Ein eigenes Häuschen in Garmisch Partenkirchen gegen einen maroden Bauernhof in einem transsilvanischen Dorf eintauschen? Rita Klaus hat das gemacht. Mit Mann, Maus und Kindern. Und wenn man dem sehr unterhaltsamen Integrationsbericht glauben darf, ist ihr die Flucht sogar gelungen, denn in dem
Jahr, das sie beschreibt, wurde aus der Hofruine ein bewohnbares Zuhause, mit fast autarker…mehrEin eigenes Häuschen in Garmisch Partenkirchen gegen einen maroden Bauernhof in einem transsilvanischen Dorf eintauschen? Rita Klaus hat das gemacht. Mit Mann, Maus und Kindern. Und wenn man dem sehr unterhaltsamen Integrationsbericht glauben darf, ist ihr die Flucht sogar gelungen, denn in dem Jahr, das sie beschreibt, wurde aus der Hofruine ein bewohnbares Zuhause, mit fast autarker Energieversorgung und diversen tierischen Mitbewohnern (dauerhafte und gelegentliche), die Nachbarschaft hat sich als äußerst hilfsbereit und aufgeschlossen gezeigt und die vielen Probleme des Alltags wurden bisher glücklich gemeistert.
Rita Klaus hat einen komödiantischen Schreibstil, humorvoll, pointensicher und getragen von einem unerschütterlichen Optimismus. Den braucht sie auch, denn es ist nicht alles Idylle, was auf den ersten Blick so aussieht. Die unberührte Natur der Karpaten wird am Dorfrand durch wilde Müllkippen verschandelt, das „biologische“ Gemüse hat mehr Glyphosat gesehen als eine Sondermülldeponie, die nächste höhere Schule liegt 2 Stunden Fahrt entfernt und wehe, jemand wird krank. Aber die Herzlichkeit der Menschen, der Zusammenhalt und die vielen kleinen Abenteuer, die man nur auf dem Dorf erleben kann, die machen für Rita Klaus alle Schwierigkeiten wieder wett.
Zum Ende des Buchs gehen der Autorin langsam die Geschichten aus, wodurch Tempo und Pointendichte deutlich abnehmen, aber das liegt vielleicht auch daran, dass sie noch nicht sehr lange in Transsilvanien lebt. Man kann Rita Klaus allerdings nicht vorwerfen, dass sie sich mit der Kultur, der Sprache und den Sitten nicht intensiv und ernsthaft auseinandersetzt. Das tut sie mit sympathischem Augenzwinkern und viel Verständnis, wo mir wahrscheinlich längst der Kragen geplatzt wäre. Die soziale Kontrolle im Dorf hat etwas Übergriffiges und während Rita Klaus und ihr Mann durch das Internet problemlos ihrem Beruf nachgehen können, weiß ich z. B. nicht, was die Kinder davon halten, in Transsilvanien aufs Internat gehen zu müssen. In erster Linie erfährt man Ritas Sicht auf die Dinge, der Rest der Familie kommt nur zu Wort, wenn es lustig wird. Das ist vielleicht mein größter Kritikpunkt an dem ansonsten sehr kurzweiligen und auch informativen Bericht: Die wirklichen Probleme bleiben unter dem Bullerbü-Teppich. Kein Wort über die in Rumänien ausufernde Korruption, die kriminelle Polizei, die fehlende Rechtsstaatlichkeit. Die (vor allem durch Korruption) mangelhafte Infrastruktur wird als lustige Anekdote verarbeitet, genauso wie das katastrophale Gesundheitswesen im ländlichen Raum. Rita Klaus wird von einem riesigen Hund angefallen und braucht einen halben Tag bis zum (richtigen) Krankenhaus. Wäre sie noch schwerer verletzt worden, hätte sie es wohl kaum überlebt. Das bietet Stoff für witzige oder abenteuerliche Geschichten, aber die Faszination und fast kindliche Begeisterung für diesen Lebensstil habe ich persönlich nicht nachvollziehen können. Meine Empfehlung ist jedenfalls: Nicht nachmachen! Nur lesen.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)