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Die Spur des Terrorismus führt ins alte West-Berlin. Am 2. Juni 1967 wurde der Student Benno Ohnesorg erschossen. Vor dem West-Berliner Kammergericht fand 1986 der Prozess gegen Mitglieder der "Bewegung 2. Juni" statt, die den Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann erschossen und den Berliner CDU-Vorsitzenden Lorenz entführt hatten. Vor demselben Gericht angeklagt war der Begründer des Sozialistischen Anwaltkollektivs, der ehemalige RAF-Verteidiger Horst Mahler. Und auch gegen internationale Terroristen wurde hier verhandelt: im "Mykonos-Prozess" ab 1993, benannt nach dem Tatort, einem…mehr

Produktbeschreibung
Die Spur des Terrorismus führt ins alte West-Berlin. Am 2. Juni 1967 wurde der Student Benno Ohnesorg erschossen. Vor dem West-Berliner Kammergericht fand 1986 der Prozess gegen Mitglieder der "Bewegung 2. Juni" statt, die den Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann erschossen und den Berliner CDU-Vorsitzenden Lorenz entführt hatten. Vor demselben Gericht angeklagt war der Begründer des Sozialistischen Anwaltkollektivs, der ehemalige RAF-Verteidiger Horst Mahler. Und auch gegen internationale Terroristen wurde hier verhandelt: im "Mykonos-Prozess" ab 1993, benannt nach dem Tatort, einem griechischen Restaurant in Berlin, in dem der iranische Ajatollah Khomeini vier kurdische Exilpolitiker liquidieren ließ.Hansgeorg Bräutigam (_1937 in Berlin), von 1979 bis 2002 Vorsitzender Richter am Berliner Landgericht, kennt die an den Prozessen beteiligten Rechtsanwälte, Richter und Staatsanwälte. Sein Buch ist ein fesselnder Einblick in drei der spektakulärsten Berliner Strafprozesse.
Autorenporträt
Bräutigam, HansgeorgHansgeorg Bräutigam (_1937 in Berlin) studierte Jura an der Freien Universität, Amtsgericht, Landgericht, Presse des Justizsenators, Justizprüfungsamt, 1979 bis 2002 Vorsitzender Richter am Landgericht Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein bisschen ratlos bleibt Rezensentin Marlen Grunert mit diesem Band zurück, in dem Hansgeorg Bräutigam, einst gefürchteter Vorsitzender Richter des Berliner Landgerichts, auf drei Terrorprozesse zurückblickt, deren Zusammenstellung sich der Rezensentin nicht unbedingt erschließt: Bräutigam rekapituliert die Prozesse gegen den RAF-Mitbegründer Horst Mahler 1972, die Bewegung 2. Juni 1974 und die iranischen Urheber des Mykonos-Attentats 1992. Und auch wenn Grunert durchaus einige Einblick in die Verfahren und die Atmosphäre vor Gericht gewinnt, verliert sich Bräutigam doch ihrer Ansicht nach in Details, Oberflächlichkeiten und nichtssagendem Kleinklein.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2021

So viel Öffentlichkeit wie möglich
Terroristen vor dem Berliner Kammergericht - Beispiele aus drei Jahrzehnten

Terrorismus ist immer auch eine Kommunikationsstrategie. Bei der RAF war das nicht anders. Wenn es etwa um die Verbalisierung der "faschistischen Staatsgewalt" ging, schreckten die Terroristen nicht davor zurück, auf NS-Analogien zurückzugreifen. Die von den RAF-Anwälten verbreitete Rede von der "Vernichtungshaft" und "Isolationsfolter" entfaltete unter den Anhängern der Terrorgruppe, denen die Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit ein wesentliches Anliegen war, erheblichen Sog.

Wie stark schon bald nach Entstehen der RAF deren Verfolgung selbst als Beweis für den vermeintlich verbrecherischen Charakter des bundesrepublikanischen "Systems" herhalten musste, hat die Historikerin Petra Terhoeven herausgearbeitet. Noch in der Auflösungserklärung der RAF von 1998 hieß es, der Staat habe "mit seiner nationalistischen Vergangenheit nicht gebrochen" und die "gleichen Reaktionsmuster" an den Tag gelegt, "in denen schon die Nazis handelten". Terhoeven spricht von einer "Strategie der gezielten Selbstviktimisierung", die vor allem nach der Inhaftierung der Gründungsmitglieder erstaunlich gut verfangen habe.

Vor diesem Hintergrund verspricht es interessant zu werden, wenn Zeitzeugen davon berichten, wie die RAF und ihre Anwälte Gerichtssäle zu Bühnen machten. Einen solchen Versuch hat Hansgeorg Bräutigam unternommen. In "Terroristen vor dem Kammergericht" widmet sich der langjährige Vorsitzende Richter am Berliner Landgericht drei Verfahren, die in den siebziger und neunziger Jahren vor dem Kammergericht stattfanden.

Neben dem Prozess, der 1972 gegen Horst Mahler geführt wurde, beleuchtet Bräutigam das Verfahren gegen die "Bewegung 2. Juni", die 1974 den Präsidenten des Kammergerichts, Günter von Drenkmann, ermordete und ein Jahr später den Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz entführte. Schließlich widmet sich der Autor dem "Mykonos"-Attentat auf vier iranisch-kurdische Exilpolitiker im Jahr 1992, das vom iranischen Geheimdienst in Auftrag gegeben worden war und ab 1993 vom Kammergericht aufgearbeitet wurde. Warum Bräutigam diesen Prozess zusammen mit den beiden anderen Verfahren verhandelt, leuchtet nicht ganz ein. Mit Blick auf den derzeit laufenden Tiergarten-Prozess, in dem es abermals um einen Mord geht, den ausländische Stellen in Auftrag gegeben haben sollen, hat die Auswahl aber immerhin einen tagesaktuellen Bezug.

Horst Mahler, der nach diversen Verurteilungen, unter anderem wegen Holocaustleugnung, vergangenen Oktober aus der Haft entlassen wurde, gehörte 1970 zu den Gründungsmitgliedern der RAF und verteidigte im selben Jahr Andreas Baader. Nachdem dieser am 14. Mai 1970 auch auf Betreiben Mahlers in das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen ausgeführt und dort gewaltsam befreit worden war, tauchte der Anwalt ab. Zusammen mit weiteren RAF-Mitgliedern setzte sich Mahler nach Jordanien ab, um sich dort für den "bewaffneten Kampf" ausbilden zu lassen. Zurück in Berlin, überfiel die RAF innerhalb kurzer Zeit drei Banken; kurz darauf wurde Horst Mahler festgenommen. Vom Vorwurf der Gefangenenbefreiung wurde er im Mai 1972 mangels Beweisen freigesprochen. Fünf Monate später musste sich Mahler vor dem Kammergericht wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung und schweren Raubes verantworten. Nach 44 Verhandlungstagen verurteilten ihn die Richter zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe.

Akribisch trägt Bräutigam Einzelheiten zusammen. Die Situation vor dem Kammergericht, in dessen Schwurgerichtssaal eigens für den Mahler-Prozess 700 Trennwände aus Panzerglas eingebaut und Innenfenster zugemauert wurden, beschreibt er detailliert. Der Leser erfährt, dass Taschen nicht in den Gerichtssaal mitgenommen werden durften, wohl aber "kleine Damenhandtaschen, die auf ihren Inhalt zu kontrollieren waren".

Während Details wie diese die Verhältnisse vor Ort veranschaulichen, verliert sich der Autor an anderen Stellen in den Einzelheiten. Den Schilderungen der Verhandlungen etwa hätte ein Fokus gutgetan. So hätte das Auftreten von Mahlers Anwälten Otto Schily und Hans-Christian Ströbele einen vertieften Blick vertragen, auch wenn es schon Gegenstand vieler Betrachtungen war. Etwas oberflächlich reihen sich Bräutigams Feststellungen über das "Gemisch aus begründeten und unbegründeten Anträgen" ins Klein-Klein anderer Beobachtungen ein - eine Schwäche, die für das gesamte Buch gilt.

Über den Mahler-Prozess heißt es etwa: "Am 23. Tag kommt es zu einem Zwischenfall. Die Zeugin Gudrun Ensslin versucht, den Bundesanwalt Kaul zu ohrfeigen. Polizeibeamte konnten sie daran hindern. Einen Tag später, am 24. Verhandlungstag, verweigern, wie vorausgesetzt, die Zeugen Andreas Baader, Brigitte Asdonk und Monika Berberich die Aussage. Am 32. Verhandlungstag wird Ruhland erneut als Zeuge befragt. Am 35. Tag kommt Rudi Dutschke als Zeuge und begrüßt Horst Mahler mit ,Rot Front'. Am 39. Verhandlungstag beantragt die Verteidigung, nochmals 25 Zeugen zu laden."

Dennoch gewährt das Buch interessante Einblicke. Das gilt vor allem für Bräutigams Berichte über die beiden Prozesse der siebziger Jahre. Die Atmosphäre dort war von Auftritten wie denen des Lorenz-Entführers Klöpper, der die Anwesenden aufforderte, sich zu Ehren der Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus zu erheben und die in Stammheim "ermordeten" Genossen in eine Reihe mit NS-Opfern stellte, ebenso geprägt wie von denen Fritz Teufels. Er nahm sein Urteil Daumen lutschend entgegen. Sowohl die Angeklagten als auch ihre Verteidiger verstanden es, eine enorme Öffentlichkeit herzustellen. Eine Verlegung des Verfahrens in die Deutsche Oper, wie es die "Bewegung 2. Juni" vergeblich gefordert hatte, war hierzu nicht nötig.

MARLENE GRUNERT

Hansgeorg Bräutigam: Terroristen vor dem Kammergericht. Drei Berliner Strafprozesse nach 1968.

Berlin Story Verlag, Berlin 2020. 142 S., 16,95 [Euro].

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