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Sprache wird immer unmenschlicher. Begeistert, mindestens reflexhaft übernehmen die Zeitgenossen, auch die akademisch gebildeten, die Sprach- und Sprechbausteine der Apparate, des Frühstücksradios, der Sportsendung, der Werbung; und also reden sie, wie das Reklameradio und all die anderen Agenturen der Verblödung reden. Von Wortschatz will man, tagtäglich zugemüllt von Knallervokabular wie lecker, mega, nachvollziehen und alles gut, im Ernst nicht mehr reden.

Produktbeschreibung
Sprache wird immer unmenschlicher. Begeistert, mindestens reflexhaft übernehmen die Zeitgenossen, auch die akademisch gebildeten, die Sprach- und Sprechbausteine der Apparate, des Frühstücksradios, der Sportsendung, der Werbung; und also reden sie, wie das Reklameradio und all die anderen Agenturen der Verblödung reden. Von Wortschatz will man, tagtäglich zugemüllt von Knallervokabular wie lecker, mega, nachvollziehen und alles gut, im Ernst nicht mehr reden.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Edo Reents empfiehlt Stefan Gärtners sprachkritische Interventionen. Gut gefällt ihm, dass der Autor mit seinen feinen Beobachtungen und kleinen Bosheiten ausschließlich nach oben zielt, vor allem auf Journalisten und Werbetreibende im Hamsterrad des Fortschritts. Ohne Schulmeisterei, dafür mit treffender "sensibler Schärfe", mit Goethe, Adorno und Karl Kraus durchforstet Gärtner laut Reents sämtliche gesellschaftlichen Sphären nach sprachlichen Torheiten - und wird reichlich fündig.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.07.2021

Liebe Grüße an die dümmsten Hammel
Stefan Gärtner legt mit feiner Sprachkritik nach

Bringt das überhaupt noch was? "Sprachkritik ist natürlich Unfug. Sprachkritik übersieht, dass Sprache im Wandel ist, dass neue Ausdrucksformen alte Ausdrucksformen ablösen": So reden diejenigen, die jede Mode mitmachen, unbekümmert um Richtigkeit, Nuancierungsmöglichkeiten, Wahrheitsgehalt. Stefan Gärtner hat sie schon länger auf dem Kieker und schreibt gegen die übelsten Torheiten, zu denen das Gendern noch gar nicht gehört, unverdrossen an. "Terrorsprache. Aus dem Wörterbuch des modernen Unmenschen" knüpft im Untertitel an Dolf Sternberger an, bei dem allerdings zu fragen wäre, ob seine Thesen hier und da nicht doch etwas kurzschlüssig sind.

Gärtners sind es jedenfalls nicht. "Sprachkritik ist Ideologiekritik; alles andere ist Bastian Sick": Der Verzicht auf grammatische oder orthographische Schulmeisterei schärft sein ohnehin fledermausfeines Ohr für das, was die Leute so daherreden und -schreiben. Anders als der nach unten tretende, aber nach oben kaum kriechende Sick vergreift er sich dabei nicht an denen, die es nicht besser wissen (können), sondern an denen, die es besser wissen müssten, besonders an Journalisten und an Werbetreibenden.

Doch was bedeutet Ideologiekritik? Gärtner, ehemaliger Titanic-Redakteur, jetzt Kolumnist in linken Organen und in seiner sensiblen Schärfe sowie Treff- und Geschmackssicherheit einer der zustimmungsfähigsten Autoren unserer Zeit, hat gegen ebendiese allerhand auf dem Herzen und ist nicht gerade das, was man "systemkonform" nennen könnte. Trittsicher, aber konsequent nur nach oben, gegen die meinungs- und bewusstseinsbildende Klasse, analysiert er auf dem Fundament des dialektischen Materialismus und mit Goethe, Schopenhauer, Nietzsche, Karl Kraus, Adorno und Henscheid auf Tuchfühlung den Sprachgebrauch, der ihm in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen so unterkommt. Dabei macht er, ganz ohne Erbsenzählerei, reichliche Beute.

Aber was ist eigentlich so schlimm daran, wenn die Leute in einem fort "zeitnah", "feiern", "angefasst", "am Ende des Tages" oder "alles gut" - Marotten übrigens, die auch in dieser Zeitung beanstandet werden - sagen? Das falsche sprachliche Teil ist Ausdruck des falschen Ganzen. Konkret: Wer alles "nice", "lecker", "spannend" oder nicht "darstellbar" findet, dabei "entspannt" ist, es aber unter einem "perfekten" Kindergeburtstag und dem "perfekten" Geschmack einfach nicht mehr tut, in seiner Freizeit womöglich Funktionskleidung trägt oder SUV fährt, in welchem das seinerseits inflationär gewordene "massiv" gleichsam zu sich selbst kommt, und also schon vor lauter Abgestumpftheit nur noch bei heillos übertreibenden Mitteilungen, in denen dann jede Kritik gleich "scharf" und jeder Vorgang gleich "dramatisch" ist, hinhört, der ist auch bloß einer von diesen "modernen, auf dümmstes Reizvokabular geeichten Hammeln". Und macht fröhlich und verbissen mit in diesem auf Effizienz und Fortschritt getrimmten, grundsätzlich verblendeten und verblendenden Zusammenhang: "Unwahr ist, was unterm Regime totaler Produktion Menschliches vorspiegelt, und die Bürokratisierung, die in der Verkürzung der falschen, weil lieben Grüße zu ,lg' (oder ,glg', ganz lieben Grüßen) besteht, spricht diese Wahrheit unversehens wieder aus."

Einen Menschen, der all dies auf sich vereinigt, gibt es natürlich nicht. Gärtner, der Humanist, malt eine solche eierlegende Wollmilchsau als Inbegriff sprachlicher Gedankenlosigkeit oder sogar schon Verblödung nicht ohne Bosheit, aber auch nicht ohne Mitleid (mit den Schwachen) an die Wand, und dabei fällt eine solche Fülle an klugen, feinsinnigen Beobachtungen ab, dass man ihm seine eigenen Marotten - "wer" zum Beispiel durchweg als einfaches Pronomen gebraucht oder die uns nur aus dem Ostdeutsch-Masurischen bekannte Wendung "möchte sein, dass . . ." - ohne Weiteres durchgehen lässt. Vielleicht könnte ihm aber mal jemand sagen, dass es sich bei Dörte Hansen, auf der er auch sonst gerne herumhackt, um überhaupt keine Verfasserin "faschistoider" Romane handelt. Sein Büchlein möchte man jedenfalls nicht mehr aus der Hand legen. EDO REENTS

Stefan Gärtner:

"Terrorsprache". Aus dem Wörterbuch des modernen Unmenschen.

Edition Tiamat, Berlin 2021. 142 S., br., 14,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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