Mit den Prozessen der Inter- und Transnationalisierung von Staatlichkeit, die sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Europäischen Union materialisieren, verschieben sich die Grundlagen nationaler Identitätsbildungen. Insbesondere sind Prozesse der Neuerfindung nationaler und europäischer Geschichte zu beobachten, die im Zusammenhang mit der sich verändernden Territorialität kapitalistischer Vergesellschaftung analysiert werden. Die vorliegende Arbeit verknüpft im ersten Teil materialistische und staatstheoretische mit nationstheoretischen Ansätzen, um einen adäquaten Begriff der materiellen Grundlagen der Nation zu gewinnen. Im zweiten Teil werden vor dem entworfenen begrifflichen Hintergrund die Entwicklungen der letzten Jahre am Beispiel nationaler Identität in Deutschland in ihrem Verhältnis zu einer entstehenden europäischen Identität kritisch betrachtet. Im Fokus stehen dabei zum einen die Bedeutung nationaler Identitätskonstruktionen für den Wandel politischer Institutionalität und zum anderen die in diesem Wandel stattfindenden Aktualisierungen von rassistischen und antisemitischen Ausgrenzungsmustern. Insgesamt geht es darum, die große Bedeutung der sonst eher vernachlässigten nationalen Identität in den gesellschaftlichen Transformationsprozessen kritisch herauszustellen.