Peter Sputnik! Superheld: nur wider Willen. Aber Landbusfahrer aus Leidenschaft.
Für Peter Sputnik, einen Landbusfahrer von grundgutem Gemüt, ist normal super: Sein Leben wird von Fahrplänen bestimmt und seiner vorerst noch unerfüllten Liebe zur Eisdielen-Verkäuferin Frollein Gitti. Aber dann soll ausgerechnet er die Welt retten!
Und dann auch noch vor dem totalen Untergang! Doch, können könnte er das schon, denn Peter Sputnik ist ganz nebenbei Superheld. Aber wollen will er eigentlich nicht mehr so recht ...
"... ein bezaubernd funkelndes, singulär operierendes Pünktchen am Himmel, das gute Laune und Hoffnung auf mehr macht." (FAZ)
Für Peter Sputnik, einen Landbusfahrer von grundgutem Gemüt, ist normal super: Sein Leben wird von Fahrplänen bestimmt und seiner vorerst noch unerfüllten Liebe zur Eisdielen-Verkäuferin Frollein Gitti. Aber dann soll ausgerechnet er die Welt retten!
Und dann auch noch vor dem totalen Untergang! Doch, können könnte er das schon, denn Peter Sputnik ist ganz nebenbei Superheld. Aber wollen will er eigentlich nicht mehr so recht ...
"... ein bezaubernd funkelndes, singulär operierendes Pünktchen am Himmel, das gute Laune und Hoffnung auf mehr macht." (FAZ)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.06.2010Supermann will nicht mehr
Hei und auweia: Axel Simons bezauberndes Romandebüt "Tatütata für Peter Sputnik"
Im Hauptberuf ist Peter Sputnik ein übergewichtiger Busfahrer in der Provinz, Freund von Krokanteisbechern und lateinischen Redewendungen. Wenn er seinen Zweier butterweich bremst, gebrechliche Mütterchen auf die Straße trägt und seine Eisdielen-Nymphe mit selbstkomponierten Liedern anhimmelt ("Sie ist Gitti!! Frollein Gitti! Meine Herzens und Lebens Mitti"), ist Sputnik "enorm sanft", um nicht zu sagen: phlegmatisch; aber er kann auch anders. Der Pummel in der Windjacke ist nämlich die Wunderwaffe der Weltregierung, ein Supermann, der mit seinen übermenschlichen Kräften den Planeten mehr als einmal vor dem Untergang gerettet hat. Beim Kennedy-Attentat kam er zwar zu spät, bei der Ermordung von John Lennon hatte er das Nachsehen, aber die "singulär operierende Spezialkraft" hat schon oft globale Katastrophen und monströse Schurkenstreiche verhindert.
Jetzt hat die Weltregierung wieder einmal ein Problem: V., der Erzschurke (der schon bei Thomas Pynchon sein Unwesen trieb), nagelt überall enthauptete Köpfe an die Kirchentüren, um seinen verbrecherischen Machinationen Nachdruck zu verleihen. Die klügsten Köpfe von Geheimdienst und Wissenschaft, darunter die Atomphysikerin Brenda Meaks, resignieren ohnmächtig vor dem Genie des Bösen, das sich hinter harmlosen Masken und einem krausen Perry-Rhodan-Kauderwelsch verbirgt. Helfen kann nur noch Sputnik, aber der nette Busfahrer will nicht mehr. Gitti hat sein scheues Werben abgewiesen, der neue Niederflurbus mit "Adaptive Swing Move" überfordert seine Fahrkünste, und so verweigert sich der "gemütliche Trauerkloß" seiner Pflicht. Immer nur James Bond spielen, das Große und Ganze retten und darüber sein kleines Glück versäumen ist weder menschenwürdig noch gerecht: Lieber renkt Peter den Stellmechanismus einer alten Kegelbahn ein als die aus den Fugen geratene Welt.
"Tatütata für Peter Sputnik" klingt neckisch wie ein Kinderbuch und liest sich manchmal auch so. Der skurrile Humor ist zart und verspielt, selbst das Schrecklichste irgendwie niedlich. Das Dreieck zwischen Birnlaub, Kiebitzgrund und Agathendorf ist "eine Welt zum Reinbeißen schön": So frisch gewaschen, duftig und weit, so "besummt und bezwitschert", so herzerfrischend appetitlich. Mit dem Schlachtruf "Hei und auweia" hangelt sich der Held wider Willen von Abenteuer zu Abenteuer, taucht frohgemut unter und in kuriosen Räuberpistolen zerzaust wieder auf. So wie das holländische Genrebildchen, das der Kunstdieb und Weiberheld Perseus Seidensprung gestohlen hat, ist auch Simons erster Roman ein Gewusel kauziger Figuren und grotesker, liebevoll ausgepinselter Details. Und was von V.s bösem Plan gilt, trifft auch den "Tatütata"-Plot ganz gut: "Das ist so, als würde jemand aus einem Tennisball, einem Blumenkohl und einer Damenhandtasche eine Bombe bauen ... Das ist das eigentlich Geniale an dieser Versuchsanordnung: Ihre Bestandteile sind gewöhnlich, aber ihre Komposition ist atemraubend." Zu den Bestandteilen gehören Fußnoten, schöne Wörter wie Pinkelflaschenköcher, Muffzange und Spreizschäkel, "Distortionsplattler" wie die Fürchterlichen Geschwister Suttner, die mit ihrem Volkstanz ganze Häuserzeilen zum Einsturz bringen, küssende Fische und hummelumsummte Freiluftorgeln. Die Bewohner dieser Welt heißen Gaspard Habermas, Titus Zapf oder Dr. Tapir Tannenbaum, die Tiere können sprechen wie Nathan, der Kakadu, Gerd, das Pferd, oder Hartmann, das in Art Blakeys Jazz und die einarmige Pilotin Charlotte verliebte Huhn.
Zweck und Ziel von Peterchens Mondfahrt erschließen sich wohl nur einem "kleinen Zirkel von verständigen Menschen mit Bildung, Sensitivität und Esprit". Aber Simon bastelt so unbekümmert und charmant an seinem Paralleluniversum aus Provinzidyll und Science-Fiction-Parodie, Zorro-Burleske und Parzival-Aventiure, dass man ihm auch den gelegentlich arg "pubertären marshmallowkonsistenten Mädchenmist" verzeiht. Sein Debüt ist nicht gerade ein Sputnik-Schock für die deutsche Gegenwartsliteratur, aber doch ein bezaubernd funkelndes, singulär operierendes Pünktchen am Himmel, das gute Laune und Hoffnung auf mehr macht.
MARTIN HALTER.
Axel Simon: "Tatütata für Peter Sputnik". Roman. Rowohlt Berlin, Berlin 2009. 286 S., geb., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hei und auweia: Axel Simons bezauberndes Romandebüt "Tatütata für Peter Sputnik"
Im Hauptberuf ist Peter Sputnik ein übergewichtiger Busfahrer in der Provinz, Freund von Krokanteisbechern und lateinischen Redewendungen. Wenn er seinen Zweier butterweich bremst, gebrechliche Mütterchen auf die Straße trägt und seine Eisdielen-Nymphe mit selbstkomponierten Liedern anhimmelt ("Sie ist Gitti!! Frollein Gitti! Meine Herzens und Lebens Mitti"), ist Sputnik "enorm sanft", um nicht zu sagen: phlegmatisch; aber er kann auch anders. Der Pummel in der Windjacke ist nämlich die Wunderwaffe der Weltregierung, ein Supermann, der mit seinen übermenschlichen Kräften den Planeten mehr als einmal vor dem Untergang gerettet hat. Beim Kennedy-Attentat kam er zwar zu spät, bei der Ermordung von John Lennon hatte er das Nachsehen, aber die "singulär operierende Spezialkraft" hat schon oft globale Katastrophen und monströse Schurkenstreiche verhindert.
Jetzt hat die Weltregierung wieder einmal ein Problem: V., der Erzschurke (der schon bei Thomas Pynchon sein Unwesen trieb), nagelt überall enthauptete Köpfe an die Kirchentüren, um seinen verbrecherischen Machinationen Nachdruck zu verleihen. Die klügsten Köpfe von Geheimdienst und Wissenschaft, darunter die Atomphysikerin Brenda Meaks, resignieren ohnmächtig vor dem Genie des Bösen, das sich hinter harmlosen Masken und einem krausen Perry-Rhodan-Kauderwelsch verbirgt. Helfen kann nur noch Sputnik, aber der nette Busfahrer will nicht mehr. Gitti hat sein scheues Werben abgewiesen, der neue Niederflurbus mit "Adaptive Swing Move" überfordert seine Fahrkünste, und so verweigert sich der "gemütliche Trauerkloß" seiner Pflicht. Immer nur James Bond spielen, das Große und Ganze retten und darüber sein kleines Glück versäumen ist weder menschenwürdig noch gerecht: Lieber renkt Peter den Stellmechanismus einer alten Kegelbahn ein als die aus den Fugen geratene Welt.
"Tatütata für Peter Sputnik" klingt neckisch wie ein Kinderbuch und liest sich manchmal auch so. Der skurrile Humor ist zart und verspielt, selbst das Schrecklichste irgendwie niedlich. Das Dreieck zwischen Birnlaub, Kiebitzgrund und Agathendorf ist "eine Welt zum Reinbeißen schön": So frisch gewaschen, duftig und weit, so "besummt und bezwitschert", so herzerfrischend appetitlich. Mit dem Schlachtruf "Hei und auweia" hangelt sich der Held wider Willen von Abenteuer zu Abenteuer, taucht frohgemut unter und in kuriosen Räuberpistolen zerzaust wieder auf. So wie das holländische Genrebildchen, das der Kunstdieb und Weiberheld Perseus Seidensprung gestohlen hat, ist auch Simons erster Roman ein Gewusel kauziger Figuren und grotesker, liebevoll ausgepinselter Details. Und was von V.s bösem Plan gilt, trifft auch den "Tatütata"-Plot ganz gut: "Das ist so, als würde jemand aus einem Tennisball, einem Blumenkohl und einer Damenhandtasche eine Bombe bauen ... Das ist das eigentlich Geniale an dieser Versuchsanordnung: Ihre Bestandteile sind gewöhnlich, aber ihre Komposition ist atemraubend." Zu den Bestandteilen gehören Fußnoten, schöne Wörter wie Pinkelflaschenköcher, Muffzange und Spreizschäkel, "Distortionsplattler" wie die Fürchterlichen Geschwister Suttner, die mit ihrem Volkstanz ganze Häuserzeilen zum Einsturz bringen, küssende Fische und hummelumsummte Freiluftorgeln. Die Bewohner dieser Welt heißen Gaspard Habermas, Titus Zapf oder Dr. Tapir Tannenbaum, die Tiere können sprechen wie Nathan, der Kakadu, Gerd, das Pferd, oder Hartmann, das in Art Blakeys Jazz und die einarmige Pilotin Charlotte verliebte Huhn.
Zweck und Ziel von Peterchens Mondfahrt erschließen sich wohl nur einem "kleinen Zirkel von verständigen Menschen mit Bildung, Sensitivität und Esprit". Aber Simon bastelt so unbekümmert und charmant an seinem Paralleluniversum aus Provinzidyll und Science-Fiction-Parodie, Zorro-Burleske und Parzival-Aventiure, dass man ihm auch den gelegentlich arg "pubertären marshmallowkonsistenten Mädchenmist" verzeiht. Sein Debüt ist nicht gerade ein Sputnik-Schock für die deutsche Gegenwartsliteratur, aber doch ein bezaubernd funkelndes, singulär operierendes Pünktchen am Himmel, das gute Laune und Hoffnung auf mehr macht.
MARTIN HALTER.
Axel Simon: "Tatütata für Peter Sputnik". Roman. Rowohlt Berlin, Berlin 2009. 286 S., geb., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main