In den vergangenen 200 Jahren hat sich unser Leben radikal verändert. Der Ausbau des Verkehrswesens hat die Entfernungen schrumpfen lassen und den Menschen eine früher nicht vorstellbare Mobilität ermöglicht. Am Beispiel der Solling-Region behandelt das von Wolfgang Schäfer und Helmut Schreckenbach zusammengestellte Foto- und Lesebuch Tempo, Tempo - Abschied von der Langsamkeit den allmählichen Wandel der Fortbewegungsweise, der in unserem Alltag oft unbemerkt stattgefunden hat. Mit faszinierenden historischen Fotografien aus dem Archiv von Helmut Schreckenbach und aus dem Stadtarchiv Uslar werden nicht nur die unterschiedlichen Verkehrsmittel dargestellt — die sorgfältig ausgewählten Bilder geben auch ein authentisches Stimmungsbild früherer Zeiten wieder. Das fehlende Tempo der Fortbewegung schien auch das Gemüt der Menschen zu beeinflussen: schicksalsergeben sitzt der Kutscher auf seinem Bock oder stapft neben dem Ochsenwagen einher; Fußgänger sind mit Kiepe oder Handwagen gemächlichen Schrittes unterwegs; Flößer treiben mit der Strömung des Flusses in Richtung Bremen; der Bau der Eisenbahnbrücke bei Steimke dauerte vier Jahre, die Arbeiter kamen aus Italien, Polen und anderen Ländern und mußten körperliche Schwerarbeit verrichten. Für die ersten Automobile war die Tour durch den Solling abenteuerlich, denn die Straßen waren durch mangelhafte Pflege und den Kutschverkehr teilweise in einem äußerst schlechten Zustand. Mit ähnlichen Problemen hatten auch die ersten Rad- und Motorradfahrer im Solling zu kämpfen. Trotzdem waren sich die motorisierten Fahrer von Beginn an sicher, dass sie die neuen Herren der Landstraße sind: Die Fotografien von den ersten stolzen Autobesitzern dokumentieren diesen Anspruch. Das Leben der Solling-Bewohner wurde allerdings schon mit der Eisenbahn entscheidend verändert: die große weite Welt begann plötzlich am Bahnhof mitten im Dorf. Sogar Sohlingen, Kammerborn und Schönhagen waren am Anfang des 20. Jahrhunderts zeitweise an das große Eisenbahnnetz angeschlossen. Seltene Fotografien dokumentieren diese aufregende Epoche im Leben der kleinen Dörfer. Zahlreiche Aufnahmen von Pferdekutschen und Kuhfuhrwerken aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dokumentieren aber auch, dass die eigentliche Automobilisierung erst in den sechziger Jahren stattfand. Bis dahin waren die meisten Einwohner der Region noch auf ihre eigenen Füße oder öffentliche Verkehrsmittel angewiesen.