Produktdetails
  • edition suhrkamp 2008
  • Verlag: Suhrkamp
  • 1997.
  • Seitenzahl: 145
  • Deutsch
  • Abmessung: 8mm x 108mm x 176mm
  • Gewicht: 101g
  • ISBN-13: 9783518120088
  • ISBN-10: 3518120085
  • Artikelnr.: 06504344
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Autorenporträt
Katharina Hacker, geboren 1967 in Frankfurt am Main, studierte ab 1986 Philosophie, Geschichte und Judaistik an der Universität Freiburg. 1990 wechselte sie an die Hebräische Universität Jerusalem. Seit 1996 lebt sie als freie Autorin in Berlin.
Katharina Hacker wurde zur Stadtschreiberin 2005/2006 von Bergen-Enkheim gewählt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.01.1998

Der Regen kommt von oben
Katharina Hackers "Stadterzählung" über Tel Aviv

"Ich probiere Geschichten an wie Kleider!" Zu Max Frischs berühmten "Gantenbein"-Satz liefert Katharina Hackers Debüt "Tel Aviv" eine modistische Variation: "Will man von einer Stadt sprechen, so kann man ihr Sätze anprobieren." Wer nun eine lockere postmoderne Kleiderprobe erwartet, wird mit dem ernstesten Ehrgeiz bekannt gemacht. "Von einem richtigen Satz hängt alles ab", dekretiert die Autorin und fährt fort: "Das ist eine Überzeugung, der man unbedingt anhängen muß."

Leider hält der Text nicht, was die Prätention verspricht. Katharina Hackers Mischung aus Notaten und kleinen Geschichten laboriert an der Vorstellung, das bloße Poetisieren ergebe bereits Poesie. Einmal heißt es: "Daß die Stadt mir unerträglich ist, grell und in den Ohren tobt, merke ich daran, daß ich mir einen Salon mit Biedermeiermöbeln ausmale."

Hier hat man fast schon das Rezept des Textes. Nur daß in ihm kein Biedermeiersalon ausgemalt wird, sondern ein Tel Aviv, das mit Figuren à la Chagall ausstaffiert ist. Als da sind der Bäcker, die Keramikerin, der dicke russische Maler, der Schuster, der Uhrmacher, die Frau aus dem Kiosk - lauter Gestalten, die als Originale vorgeführt werden, jedoch nur Hohlformen für die poetische Suada sind. Sie müssen lauter Merkwürdiges und Ausgefallenes denken und träumen. Selbst wenn sie streiten, produzieren sie Lyrik: "dann fallen aus den Wörtern fette weiße Maden". Oder: "Wenn jetzt ein Schiff mit violetten Segeln vorbeikäme, dann würden sie streiten und sich sofort, standrechtlich, trennen." Streiten mag man darüber, ob das Segelschiff von Brecht oder aus einem Werbespot kommt, kaum aber über Katharina Hackers Vorstellung vom Standrecht.

Welt und Leben gehorchen so dem Diktat der Poetisierung. "Die Monate lächeln", "Alle Dinge lachen" - wenn auch nicht über die Satzfolge: "Tomaten sind teuer. Aber hier ist das Meer." Die Autorin liebt orakelnde Totalsätze wie: "Es gibt irgendeine Schöpfung." Und sie schärft uns ein: "Der Regen kommt von oben, davon ist nicht abzugehen." Es ist freilich ein Regen, der nicht naß macht.

Doch was ist mit Tel Aviv, dem Katharina Hacker ihre Girlanden umhängt? Es müßte - wäre es nicht bloß die Schneiderpuppe - zumindest an einem Satz Anstoß nehmen: "Alles könnte ganz anders sein und an einem anderen Ort". Das wäre völlig zutreffend, gäbe es im Text nicht auch ein paar Straßennamen und die Erwähnung von Attentaten, von Toten in den Autobussen. HARALD HARTUNG

Katharina Hacker: "Tel Aviv." Eine Stadterzählung. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1997. 145 S., br. 14,80 DM.

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