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Früher war Bruno ein Punk, doch das ist lange her. Den Weg ins bürgerliche Leben hat der verhinderte Schriftsteller allerdings immer noch nicht gefunden. Eigentlich hat Bruno seit zwei Jahren nicht einmal seine Wohnung verlassen. Die Welt da draußen ist ihm einfach zu spießig und zu kompliziert. Da steht eines Tages Alice vor seiner Tür, mit der er vor Ewigkeiten eine Affäre hatte, und sie lässt eine Bombe hochgehen: Bruno hat eine Tochter, von deren Existenz er bis dato nichts wusste. Diese Tochter möchte ihn kennenlernen. Bruno ist schockiert, kämpft mit Fluchtreflexen, doch dann regt sich…mehr

Produktbeschreibung
Früher war Bruno ein Punk, doch das ist lange her. Den Weg ins bürgerliche Leben hat der verhinderte Schriftsteller allerdings immer noch nicht gefunden. Eigentlich hat Bruno seit zwei Jahren nicht einmal seine Wohnung verlassen. Die Welt da draußen ist ihm einfach zu spießig und zu kompliziert. Da steht eines Tages Alice vor seiner Tür, mit der er vor Ewigkeiten eine Affäre hatte, und sie lässt eine Bombe hochgehen: Bruno hat eine Tochter, von deren Existenz er bis dato nichts wusste. Diese Tochter möchte ihn kennenlernen.
Bruno ist schockiert, kämpft mit Fluchtreflexen, doch dann regt sich ein unbekanntes Gefühl in ihm: Verantwortung. Dass der Weg zum Vaterglück steinig ist, merkt er allerdings sehr schnell, als er seine kleine Prinzessin näher kennenlernt. Nancy ist zwar erst dreizehn, aber sie hat schon eine reichlich große Klappe. Und diese Schlampentänze, die sie den Britney-Spears-Videos abgeschaut hat... ist sie dafür nicht noch viel zu klein?
Autorenporträt
Virginie Despentes, 1969 in Nancy geboren, arbeitete in Massagesalons und Peep-Shows. Sie betrieb einen Plattenladen und trat als Rap-Sängerin auf, bevor sie zu schreiben begann. Mit ihren beiden ersten Romanen landete sie einen überwältigenden Erfolg in Frankreich. Ihr erster Roman Baise moi - Fick mich von 1993 machte sie auf Anhieb berühmt und wurde von Elke Heidenreich als "literarisches Manifest" bezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2003

Hardcore is over, Baby
Nach der Katastrophe ist vor der Katastrophe: "Teen Spirit" von Virginie Despendes / Von Thomas Hettche

Was sich da an einem Pariser Morgen im Frühherbst des Jahres 2001 vor dem Fernseher versammelt, ist, bei adäquat kaltem Licht besehen, ein recht trauriger Trupp: Da ist zunächst der Ich-Erzähler Bruno, ein Enddreißiger, der sich an guten Tagen als anarchistischen Postpunk beschreibt, tatsächlich aber fast schon in der Gosse lebt. Neben ihm sitzt Thierry mit dem schütteren Haar, den eine freudlose Ehe an der längst überlebten Jugendfreundschaft mit Bruno festhalten läßt. Weiterhin sieht man dort Alice, nicht mehr ganz junge, aber jüngst erst verlassene Tochter aus gutem Hause, die sich gerade angewöhnt, die Trümmer ihres großbürgerlichen Lebenstraums mit Tablettencocktails hinunterzuspülen. Nancy, ihre pubertierende Tochter. Und schließlich noch Sandra, ein Ex-Groupie, das seinen Fan-Status als Autorin obskurer Musik-Postillen über Gebühr verlängert. Und doch: Jenes Licht des neuen Tages, das nach einer durchwachten Nacht auf Virginie Despendes' Helden scheint, verspricht auch neues Glück. Denn nach der Katastrophe ist vor der Katastrophe, und so ist am Ende dieses Romans, was in der modernen Literatur selten genug der Fall ist, die Welt tatsächlich in Ordnung, als sich auf den Gesichtern seiner Protagonisten das Entsetzen darüber abzuzeichnen beginnt, daß im Fernsehen die Türme des Word Trade Centers zusammenstürzen. Denn das ist in diesem Fall eine gute Nachricht: "Sandra legte ihre Hand auf meine. Wir dachten beide das gleiche. (...) Wir hatten Angst vor dem, was uns da bevorstand, entsetzliche, panische Angst. Doch wir waren beide in erster Linie froh, daß diese alte Welt zusammenbrach, krepierte. Nichts war schließlich schlimmer als die momentane Art von Frieden."

Virginie Despendes beerbt so, mit kokettem Seitenblick auf den Skandalwert ihrer Schlußvolte, jede Jugend, die - ob in den Schützengräben vor Langemarck oder am Grab von Kurt Cobain - Krieg und Zerstörung herbeiwünschte, nur um der Leere des Erwachsenenlebens zu entgehen. Doch zu durchsichtig ist das Verfahren, als daß man viel Lust verspürte, Bruno und seine Freunde als Vertreter einer Generation ernstzunehmen, wenn sich auch die Autorin, und mit ihr die Übersetzerin, etwas penetrant um den Geruch des "Teen Spirit" bemüht: "Als das Telefon klingelte, zog ich gerade an einem fetten Joint und beglotzte die Arschbacken von Jennifer Lopez auf MTV." Viel reizvoller scheint es doch, gerade in Anbetracht eines solchen ersten Satzes, sich über die Motivation einer Autorin Gedanken zu machen, die ihren Roman vielleicht auch nur deshalb mit einem welthistorischen Donnerschlag enden läßt, weil ihr selbst ein wenig langweilig wurde.

Die nachgereichte Katastrophe diente nach dieser Hypothese vor allem zur Rechtfertigung eines altertümlichen französischen Romans, der folgende biedere Geschichte erzählt: Der kiffende Gelegenheitsmusiker Bruno, der sich von seiner Freundin aushalten läßt, bekommt eines Tages überraschend Besuch von Alice, seiner Jugendliebe. Diese eröffnet ihm, er habe eine Tochter, mittlerweile dreizehn Jahre alt, die endlich ihren Vater kennenlernen wolle. Da seine Freundin ihn passenderweise in diesem Moment verläßt, hat das Rauhbein Bruno genügend freie Zeit, um sich stante pede in einen verantwortungsvollen Vater zu verwandeln. Nebenbei gelingt es dem armen, aber herzensguten Bohemien sogar noch, seine Jugendliebe von ihrem Karrieretrip zu heilen. Am Ende genügt die kleine Katastrophe der über Nacht verschollenen Tochter im Angesicht der großen Katastrophe des 11. September, um endgültig allen Dünkel und alle Schuld wegzuwischen.

So weit Virginie Despendes Schmonzette, über die eigentlich kein Wort zu verlieren wäre, verwunderte nicht ein solcher Plot bei einer Autorin, die vor wenigen Jahren mit ihrem ersten Roman Kultstatus erlangte, der hierzulande zunächst unter dem etwas pludrigen Titel "Wölfe fangen" erschien. Seit die Autorin jedoch die Verfilmung ihrer Thelma&Louise-Paraphrase im Hardcore-Genre konsequenterweise mit einer im Close-up gezeigten Vergewaltigung beginnen ließ und der Film daraufhin als Pornographie verboten wurde, ziert der Originaltitel auch die deutsche Neuauflage: "Baise moi - Fick mich". In der vorhersehbaren Zensurdebatte gelang es der 1969 in Nancy geborenen Autorin dann mühelos, sich neben Catherine Breillat und Christine Angot als wichtige weibliche Stimme in jener französischen Diskussion um Körper und Sex, Medien und Moderne zu etablieren, die in Frankreich Bestseller produziert und Stars wie Michel Houellebecq hervorgebracht hat. "Teen Spirit" ist seit dem Debüt von 1999 und nach "Die Unberührte", dem nicht übersetzten "Mordre au travers" und "Pauline und Claudine", bereits der fünfte Roman der Autorin. Zumindest diesmal hat es den Anschein, als sei ihr das Gespür für literarische Moden abhanden gekommen. Hoffentlich. Andernfalls blühte uns, wenn auch im Schatten der Katastrophe, ein neues literarisches Biedermeier.

Virginie Despendes: "Teen Spirit". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Kerstin Krolak. Rowohlt Verlag, Reinbek 2003. 158 S., br., 12,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Virginie Despentes hat ihren besten Roman geschrieben." (Le Monde)

"Teen Spirit ist ein echtes Kunststückchen. Und Autorin Virginie Despentes, die mit dem Skandalbuch "Baise-moi" berühmt wurde, ist beinahe zahm geworden mit dieser sehr gescheiten, ganz zärtlichen und überaus eigenwilligen Vater-Tochter-Geschichte." (Hörzu)

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Etwas penetrant findet Rezensent Thomas Hettche die Bemühungen von Autorin und Übersetzerin um "den Geruch des 'Teen Spirit'". Tatsächlich beerbe Virginie Despendes jede Jugend, die - "ob in den Schützengräben von Langemarck oder am Grab von Kurt Cobain" - Krieg und Zerstörung herbeiwünschte, um der Leere des Erwachsenenlebens zu entgehen. Viel Lust jedenfalls, den kiffenden Protagonisten Bruno und seine Freunde ernst zunehmen, verspürt Hettche nicht. Eigentlich findet er nämlich die Geschichte dieses "altertümlichen" Romans reichlich unbedarft. Allerdings schreckt ihn die Tatsache auf, das sich die Autorin mit ihrem Buch "Baise moi!" als wichtige weibliche Stimme in der Diskussion um Körper und Sex etablieren konnte. Mit dem vorliegenden Buch sieht er ein neues literarisches Biedermeier drohen.

© Perlentaucher Medien GmbH
Virginie Despentes hat ihren besten Roman geschrieben. Le Monde