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»Ein vollendet ausgeführtes Romangemälde.« Literarische Welt
Wie jedes Jahr verbringt die Familie Dalandt den Sommer in der Provence. Die Hitze macht träge, in der Zypresse zirpen Zikaden, und jeden Morgen läuft die Hausherrin im Nachthemd durch den Garten zum Pförtnerhaus, wo der Verwalter sie erwartet. Ihr Mann ist durch eine eigene verhängnisvolle Beziehung abgelenkt. Da entzündet sich ein Ehestreit an 'Taube und Wildente', einem Stillleben aus dem 19. Jahrhundert. Was hat es mit dem zinnoberroten Punkt in seinem Zentrum auf sich, macht der es nicht zu einem modernen Meisterwerk? Aber…mehr

Produktbeschreibung
»Ein vollendet ausgeführtes Romangemälde.« Literarische Welt

Wie jedes Jahr verbringt die Familie Dalandt den Sommer in der Provence. Die Hitze macht träge, in der Zypresse zirpen Zikaden, und jeden Morgen läuft die Hausherrin im Nachthemd durch den Garten zum Pförtnerhaus, wo der Verwalter sie erwartet. Ihr Mann ist durch eine eigene verhängnisvolle Beziehung abgelenkt. Da entzündet sich ein Ehestreit an 'Taube und Wildente', einem Stillleben aus dem 19. Jahrhundert. Was hat es mit dem zinnoberroten Punkt in seinem Zentrum auf sich, macht der es nicht zu einem modernen Meisterwerk? Aber die Frau will es verkaufen, die Spannung zwischen beiden wächst. Martin Mosebach, der menschliche Schwächen schildert wie kein zweiter, malt mit Wörtern. Ein flammender Roman über Kunst, Liebe und Verrat.

Über den Abgrund in einer Ehe und einen Fehltritt mit Folgen, über Schönheit, Verdammnis und Verlust - virtuos und fesselnd erzählt von einem der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller der Gegenwart.

»Ein unerhörtes Stück Literatur über Liebe, Kunst und Verrat samt glorioser Pointe.« Tobias Haberl, Süddeutsche Zeitung

»Provence, ein altes Landhaus, das uralte Drama des Menschlichen, ein stilistischer Lesegenuss von hohem Rang.« Iris Radisch. Die Zeit
Autorenporträt
Martin Mosebach, geboren 1951 in Frankfurt am Main, war zunächst Jurist, dann wandte er sich dem Schreiben zu. Seit 1983 veröffentlicht er Romane, dazu Erzählungen, Gedichte, Libretti und Essays über Kunst und Literatur, über Reisen, auch über religiöse, historische und politische Themen. Über die Jahre erhielt er zahlreiche Auszeichnungen und Preise, etwa den Kleist-Preis, den Großen Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, den Georg-Büchner-Preis und die Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt. Er ist Mitglied der Akademie für Sprache und Dichtung, der Deutschen Akademie der Künste in Berlin-Brandenburg sowie der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Zuletzt veröffentlichte er den Roman ¿Taube und Wildente¿. Er lebt in Frankfurt am Main. 
Rezensionen
Himmel und Hölle, Leben und Kunst, Liebe und Ehe, Ethik und Ästhetik, Totem und Tabu: Der raffinierte Erzähler Mosebach weist in seinem Roman den Weg in eine andere Moderne. Richard Kämmerlings Die Welt, Literarische Welt 20221204

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ein Kunstroman ist "Taube und Wildente", meint Rezensent Paul Jandl. Protagonist Ruprecht Dalandt hat eine Eingebung bezüglich eines Bildes, das sich ihm plötzlich als geniales Kunstwerk offenbart, erfahren wir, als eines, dessen Verkauf so einige figurative und tatsächliche Löcher stopfen könnte. Form, das Anschauliche, ist für Daland wie für Mosebach das Wesentliche an Kunst. Da gehts schon ins Metaphysische, meint Jandl leicht spöttisch. Wo die Form zerbricht, beginnt für beide "die Hölle des Unglaubens". Am Ende geht die ganze europäische Bürgerlichkeit in Flammen auf. Mosebachs Protagonisten scheinen es mit Haltung zu tragen, der Rezensent erkennt das nicht ohne Bewunderung an.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.10.2022

Wider bedenkenlose Regelverletzung

Ästhetisches Vergnügen ist das Thema des Romans, und das ist er auch selbst: Martin Mosebachs "Taube und Wildente".

Was macht ein gutes Kunstwerk aus? Ist es seine besondere Stellung im Verlauf der Kunstgeschichte? Sein Entstehungskontext? Seine formale Perfektion oder die gelungene Repräsentation des Dargestellten? Der Wert, den es auf einer Kunstauktion erzielen könnte? Ist die Qualität eines Kunstwerks also etwas, das nur dem Eingeweihten ersichtlich ist, der viele Jahre seines Lebens damit verbracht hat, Kunst sehen zu lernen und künstlerisch Bedeutendes von bloßem Kitsch zu unterscheiden? Oder ist es vielmehr das Potential eines Kunstwerks, dem Rezipienten als Erkenntniswerkzeug zu dienen, ihm in der Betrachtung ganz neue Bezüge zu eröffnen und damit letztlich seine eigene Welt neu zu erzeugen?

Letzteres ist zumindest diejenige Wirkung eines Kunstwerks, die Martin Mosebachs Roman "Taube und Wildente" exemplifiziert - und zwar in radikalster Form. Im Zentrum der Erzählung steht eine ästhetische Erfahrung, die alles verändert und den vormals vorhersagbar geregelten Gang der Geschehnisse in völliges Neuland leiten wird. Und das, obwohl das betreffende Gemälde nach konventionellen Kriterien durchaus als "schlecht" bezeichnet werden kann.

Das beschriebene Bild ist ein fast monochrom erscheinendes Jagdstillleben, Ende des neunzehnten Jahrhunderts im akademischen Stil von dem deutschen Künstler Otto Scholderer gemalt. Entstanden zu einer Zeit also, in der Maler wie Paul Cézanne sich bereits der strengen akademischen Regeln entledigt hatten, um den Sprung ins Neue, Farbige, Zukunftsgewandte zu wagen. Handelt es sich bei dem Stillleben demnach um das Werk eines Künstlers, der die Zeichen der Zeit verpasst hat? Eine Erwerbung des verstorbenen Kunstsammlers, die als "Missverständnis" einzuordnen ist? Nicht aus Sicht des Verlegers Ruprecht Dalandt. Er meint zu erkennen, dass die Farben in dem seiner Frau gehörenden Gemälde mit Absicht verborgen sind - als subtile Huldigung an die vorakademischen Buntfarben. Der für ihn abschließende Hinweis auf diese Intention, die das ihm zufolge unterschätzte Bild zu einem Meisterwerk macht: ein zinnoberroter Punkt auf dem Schnabel der toten Taube als vom Künstler absichtlich platzierter, wohlbedachter und kontrollierter Regelbruch mit der Tradition.

Dass Dalandt dies zu sehen vermag, so wird dem Leser bald nahegelegt, hat wohl auch damit zu tun, dass sein Leben gewissermaßen ebenfalls aus verborgenen Buntfarben besteht, die oberflächlich und von außen betrachtet in traditionsbewusst-konservativer Regelbefolgung verschwinden. Mit seiner Frau, der Tochter des durch Bergwerke in Kongo zu Reichtum gekommenen Kunstsammlers Cornelius De Kesel, verbringt er den Sommer im französischen Landhaus des verstorbenen Schwiegervaters. Das steht in der Provence am Fuße der Montagne Sainte-Victoire, die Paul Cézanne in seinen Gemälden verewigte, und beherbergt neben dem der Sammlertochter gehörenden Scholderer-Bild als Stiftungseigentum zahlreiche Kunstwerke des zwanzigsten Jahrhunderts.

Gesellschaft leisten Ruprecht Dalandt dort neben seiner Frau außerdem deren Tochter mit ihrem vaterlosen Kind, zwei Mitarbeiter seines Verlags sowie die Angestellten des noch vom verstorbenen Patriarchen nach strengen Gesetzen organisierten Haushalts. Von Weitem gesehen entspricht das sommerliche Leben im Sammlerhaus dem Bild des kultivierten und traditionsdurchwirkten Zusammenseins, das von der reichen Erbin und ihrem intellektuellen Gatten erwartet wird. Doch genau wie das beschriebene Gemälde besitzt auch Ruprecht Garlands Existenz einen roten Punkt, der auf Verborgenes verweist und trotzdem nicht gesehen wird, obwohl eigentlich für jeden sichtbar. Ein moralisch höchst verwerfliches Vergehen bereitet Dalandt höllische Gewissensqualen, doch in seiner Wirkung bleibt es kontrolliert, solange sich jeder den unausgesprochenen Regeln gemäß nur um seine eigenen Angelegenheiten kümmert.

Die Resonanz aber, die zwischen Kunstwerk und Dalandts Innensicht entsteht, setzt wie bei einer im Rhythmus ihrer Eigenfrequenz beschrittenen Brücke ungeahnte und zerstörerische Energien frei, die alle vorher ausbalancierten Gleichgewichte ins Kippen bringen. Insbesondere betrifft dies das Verhältnis zu seiner Frau, die ihrerseits ein geheimes Doppelleben führt. Nachdem beide in der Einschätzung des künstlerischen Wertes des Bildes grundlegend divergieren, schlägt einvernehmliche Sprachlosigkeit zwischen beiden in etwas um, das wohl als Hass zu deuten ist. Dalandt flüchtet mit Stieftochter, Stiefenkelin und Scholderer-Gemälde zurück nach Deutschland, wo sich die besondere Wirkung des Bildes allerdings in dem Maße auflöst, in dem sich auch sein eigenes ursprünglich streng regelgeleitetes Leben bedenkenloser Regelverletzung unterwirft.

Martin Mosebach schildert diese von Schuld, Sünde und Laster durchwirkten Geschehnisse mit feinster psychologischer Beobachtungsgabe, die die Dualität zwischen Verborgenem und Offengelegtem, zwischen individuellem Gewissen und geteilten Konventionen an immer wieder neuen Stellen sorgsam nachzeichnet. Zum Schluss ist alles verloren, was vorher Sicherheit gab, und alles zerstört, was die Sicherheit ins Wanken brachte. Was bleibt, ist ein Lachen, das erst durch den Bruch aller vorhersehbaren Gesetze des Zwischenmenschlichen nicht mehr überflüssig erscheint. Wenn sich damit bestätigt, dass schon der Tagebuchprolog im Kleinen zeigte, was sich im Großen erst entfalten würde, kommt man kaum umhin, die feinen Striche Scholderers mit den sorgfältigen Beschreibungen Mosebachs zu identifizieren, in denen nichts zufällig und kaum etwas entbehrlich erscheint. Dem aufmerksamen Leser bereitet das ein ungeheures ästhetisches Vergnügen. SIBYLLE ANDERL

Martin Mosebach: "Taube und Wildente". Roman.

dtv, München 2022. 336 S., geb., 24,- Euro.

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