eine greifbare Bestätigung der "Ilias", er brachte auch die Ausgrabungstechnik voran und trug zur Ausbildung der archäologischen Methode bei. Doch Homer, der Hügel, die Phantasie - sie gehörten weiterhin eng zusammen. In der Philologie wurde die Dichtung Objekt weitgespannter, zugleich gegensätzlicher Thesengebäude, und die Entdeckung mündlich tradierter Epik ließ ferne Zeiten erreichbar erscheinen, die sich zudem mit bronzezeitlichen Funden, ja Texten füllten. Der räumliche Horizont weitete sich, neue Grabungen und Paradigmen versprachen einen niemals endenden Zugewinn an Erkenntnis. Zum Selbstbewusstsein dynamischer Wissenschaftsdisziplinen trat dabei eine seltsame, von Forschern und Publikum geteilte Mythomotorik des Realismus: Homer wäre ein größerer Dichter, die Ruinen und Artefakte in der Troas historisch bedeutsamer, wenn beide Überreste "des" großen Krieges um das heilige Ilion wären.
Der Tübinger Althistoriker Frank Kolb zeichnet nun nach, wie der vorletzte in einer solchen Konstellation auf die Strecke gesetzte Fortschrittszug nach Troia - für den jüngsten zeichnete Raoul Schrott verantwortlich - entgleiste. Seine Abrechnung kommt freilich spät. Manfred Korfmann starb 2005, sein Gefährte im Streit, der Philologe Joachim Latacz, hat zwar 2001 ein höchst erfolgreiches Buch zum Thema vorgelegt, äußert sich aber seit längerem kaum mehr zu den im Streit vor fast zehn Jahren verhandelten Fragen.
Dem Tübinger Historiker sind also die Feinde abhandengekommen, und so richtet sich sein gleich zu Beginn freimütig eingestandener Zorn nicht nur auf diese, sondern grundsätzlich "gegen die Vermischung von Wissenschaft mit Politik und wirtschaftlichen Interessen, gegen die Verletzung wissenschaftlicher Standards, gegen den Versuch, wissenschaftlichen Diskurs durch öffentliches Deutungsmonopol zu ersetzen, gegen komplizenhaftes Schweigen".
Doch der streitbare Althistoriker hat zum Glück ein nicht nur zorniges, sondern auch kluges und geradezu spannendes Buch geschrieben. Kenntnisreich und sorgfältig wird entfaltet, dass "Troia" kein historischer Ort ist, sondern ein Konstrukt, Ergebnis poetisch-literarischen, (pseudo-)wissenschaftlichen und politisch-ideologisch motivierten Tuns. Schon das Kapitel über die Instrumentalisierungen des Troia-Mythos seit der Antike fördert Aufregendes zutage. Hektor als anatolischer Nationalheld, Seite an Seite mit Atatürk, nachdem das humanistische Europa schon im Spätmittelalter die Türken aus dem troianischen Sukzessionsgeflecht entfernt hatte, worauf pananatolische Humanisten der modernen Türkei Homer als einen der Ihren beanspruchten - das ist nur eine der dargestellten Volten.
Geduldig sortiert der Autor auseinander, wie die von Homer beschriebene Siedlung Ilios in der Landschaft Troiê schon in der Antike mit den Ruinen auf dem Hissarlik in der Troas identifiziert wurde. Als dann das von antiken Chronographen errechnete, ganz fiktive Datum der Auslöschung von Priamos' Stadt zufällig mit einem möglichen archäologischen Datum einer Zerstörung der von Schliemann freigelegten Burgsiedlung übereinstimmte, war auch in der Moderne die Grundlage für die folgenreiche Identifizierung geschaffen. Poetische Schilderung und antike Datierung leiteten die Deutung der Grabungsbefunde und sollten ihrerseits von diesen bestätigt werden.
Das brachte nun wiederum die Homer-Forschung ins Spiel, in Gestalt von Joachim Latacz, der zu zeigen suchte, dass die homerische "Ilias", obwohl im achten Jahrhundert oder etwas später verfasst, konkrete und genaue Informationen aus der späten Bronzezeit gut vierhundert Jahre zuvor enthalte, etwa in Gestalt des Schiffekatalogs im zweiten Gesang. Akribisch zerpflückt Kolb die Argumente und stellt eine eigene Hypothese vor: Was Homer an dem bekannten Ort im nordwestlichen Kleinasien spielen ließ, der in der Bronzezeit weder Ilios noch Troia hieß, dürfte dichterische Spiegelung von Verwicklungen auf dem mittelgriechischen Festland und im Zuge der Migrationen an die kleinasiatische Küste kurz nach dem Ende der Bronzezeit sein.
Der Ort Ilios aber lag, wie ein ägyptisches Dokument nahelegt, entweder auf Kreta oder an der Südküste der Peloponnes und wanderte erst in der mythopoetischen Fiktion in die Troas. Orts- und Personennamen in der "Ilias" gehören jedenfalls ins griechische Kernland, und Homer verrät keine Kenntnis von spezifisch orientalischen oder kleinasiatisch-anatolischen Gegebenheiten. Und auch von der zeitweise so intensiv diskutierten Annahme, die Siedlung auf dem Hissarlik sei in einen bronzezeitlichen hethitisch-luwischen Hintergrund einzuordnen und als Wilusa zu identifizieren, hat nichts der Prüfung standgehalten.
Die Grabungen auf dem Hissarlik vor Beginn von Korfmanns Kampagne 1988 resümierend, stellt Kolb alte problematische Muster heraus: die Verführung, voreilig sensationelle Ergebnisse zu melden und so im Publikum einen Erwartungshunger nach mehr auszulösen, ferner die Neigung, greifbare Bodenfunde "für sich sprechen zu lassen", obwohl selbstverständlich die Ausgräber und Historiker auch sie interpretieren müssen. Doch seine Durchschlagskraft gewann Korfmanns neuer Troia-Mythos erst aus zwei Ereignissen: dem Bündnis mit Latacz und der großen Troia-Ausstellung, die zunächst in Stuttgart, dann in Braunschweig und Bonn zu sehen war.
Die wichtigsten Behauptungen der Ausgräber selbst sind mittlerweile allesamt widerlegt. Nichts bleibt nach den dürftigen Funden ganz überwiegend lokaler Keramik übrig von der angeblichen Handelsmetropole an den Toren zum Schwarzen Meer. Die schriftlose Siedlung auf dem Hügel Hissarlik entwickelte keine Hochkultur; sie war allenfalls ein politisches und militärisches Zentrum für einen Teil der Troas, an Größe und Bedeutung etwa mit dem zeitgenössischen Milet nicht zu vergleichen.
Doch Korfmann war es, wie er selbst einmal einräumte, ohnehin einerlei, ob man Troia als Stadt, Dorf oder sonst etwas bezeichne - Hauptsache, man grabe, und die Karawane ziehe weiter. Darin liegt vielleicht ein Schlüssel für das ganze Desaster. Kolb spricht von einem strategischen Netzwerk und unterstellt Planung und Absicht. Doch interessanter ist der sich selbst beschleunigende Prozess, der gegen kritische Einreden immunisierte. Auch der Unternehmenssprecher des Daimler-Chrysler-Konzerns, der die Grabungen maßgeblich finanzierte, lobte Korfmann damals freimütig: Dieser verstehe es, die Geschichte Troias "immer wieder als ,anatolische' Geschichte zu erzählen, womit auch auf den Sponsor Daimler-Chrysler ein Gewinn an Glaubwürdigkeit fällt, der angesichts des wirtschaftlichen Engagements des Konzerns in der Türkei, aber auch angesichts von drei Millionen in Deutschland lebender Türken gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann". Die "Image-Affinität" zwischen Projekt und Konzern öffnete dessen Taschen für organisierte Journalisten-Reisen und Event-Management, Erwartungen zogen Erfolgsmeldungen nach sich.
Selbstverständlich behandelt Kolb auch die im Feuilleton dieser Zeitung ausgetragene Debatte. Bei den gelehrten Kollegen rennt er in der Sache ganz überwiegend offene Türen ein; an sie richtet sich freilich auch die Warnung vor der Verharmlosung dieses Falls. Doch selbst wer aus dem "Tatort ,Troia'" nicht gleich die Allgegenwart von Machenschaften folgern möchte und dem Autor überdies etwas mehr Nachdenklichkeit wünscht, wird aus der Lektüre dieses klar formulierten und profund dokumentierten Buchs reiche Erkenntnis und geschärfte Sinne mitnehmen.
UWE WALTER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das anatolische Troia: Frank Kolb besichtigt einen der letzten vielbeachteten Versuche, den Ort der "Ilias" auf der Landkarte dingfest zu machen.
Bei Homer begann mit Friedrich August Wolfs "Prolegomena" die wissenschaftliche Historisierung eines klassischen Textes. Heinrich Schliemann suchte dann am Hügel Hissarlik nicht nur Schätze und eine greifbare Bestätigung der "Ilias", er brachte auch die Ausgrabungstechnik voran und trug zur Ausbildung der archäologischen Methode bei. Doch Homer, der Hügel, die Phantasie - sie gehörten weiterhin eng zusammen. In der Philologie wurde die Dichtung Objekt weitgespannter, zugleich gegensätzlicher Thesengebäude, und die Entdeckung mündlich tradierter Epik ließ ferne Zeiten erreichbar erscheinen, die sich zudem mit bronzezeitlichen Funden, ja Texten füllten. Der räumliche Horizont weitete sich, neue Grabungen und Paradigmen versprachen einen niemals endenden Zugewinn an Erkenntnis. Zum Selbstbewusstsein dynamischer Wissenschaftsdisziplinen trat dabei eine seltsame, von Forschern und Publikum geteilte Mythomotorik des Realismus: Homer wäre ein größerer Dichter, die Ruinen und Artefakte in der Troas historisch bedeutsamer, wenn beide Überreste "des" großen Krieges um das heilige Ilion wären.
Der Tübinger Althistoriker Frank Kolb zeichnet nun nach, wie der vorletzte in einer solchen Konstellation auf die Strecke gesetzte Fortschrittszug nach Troia - für den jüngsten zeichnete Raoul Schrott verantwortlich - entgleiste. Seine Abrechnung kommt freilich spät. Manfred Korfmann starb 2005, sein Gefährte im Streit, der Philologe Joachim Latacz, hat zwar 2001 ein höchst erfolgreiches Buch zum Thema vorgelegt, äußert sich aber seit längerem kaum mehr zu den im Streit vor fast zehn Jahren verhandelten Fragen.
Dem Tübinger Historiker sind also die Feinde abhandengekommen, und so richtet sich sein gleich zu Beginn freimütig eingestandener Zorn nicht nur auf diese, sondern grundsätzlich "gegen die Vermischung von Wissenschaft mit Politik und wirtschaftlichen Interessen, gegen die Verletzung wissenschaftlicher Standards, gegen den Versuch, wissenschaftlichen Diskurs durch öffentliches Deutungsmonopol zu ersetzen, gegen komplizenhaftes Schweigen".
Doch der streitbare Althistoriker hat zum Glück ein nicht nur zorniges, sondern auch kluges und geradezu spannendes Buch geschrieben. Kenntnisreich und sorgfältig wird entfaltet, dass "Troia" kein historischer Ort ist, sondern ein Konstrukt, Ergebnis poetisch-literarischen, (pseudo-)wissenschaftlichen und politisch-ideologisch motivierten Tuns. Schon das Kapitel über die Instrumentalisierungen des Troia-Mythos seit der Antike fördert Aufregendes zutage. Hektor als anatolischer Nationalheld, Seite an Seite mit Atatürk, nachdem das humanistische Europa schon im Spätmittelalter die Türken aus dem troianischen Sukzessionsgeflecht entfernt hatte, worauf pananatolische Humanisten der modernen Türkei Homer als einen der Ihren beanspruchten - das ist nur eine der dargestellten Volten.
Geduldig sortiert der Autor auseinander, wie die von Homer beschriebene Siedlung Ilios in der Landschaft Troiê schon in der Antike mit den Ruinen auf dem Hissarlik in der Troas identifiziert wurde. Als dann das von antiken Chronographen errechnete, ganz fiktive Datum der Auslöschung von Priamos' Stadt zufällig mit einem möglichen archäologischen Datum einer Zerstörung der von Schliemann freigelegten Burgsiedlung übereinstimmte, war auch in der Moderne die Grundlage für die folgenreiche Identifizierung geschaffen. Poetische Schilderung und antike Datierung leiteten die Deutung der Grabungsbefunde und sollten ihrerseits von diesen bestätigt werden.
Das brachte nun wiederum die Homer-Forschung ins Spiel, in Gestalt von Joachim Latacz, der zu zeigen suchte, dass die homerische "Ilias", obwohl im achten Jahrhundert oder etwas später verfasst, konkrete und genaue Informationen aus der späten Bronzezeit gut vierhundert Jahre zuvor enthalte, etwa in Gestalt des Schiffekatalogs im zweiten Gesang. Akribisch zerpflückt Kolb die Argumente und stellt eine eigene Hypothese vor: Was Homer an dem bekannten Ort im nordwestlichen Kleinasien spielen ließ, der in der Bronzezeit weder Ilios noch Troia hieß, dürfte dichterische Spiegelung von Verwicklungen auf dem mittelgriechischen Festland und im Zuge der Migrationen an die kleinasiatische Küste kurz nach dem Ende der Bronzezeit sein.
Der Ort Ilios aber lag, wie ein ägyptisches Dokument nahelegt, entweder auf Kreta oder an der Südküste der Peloponnes und wanderte erst in der mythopoetischen Fiktion in die Troas. Orts- und Personennamen in der "Ilias" gehören jedenfalls ins griechische Kernland, und Homer verrät keine Kenntnis von spezifisch orientalischen oder kleinasiatisch-anatolischen Gegebenheiten. Und auch von der zeitweise so intensiv diskutierten Annahme, die Siedlung auf dem Hissarlik sei in einen bronzezeitlichen hethitisch-luwischen Hintergrund einzuordnen und als Wilusa zu identifizieren, hat nichts der Prüfung standgehalten.
Die Grabungen auf dem Hissarlik vor Beginn von Korfmanns Kampagne 1988 resümierend, stellt Kolb alte problematische Muster heraus: die Verführung, voreilig sensationelle Ergebnisse zu melden und so im Publikum einen Erwartungshunger nach mehr auszulösen, ferner die Neigung, greifbare Bodenfunde "für sich sprechen zu lassen", obwohl selbstverständlich die Ausgräber und Historiker auch sie interpretieren müssen. Doch seine Durchschlagskraft gewann Korfmanns neuer Troia-Mythos erst aus zwei Ereignissen: dem Bündnis mit Latacz und der großen Troia-Ausstellung, die zunächst in Stuttgart, dann in Braunschweig und Bonn zu sehen war.
Die wichtigsten Behauptungen der Ausgräber selbst sind mittlerweile allesamt widerlegt. Nichts bleibt nach den dürftigen Funden ganz überwiegend lokaler Keramik übrig von der angeblichen Handelsmetropole an den Toren zum Schwarzen Meer. Die schriftlose Siedlung auf dem Hügel Hissarlik entwickelte keine Hochkultur; sie war allenfalls ein politisches und militärisches Zentrum für einen Teil der Troas, an Größe und Bedeutung etwa mit dem zeitgenössischen Milet nicht zu vergleichen.
Doch Korfmann war es, wie er selbst einmal einräumte, ohnehin einerlei, ob man Troia als Stadt, Dorf oder sonst etwas bezeichne - Hauptsache, man grabe, und die Karawane ziehe weiter. Darin liegt vielleicht ein Schlüssel für das ganze Desaster. Kolb spricht von einem strategischen Netzwerk und unterstellt Planung und Absicht. Doch interessanter ist der sich selbst beschleunigende Prozess, der gegen kritische Einreden immunisierte. Auch der Unternehmenssprecher des Daimler-Chrysler-Konzerns, der die Grabungen maßgeblich finanzierte, lobte Korfmann damals freimütig: Dieser verstehe es, die Geschichte Troias "immer wieder als ,anatolische' Geschichte zu erzählen, womit auch auf den Sponsor Daimler-Chrysler ein Gewinn an Glaubwürdigkeit fällt, der angesichts des wirtschaftlichen Engagements des Konzerns in der Türkei, aber auch angesichts von drei Millionen in Deutschland lebender Türken gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann". Die "Image-Affinität" zwischen Projekt und Konzern öffnete dessen Taschen für organisierte Journalisten-Reisen und Event-Management, Erwartungen zogen Erfolgsmeldungen nach sich.
Selbstverständlich behandelt Kolb auch die im Feuilleton dieser Zeitung ausgetragene Debatte. Bei den gelehrten Kollegen rennt er in der Sache ganz überwiegend offene Türen ein; an sie richtet sich freilich auch die Warnung vor der Verharmlosung dieses Falls. Doch selbst wer aus dem "Tatort ,Troia'" nicht gleich die Allgegenwart von Machenschaften folgern möchte und dem Autor überdies etwas mehr Nachdenklichkeit wünscht, wird aus der Lektüre dieses klar formulierten und profund dokumentierten Buchs reiche Erkenntnis und geschärfte Sinne mitnehmen.
UWE WALTER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
In "Tatort Troja" rechnet Frank Kolb mit gewaltigem Furor mit den aufsehenerregenden Troja-Forschungen von Manfred Korfmann im Verein mit dem Philologen Joachim Latacz und nicht zuletzt mit dem Daimler-Chrysler-Konzern ab, die Homers Troja im anatolischen Hissarlik entdeckt zu haben glaubten, stellt Uwe Walter fest. Allerdings bemerkt er, dass der Hauptwidersacher des Autors, Korfmann, bereits 2005 gestorben ist, sich Latacz zu der Sache nicht mehr äußert und die Forschung die These mittlerweile gründlich widerlegt hat, Kolb also ganz offensichtlich die "Feinde abhanden" gekommen sind. Dass die Rekapitulation dieses Forschungsstreits dennoch fesselnd und "klug" geraten ist, liegt nach Meinung Walters an der akribischen Analyse des Autors, der Troja weniger als realen Ort denn als "Konstrukt" entlarvt, der von Politik und Wissenschaft instrumentalisiert wurde. Nicht so überzeugend findet der Rezensent allerdings Kolbs Betonung der niederen Absicht bei der Inszenierung des "Troja-Mythos" - der Autor unterstellt u. a. Daimler-Chrysler Kalkül bei der Finanzierung der Grabungen in Anatolien, um ihre Autos besser in der Türkei und bei in Deutschland lebenden Türken an den Mann zu bringen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH